Dumping beim Sprachkurs. »Learnship«: Weniger Honorar und Mehrarbeit, Lehrkräfte organisieren sich

Dossier

Angestellte Lehrer in Berlin fordern unbefristete Verträge„… »Learnship«, ein sogenannter internationaler Branchendienstleister, engagiert vorrangig freiberufliche Lehrkräfte. Einige opponieren nun: gegen miese Entgelte und unbezahlte Mehrarbeit. Unmut gibt es bereits seit vergangenem Frühjahr. »Rückwirkend zum 1. Mai 2020 wurde unser Honorar um 25 Prozent gekürzt« (…) Begründet wurden die »Einschnitte« seitens der Geschäftsführung mit coronabedingten Einbußen. (…) Einige der Fachkräfte haben begonnen, sich zu organisieren. Über eine Whats-App-Gruppe und in einer eigens gegründeten Betriebsgruppe der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU)…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 16. März 2021 externer Link, siehe mehr daraus und auch die Pressemitteilung der Betriebsgruppe Learnship der FAU Berlin und der FAU Köln:

  • Bestnote in Ausbeutung: Lehrkräfte werfen Sprachkursanbieter Learnship unhaltbare Arbeitsbedingungen vor New
    „… Learnship verkauft Unternehmen Englischkurse, die branchenspezifisches Vokabular vermitteln. Weltweit unterrichten mehrere hundert Lehrkräfte für Learnship. Bislang erhielten sie 15 Euro oder mehr pro Stunde. Seit Jahresbeginn würden den Lehrkräften aber nur noch Verträge mit einer Entlohnung von zwölf Euro in der Stunde angeboten, berichtet die FAU in einer Pressemitteilung. Gegenüber »nd« bestätigen auch Learnship-Lehrkräfte die Vorgänge. Die Arbeitsbedingungen für die Freiberuflichen seien ohnehin »prekär«, durch die Honorarkürzung seien sie »untragbar«, berichtet eine Lehrkraft, die anonym bleiben will. Auch sie habe seit mehreren Monaten keine Kurse mehr zugeteilt bekommen, weil sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren wolle. Zuvor hatte sie bis zu zehn Kurse in der Woche unterrichtet. Mit der neuen Rate könne sie ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr tragen, sagt die Lehrkraft. (…) Für die Sprachlehrer besonders ärgerlich: Erst als drei Lehrkräfte einen Gesprächstermin ausmachten, wurde ihnen mitgeteilt, dass die Geschäftsführung eine Honorarkürzung plane. Eine Unternehmensmitteilung oder Ähnliches habe es zuvor nicht gegeben, berichtet die anonyme Honorarkraft. Erst über den Austausch auf sozialen Medien sei den Lehrkräften bewusst geworden, dass es nicht um Einzelfälle gehe. »Wir wurden vollkommen im Dunkeln gelassen«, kritisiert die Lehrkraft. Auch jetzt gebe es keinen klaren Ansprechpartner, Anfragen blieben häufig unbeantwortet. Die Umstellung hat inzwischen auch Auswirkungen auf den Lehrbetrieb  (…)
    Zudem leiden die Lehrkräfte unter den Stornierungsregelungen: Sagen die Kursteilnehmer sechs Stunden vor der Unterrichtseinheit ab oder erscheint nicht zum Termin, erhält die Lehrkraft nur ein Drittel des Stundensatzes. Erfolgt die Absage noch vor dieser Frist, erhält sie gar kein Honorar. Für viele Sprachlehrer sei das eine existenzielle Bedrohung, sagt eine Lehrkraft. Die meisten Teilnehmer absolvierten die Kurse während der Arbeitszeit und sagten deshalb regelmäßig ab. Es sei schon vorgekommen, dass in einer Woche ein Viertel der Termine ausgefallen seien. »Wir haben dann aber den Unterricht schon vorbereitet und die Zeit verplant«, sagt sie. Den Kursteilnehmern sei dabei häufig nicht klar, dass die Lehrkräfte die Kosten für den Ausfall tragen müssten. »Die Leute sind schockiert, wenn man ihnen sagt, unter welchen Bedingungen wir arbeiten.«
    Die Lehrkraft erklärt sich das Vorgehen der Geschäftsführung damit, dass Learnship in mehreren Ländern aktiv sei. Weil die Kurse grundsätzlich online stattfänden, könnten auch Sprachlehrer aus anderen Ländern deutsche Kunden unterrichten. Learnship könne damit auf eine große Auswahl an potenziellen Lehrkräften zugreifen. »Auf den Philippinen zum Beispiel sind zwölf Euro Stundenlohn ein sehr gutes Geschäft«, sagt die Lehrkraft. (…)
