Wie der Staat mit öffentlich geförderten Projekten prekäre Arbeit finanziert

Tariftreue„… Allein über den Europäischen Sozialfonds (ESF) haben Bundesregierung und Landesregierungen in Deutschland in den Jahren 2014 bis 2020 Projekte privater Träger im Umfang von 7,5 Milliarden Euro gefördert. Das erklärte Ziel dabei ist „Investitionen in die Menschen“, um ihnen bei der „Bewältigung wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen“ zu helfen. Was abseits der betriebswirtschaftlichen Rhetorik vielleicht gut und richtig klingt, bedeutet für Beschäftigte in diesen Projekten häufig prekäre und nicht nachhaltige Arbeit – mit staatlichem Gütesiegel. Ich arbeite für einen Betrieb, welcher ein Träger mehrerer ESF-geförderter Projekte ist. Unsere Projekte richten sich unter anderem speziell an Frauen und Künstler:innen, die sich neben ihrer abhängigen Beschäftigung eine berufliche Selbstständigkeit aufbauen möchten oder müssen. Dazu bieten wir Workshops und Einzelberatungen in den Themen Marketing, Steuern und Buchführung sowie Vertragsrecht an. Meine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit liegt bei 30 Stunden pro Woche, obwohl ich tatsächlich 40 bis 50 Stunden die Woche arbeite…“ Erfahrungsbericht von Max Czerny vom 28. November 2022 bei ‚KlasseGegenKlasse‘ externer Link und mehr daraus:

  • Weiter im Erfahrungsbericht von Max Czerny vom 28. November 2022 bei ‚KlasseGegenKlasse‘ externer Link: „(…) Die überwältigende Mehrheit der bewilligten Projekte hat eine maximale Laufzeit von ein bis drei Jahren. Für die Beschäftigten in diesen Projekten heißt das eine dauerhafte Befristung ihrer Arbeitsverträge. Dabei erzeugt diese dauerhafte Befristung natürlich großes Leid in der Arbeit und im Privatleben. (…) Wer dauerhaft befristet ist, der organisiert sich nicht gewerkschaftlich und gründet keinen Betriebsrat, um Missstände im Betrieb anzugehen. (…) Dabei sind diese Missstände nicht unerheblich. (…) Um die Personalkosten trotz tariflicher Vergütung gering zu halten, greifen die Träger zu perfiden Tricks. Zum einen wird das Arbeitsgebiet der Beschäftigten in Projekten kontinuierlich verdichtet. (…) Um weitere Personalkosten zu sparen, greifen Träger vermehrt auch zur Ausweitung der als Honorarkraft tätigen Personen in Projekten. (…) In der aktuellen Situation wird durch das Wesen der öffentlich geförderten Projekte nur erreicht, dass windige Inhaber:innen privater Träger ihre Profite mit der Ausbeutung von Beschäftigten und der Verschlechterung der Qualität in sozialen und kulturellen Angeboten für Arbeiter:innen, Student:innen, Rentner:innen, Erwerbsunfähige, Arbeitssuchende sowie Kinder und Jugendliche erwirtschaften. Dies widerspricht den Interessen der Arbeiter:innenklasse, aus deren Wertschöpfung das Geld entspringt, welches in diesen Projekten eigentlich für die allgemeine und gezielte Verbesserung der Gesellschaft eingesetzt werden soll. Daher muss die gesamte Struktur der öffentlich geförderten Projekte in privater Trägerschaft abgewickelt werden. Neben der Abwicklung dieses Projektunwesens sollte es zum Ziel des gewerkschaftlichen Kampfes gehören, den Staat zur Übernahme seiner vitalen Aufgaben zu zwingen und den Privatisierungswahn zu beenden. Aufgaben öffentlich geförderter Projekte in privater Trägerschaft müssen vollständig an den Staat übergehen und von ihm im Sinne der Arbeiter:innenklasse organisiert werden. In der Frage der Arbeitsstandards darf sich der Staat nicht länger am ‘race to the bottom’ beteiligen. Er muss für eine ausreichende Anzahl unbefristet Beschäftigter zur Erfüllung der notwendigen Aufgaben sorgen und diese nach Tarifvertrag im öffentlichen Dienst bezahlen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=206512
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