Sachsen-Anhalts Maßnahme gegen Lehrkräftemangel: LehrerInnen sollen ab Mitte März 2023 eine Stunde mehr unterrichten – GEW prüft Klage

E&W 11/2017 zum Schwerpunkt "Lehrkräftemangel"Die beim Bildungsgipfel bekannt gewordene Extra-Stunde für Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt externer Link wird wohl erst ab Mitte März verpflichtend fällig werden. Mit der Maßnahme soll dem Lehrermangel entgegengewirkt werden. (…) Die Lehrergewerkschaft GEW will eine Klage gegen die Arbeitszeiterhöhung prüfen. (…) Nachdem zunächst noch Verbände angehört werden sollen, werde das Kabinett die Pläne am 7. März endgültig auf den Weg bringen. Der Unterrichtsbetrieb des zweiten Halbjahrs beginnt in Sachsen-Anhalt am 13. Februar. Bildungsministerin Feußner erklärte, die zusätzlichen Stunden könnten selbstverständlich bereits ab Halbjahresbeginn freiwillig abgeleistet werden. (…) Die Extra-Stunden sollen nach Angaben von Bildungsministerin Feußner entweder ausgezahlt oder einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden können…“ Beitrag von Felix Fahnert vom 31. Januar 2023 beim MDR externer Link („Lehrer in Sachsen-Anhalt sollen ab Mitte März eine Stunde mehr unterrichten“), siehe dazu die GEW Sachsen-Anhalt und weitere Infos:

  • Lehrermangel: Noch eine Lehrkraft weniger. Pädagogin in Sachsen-Anhalt wehrt sich gegen Mehrarbeit und Rauswurf nach 39 Dienstjahren New
    So lässt sich der grassierende Lehrermangel auch verschärfen: In Sachsen-Anhalt wurde einer altgedienten Pädagogin fristlos gekündigt, weil sie sich nicht zu Mehrarbeit verdonnern lassen wollte. Birgit Pitschmann hatte sich wiederholt geweigert, die seit Anfang März verpflichtende »Vorgriffsstunde« zu leisten, mit der die Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP den Personalengpässen an den Schulen des Landes begegnen möchte. Weil sie ihre »Arbeitskraft erhalten« wolle, widersetzte sich die 60jährige der Anordnung und erhielt deshalb Anfang September nach 39 Dienstjahren ihre Entlassungspapiere. Hinnehmen will sie das nicht, sie hat inzwischen Klage gegen die Maßnahme eingereicht.
    Pitschmann hatte als Angestellte an einer Grundschule in Salzwedel in der Altmark unterrichtet, war stets in Vollzeit tätig, so gut wie nie krank und stets umgeben von knapp 30 Schülern. Die im Frühjahr vom Land verfügte Zusatzstunde, mit der ihr Pensum von 27 auf 28 Unterrichtsstunden ansteigen sollte, hielt sie von Beginn an für juristisch nicht haltbar. Anders als eine Reihe anderer Betroffener sah sie sich aber außerstande, Rechtsmittel gegen den Erlass einzulegen und setzte statt dessen auf Obstruktion. Hier sei eine Grenze erreicht worden, die sie nicht habe überschreiten wollen, begründete sie ihren Schritt gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Ihr Wunsch sei es immer gewesen, ihren Beruf bis zur Rente auszuüben. Durch die neuerliche Mehrbelastung erschien ihr dieses Ziel nicht länger erreichbar. (…)