    Am liebsten wäre es einer Lehrkraft, die mit »nd« gesprochen hat, wenn die Sprachlehrer fest angestellt würden. »Uns werden Unterrichtsmaterialien und -methoden vorgegeben«, sagt sie. Zugleich gebe es aber nicht die Möglichkeit, über das Honorar frei zu verhandeln und für die Lehrkräfte gebe es weder Versicherungs- noch Kündigungsschutz. »Wir kriegen das Schlechteste aus beiden Welten.« Die Learnship-Geschäftsführung reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf nd-Nachfrage.“ Artikel von Marten Brehmer vom 16.08.2023 in ND online externer Link
  • Gewerkschaftlich organisierte Lehrkräfte sagen, dass bei Learnship die Freelancer auf der Strecke bleiben 
    „Die FAU Berlin fordert grundlegende Veränderungen bei Learnship, um die Rechte von Sprachtrainer*innen zu wahren
    Der Online-Sprachkursanbieter Learnship hat bei der Unterbezahlung von selbstständigen Lehrkräften einen neuen Tiefpunkt erreicht. Viele der Lehrkräfte, die bisher mehr als 15 € pro Stunde verdient haben, erhalten keine Aufträge mehr, andere verdienen nur noch 12 € pro Stunde. Das kommt einer Honorarkürzung gleich, die ohne Vorwarnung oder Rücksprache umgesetzt wurde.
    Ähnlich handelte der der Onlinedienstleister bereits 2018, als er neue Regelungen zu Stornierungen einführte: Wenn Kursteilnehmer*innen weniger als sechs Stunden im Voraus absagen oder nicht zum Unterricht erscheinen, erhalten die Sprachtrainer*innen nur einen Drittel ihres Stundensatzes – und gar nichts, wenn die Teilnehmer*innen früher absagen. Bei vielen Lehrkräften erfolgte die letzte Honorarerhöhung 2018, bei anderen liegt sie noch länger zurück. Das Festsetzen der eigenen Honorare ist zentraler Bestandteil selbstständiger Arbeit. Während der Pandemie wurden die Lehrkräfte hingegen gezwungen, entweder ihren Stundensatz um 25 % zu reduzieren oder auf unbestimmte Zeit keine neuen Kurse zu erhalten. Diese „Coronakürzung“ wurde erst nach knapp einem Jahr zurückgenommen, die Stornoregelung besteht bis heute fort.
    Seit dem Frühjahr setzt Learnship seine Lehrkräfte erneut unter Druck, niedrigere Stundensätze zu akzeptieren. Einer Lehrerin wurde der Zugang zur Webseite gesperrt, weil sie den Satz von 12 € pro Stunde nicht akzeptieren wollte. Erst nachdem sie sich bei der Geschäftsführung beschwert hatte, wurde ihr Zugang wieder freigegeben. Vielen Schüler*innen von Lehrkräften, die mehr als 15 € verdienen, wurde bereits mitgeteilt, dass sie nach dem Ende der laufenden Kurse mit einer anderen Lehrperson weitermachen müssen.
    In Deutschland verdienen Lehrer*innen zwischen 44.900-63.000 € pro Jahr (Quelle: Stepstone.com). Eine Lehrkraft, die bei Learnship für 15 €/Stunde arbeitet, verdient bei 20 Stunden Unterricht pro Woche und 48 Arbeitswochen nur 14.400 €. Mit einem Stundensatz von 12 € – was dem aktuellen Mindestlohn in Deutschland entspricht – kommen die Kolleg*innen auf nur 11.520 € pro Jahr. Nicht enthalten im Stundensatz sind Verwaltungsaufgaben, Vor- und Nachbereitung und Bewertung. Praktisch gesehen bewirken diese Umstände, neben weiteren Vorgaben des Unternehmens, dass die Lehrer*innen effektiv noch weniger verdienen…“ Pressemitteilung der FAU Berlin vom 14. August 2023 (per e-mail)
  • COVID als Vorwand für Ausbeutung
    Learnship, ein internationaler Dienstleister in der digitalen Sprachvermittlung mit deutschen Standorten in Berlin und Köln, gebraucht die Corona-Pandemie als Rechtfertigung dafür, seinen freiberuflich tätigen Lehrkräften mehr Arbeit und eine geringere Bezahlung an der Grenze des Mindestlohns zuzumuten. Learnship schult MitarbeiterInnen von über 2.000 KundInnen in 75 Ländern – darunter führende Marken wie Amazon, Bertelsmann, Nestlé, Puma, Roche und Volvo – mit dem Fokus auf Trainer-geführtem Onlineunterricht. Wie bei vielen anderen Unternehmen in dieser Branche, arbeiten bei Learnship nur ein paar Festangestellte. Die meisten TrainerInnen