[Drecksarbeit] Die Dienerin war immer da. Öffentlich mag es nicht sichtbar sein, aber das Dienstleistungsproletariat ist überwiegend weiblich

Skandalöse Ausbeutung von Reinigungskräften am St. Anna Krankenhaus„Seit einiger Zeit ist viel die Rede vom Schlagwort einer „Rückkehr der Diener“. Der postindustrielle Kapitalismus, so die These, habe ein neues Verhältnis zwischen bürgerlichem Herrn und dienstleistungsproletarischem Knecht etabliert. Symbolisch dafür stehen junge, sportliche, meist männliche Fahrradfahrer der Lieferdienste. Dass diese Arbeit anstrengend und prekär ist, stimmt natürlich. Sie findet allerdings in der Öffentlichkeit statt; wir alle sehen die pinken Quadrate auf dem Rücken der Radler – und schämen uns vielleicht für die letzte oder die nächste Bestellung. Im Gegensatz zu diesen auffallenden, raschen Veränderungen bei den Lieferdiensten stehen die unsichtbaren Tätigkeiten des Pflegens, Reinigens und Kümmerns. Hier kann man keineswegs von einem Comeback der Dienerschaft sprechen. Vielmehr war die weibliche Dienerin schon immer da: in der Antike als Sklavin, im Feudalismus als Magd, später als Dienstmädchen, heute als Putzfrau oder Tagesmutter. Das Patriarchat ist eben älter als der Kapitalismus. Und mit ihm die ungleiche Lastenverteilung zwischen den Geschlechtern. (…) Global ist dieses Verhältnis noch drastischer. Es geht dabei nicht nur um die quantitative Verteilung, sondern auch um die qualitative Ausbeutung. Ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beschreibt den weiblich geprägten Dienstleistungssektor so: „Sehr niedrige Löhne, exzessive Arbeitszeiten, das Fehlen von Ruhetagen, mentaler und sexueller Missbrauch sowie die Beschneidung von Freiheitsrechten.“ (…) Es gibt eine alte sozialistische Forderung: die Aufhebung der Notwendigkeit von Dienstboten. Sie müsste ergänzt werden um die Frage, wie die Dienste, die alle unbestreitbar brauchen, so organisiert werden können, dass sie nicht auf den Schultern der Frauen landen, die ökonomisch am abhängigsten sind. Diese Dienerschaft ist jahrhundertealt und geht tiefer als die bloßen sichtbaren Arbeiten. Entsprechend tief geht die Kritik und auch die Forderung nach einer anderen Lebensweise.“ Beitrag von Ines Schwerdtner vom 30. April 2019 bei der Freitag Ausgabe 13/2019 externer Link

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