    Wie überall in Deutschland herrscht auch in Sachsen-Anhalt ein enormer Pädagogenmangel. Auch hier ist er die Folge jahrzehntelanger Fehlplanung und hemmungsloser Spardiktate. Zu Jahresanfang hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) einen Nothilfeplan präsentiert, der auf die forcierte Rekrutierung von Quer- und Seiteneinsteigern, die Begrenzung von Teilzeit und eine Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung setzt. Alle diese Rezepte haben das Zeug, die Misere im Klassenzimmer eher zu verschlimmern, weil so noch mehr Beschäftigte in den Burnout getrieben werden und die Lehr- und Lernqualität wegen schwindender Professionalität noch mehr leidet. Die Ansage der Landesregierung, mittels der Mehrarbeit eine 100prozentige Unterrichtsversorgung sicherzustellen, ging in Sachsen-Anhalt auch nicht in Erfüllung. Laut GEW-Chefin Gerth habe sich die Situation punktuell gebessert, gerade an Gymnasien in strukturstärkeren Regionen. »An den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen fällt aber im Schnitt immer noch mehr als eine von zehn Stunden aus.« Auch angesichts dieser Bilanz erneuerte die Gewerkschafterin ihre Forderung, die Zusatzstunde »umgehend wieder abzuschaffen
    «.“ Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 14.09.2023 externer Link – bei der GEW Sachsen-Anhalt (noch) nichts gefunden
  • Magdeburg: Faschist:innen greifen Lehrer:innen-Protest an 
    Lehrkräfte protestieren gegen die Kürzungspolitik der Regierung Sachsen-Anhalts. Im Anschluss gab es einen faschistischen Angriff auf Kundgebungsteilnehmer:innen. Am 13. Februar gingen Lehrer:innen in Magdeburg auf die Straße externer Link, um die von der Regierung Sachsen-Anhalts angestrebte Erhöhung des wöchentlichen Unterrichts für jede Lehrkraft um eine Stunde zu protestieren. Grund für die Erhöhung der Arbeitszeit ist, dass das Land Sachsen-Anhalt über Jahre hinweg zu wenig Lehrkräfte ausgebildet hat. Die Bildungsministerin Sachsen-Anhalts Eva Feußner, mitverantwortlich für den Lehrer:innenmangel, versucht die Protestierenden mit einem Appell an ihr Pflichtgefühl einzuschüchtern und so die systematischen Probleme zu kaschieren. Laut ihr sei es “sehr bedauernswert”,  dass man kein Verständnis für die zusätzliche Stunde aufbringe als Lehrkraft, weil es um “unsere” Schülerinnen und Schüler gehe. Man fragt sich, wann sie das letzte Mal eine Schule von innen gesehen, geschweige denn sich mit Schüler:innen oder Lehrkräften unterhalten hat. Dass eine zusätzliche Schulstunde mehr als nur eine zusätzliche Stunde an Arbeit bedeutet, mit sämtlicher Vor- und Nachbereitung will sie jedenfalls nicht erkennen. Die auf der Kundgebung verlesenen Zitate Feußners sorgten dementsprechend für Gelächter externer LinkZusammen mit den Angriffen auf die Arbeitsrechte der Lehrer:innen kommt es auch zu physischen Angriffen nach dem Ende der Kundgebung. Auf dem Heimweg wurden mehrere Mitglieder der linksjugend [‘solid] Magdeburg von Mitgliedern der faschistischen Kleinstpartei “Neue Stärke” attackiert. Mit Glasflaschen bewaffnet verfolgten die Faschisten die Mitglieder der Solid und durch einen Faustschlag einer der Faschisten erlitt einer der Attackierten eine Jochbeinprellung und eine Gehirnerschütterung. Nach Angaben der Solid war dies nicht der erste Vorfall dieser Art in der letzten Zeit in Magdeburg…“ Beitrag von Tom Krüger vom  16.2.2023 bei Klasse gegen Klasse externer Link, siehe zum Angriff:

    • Neonazi-Übergriff am Rande der GEW-Kundgebung in Magdeburg.  Die Angreifer sind dem Spektrum der Kleinstpartei „Neue Stärke“ zuzurechnen. Aus Frust über die Auflösung des Magdeburger Ablegers scheinen sie nun aktiv im Stadtgebiet Stress zu suchen.“ Tweet von Magdeburg in Bewegung vom 15. Feb. 2023 externer Link mit Video des Angriffs
    • dazu DGB Sachsen-Anhalt im Tweet vom 16. Feb. 2023 externer Link: „Wir verurteilen den Angriff auf die Demonstrant*innen, darunter Kolleg*innen der @GEW_S_A. Ihr habt unsere volle Solidarität und wir hoffen inständig, dass niemand verletzt wurde. #keinfußbreitdemfaschismus
    • Bei der GEW bislang nichts gefunden…
  • Lehrkräfte protestieren auf dem Magdeburger Domplatz gegen die zusätzliche Unterrichtsstunde
    Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt (GEW) hat für heute in Magdeburg und für morgen in Halle zu Protesten der Lehrkräfte aufgerufen. Sie sollen laut dem Kabinettsbeschluss von Ende Januar zu einer Unterrichtsstunde mehr pro Woche verpflichtet werden [wir berichteten]. Die GEW hält dieses Ergebnis des Bildungsgipfels für frustrierend und hat die Kundgebungen deshalb aktiv vorangetrieben. Die GEW will die Maßnahme der zusätzlichen Unterrichtsstunde pro Lehrkraft je Woche nicht akzeptieren. Die Lehrkräfte müssten damit die „unsägliche Personalpolitik“ der Landesregierung der vergangenen Jahre wegtragen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Gewerkschaft. Die Erhöhung soll nach Bestreben der Landesregierung nach den Winterferien umgesetzt werden. Mit den Kundgebungen will man gegen jede Erhöhung er Arbeitszeit für die Lehrkräfte kämpfen. Das pädagogische Personal soll entlastet werden und die Arbeit soll anerkannt werden. Das fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Rund 2000 Lehrkräfte sind nach Polizeiangaben vor Ort heute der Kundgebung gefolgt. Darunter waren auch viele Lehramtsstudenten und Seiteneinsteiger. Die Gewerkschaft sprach sogar von bis zu 2500 Protestanten auf dem Domplatz. (…) Es sei nach Aussagen der Ministerin keine Arbeitszeiterhöhung, sondern vielmehr eine Verlagerung der Arbeitszeit, zitierte Doßmann. Dafür gab es Gelächter in den Reihen der Demonstranten. Die Rufe der Lehrkräfte werden auch in den kommenden Wochen und Monaten laut bleiben. Schon morgen protestieren auch die Lehrkräfte in Halle gegen die aktuelle Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt.“ Bericht vom 13.02.2023 in meetingpoint-jl.de externer Link mit Fotos der Kundgebung
  • Stellungnahme der GEW Sachsen-Anhalt zum Bildungsgipfel: Landesregierung verordnet Arbeitszeiterhöhung für alle Lehrkräfte
    Zu Beginn des heutigen Bildungsgipfels, der eigentlich ein Dialog sein sollte, stellte Ministerpräsident Haseloff die Agenda der Landesregierung vor. Die GEW Sachsen-Anhalt nimmt zu den Ergebnissen Stellung.
    Zu Beginn des Bildungsgipfels am 19. Januar, der eigentlich ein Dialog sein sollte, stellte Ministerpräsident Haseloff die Agenda der Landesregierung vor. Auf jeden Fall umgesetzt werden soll die Erhöhung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde. Zukünftig müssen Lehrkräfte eine zusätzliche Stunde pro Woche absolvieren, die bezahlt wird bzw. auf dem Arbeitszeitkonto gespeichert werden kann. Man spricht von „Vorgriffsstunden“. Es wurde zwar von einer befristeten Maßnahme gesprochen, jedoch keine Frist genannt. Weitere Vorschläge zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung bzw. für mehr Personal in den Schulen waren eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schule und Hort, ein Budget für Vertretungspersonal, welches von den Schulleitungen eingesetzt werden soll, und die Kombination der allgemeinbildenden Fächer für das Lehramtsstudium an der Uni Magdeburg. Die A 13/E 13 für Grundschullehrkräfte wurde in Aussicht gestellt, jedoch ebenfalls ohne eine Frist zu nennen. Die GEW lehnt jede verpflichtende Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrkräfte ab. Das Ansinnen der Landesregierung soll auf jeden Fall juristisch geprüft werden.
    „Aus unserer Sicht sollen jetzt die Lehrkräfte die unsägliche Personalpolitik der vergangenen Jahre wegtragen“, sagte Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, die am Bildungsgipfel teilnahm und ihn aus Protest gegen die Arbeitszeiterhöhung vorzeitig verließ. „Wir, als die größte Bildungsgewerkschaft im Land, wollen keine Kulisse abgeben in einer Veranstaltung, die Dialog genannt wird und in der die Landesregierung einseitig ihre Maßnahmen verkündet. Leider hat sich schon wieder der Finanzminister durchgesetzt, so wie beim Personalabbau vor ein paar Jahren.“ Jeder, der unterrichtet, weiß, dass eine zusätzliche Unterrichtsstunde, auch ein Mehr an Vorbereitung benötigt, was die Belastung in den ohnehin am Rande ihrer Kraft arbeitenden Kollegien noch mehr erhöht. (…) Zusätzlich hatten sich die beteiligten Gewerkschaften und Verbände im Vorfeld auf ein Maßnahmenpapier externer Link geeinigt, das zur Kenntnis genommen, aber nicht den am Bildungsdialog Beteiligten zur Verfügung gestellt wurde…“ Stellungnahme der GEW Sachsen-Anhalt vom 19.01.2023 externer Link, siehe auch:

    • Reaktionen auf den „Bildungsgipfel“: Unverständnis, Wut, Enttäuschung, …
      Nach dem „Bildungsgipfel“ erreichten die GEW Sachsen-Anhalt und die Redaktion der EuW diverse Zuschriften. Unsere Mitglieder haben in verschiedenen Statements vor allem ihren Unmut über die von der Landesregierung angeordneten Mehrstunden ausgedrückt…“ Auswahl der Zuschriften am 06.02.2023 bei der GEW Sachsen-Anhalt externer Link

Siehe zum Hintergrund unser Dossier: [Immer wieder überraschend] Lehrkräftemangel: Tausende Stellen unbesetzt

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=209032
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