sind freiberuflich tätig. Allein für den Deutschunterricht verfügt Learnship über einen Pool von ca. 150 TrainerInnen. Diesen und allen anderen qualifizierten Fachkräften für andere Sprachen wurde Ende Mai 2020 rückwirkend zum 1. Mai 2020 das Honorar um 25 % gekürzt. TrainerInnen wurde per E-Mail ein Ultimatum gestellt: Entweder sie unterschreiben den neuen Vertrag und akzeptieren die Kürzungen oder sie bekommen keine Kurse mehr zugewiesen, sind also „on hold“. Learnship teilte ihnen mit, dass die Kürzung zeitlich begrenzt sei und die Honorare wieder erhöht würden, sobald es wegen Wegfalls der coronabedingten finanziellen Einbußen wieder möglich sei. Vielen blieb keine andere Wahl, als zu unterschreiben. Viele taten es nicht, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten konnten, so wenig Geld zu verdienen. Die Kürzung der Honorare, angeblich dank der Corona-Pandemie, war allerdings nur die letzte in einer Reihe von schmerzenden Maßnahmen. Learnship hat sich seit den Anfängen als kleines, enthusiastisches Start-up im Jahr 2008 sehr verändert. Im Laufe der Jahre gab es viele kleine, aber bedeutende Änderungen. Learnship bezahlt seinen Lehrkräften nicht nur weniger Geld, sondern lastet ihnen auch mehr Arbeit an – Arbeit, für die die MitarbeiterInnen in den Büros Köln und Berlin eigentlich verantwortlich gewesen sind. Diese MitarbeiterInnen buchten immer die wöchentlichen Unterrichtsstunden für Lehrkräfte und Lernende. „Optimierungen“ in der IT erlaubten es den Lehrkräften dann 2020, dies selbst zu tun, was Zeit in Anspruch nimmt, die nicht bezahlt wird. (…) Es ist in der Branche der Sprachvermittlung Standard, die Lehrkräfte zu bezahlen, wenn Lernende nicht erscheinen. Auch das hat sich geändert. Bei Nichterscheinen von Lernenden bekommen Lehrkräfte seit 2018 nur noch ein Drittel des Stundenlohns – ein Drittel deshalb, weil sie 20 Minuten auf Lernende warten müssen. Warten mussten sie auch vorher, aber dann wenigstens für die voll bezahlte Stunde. (…) Da die Lehrkräfte nicht angestellt sind, werden sie steuerlich und rechtlich als FreiberuflerInnen behandelt. Als solche sind sie von grundlegenden ArbeitnehmerInnenrechten ausgeschlossen und für ihre steuerlichen Abgaben sowie ihren Versicherungsschutz selbst verantwortlich. Learnship stellt es schlau an, mit vielen kleinen geldsparenden Maßnahmen auf Kosten von FreiberuflerInnen Geld zu verdienen. Aber das sehen die Lehrkräfte nicht mehr ein. Sie fordern Rücknahme der Honorarkürzung, mehr Kommunikation in Form von regelmäßigen Newslettern und Transparenz der Honorare, Bezahlung von durch Lernende verpassten Unterrichtseinheiten.“ Pressemitteilung vom 08.03.2021 der Betriebsgruppe Learnship der FAU Berlin und der FAU Köln externer Link
  • Weiter aus dem Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 16. März 2021 externer Link: „… »Wir sind wütend, wissen aber auch, dass wir ohne Aufträge bleiben, wenn wir namentlich öffentlich auftreten«, so Sprachentrainerin Berger. Eine weitere Freiberuflerin ergänzte gegenüber jW: »Die Aktiven sind in der FAU-Gruppe, arbeiten noch für Learnship und haben vor, es auch weiterhin zu tun.« Neben der Rücknahme der Honorarkürzungen haben die basisgewerkschaftlich Organisierten zwei weitere zentrale Punkte auf dem Zettel: Transparenz bei der Honorargestaltung und volle Bezahlung von durch Lernende verpassten Unterrichtseinheiten. Beides fehlt bislang. »Honorare für die gleiche Tätigkeit fallen teils sehr unterschiedlich aus«, kritisiert Berger. Des weiteren ärgert sie, dass bei Nichterscheinen von zu Unterrichtenden lediglich ein Drittel des Stundenlohns ausbezahlt werde. Hinzu kommt: Der Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte steige, Kurse müssen beispielsweise selbst terminiert werden. »Unbezahlte Extrazeit«, sagte sie…“ 
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187912
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