Die unterrepräsentierte und unsichtbare Arbeit von Frauen am Frankfurter Institut für Sozialforschung und der männliche Geniekult

Chef Frauen waren am Frankfurter Institut für Sozialforschung oft unterrepräsentiert und jene Arbeit, die nicht dem Geniekult entsprach, blieb unsichtbar. Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sind Folge und Ausdruck von Macht beziehungsweise Ohnmacht. Macht und soziales Prestige ziehen Sichtbarkeit nach sich. Und Sichtbarkeit hilft dabei, Einfluss zu mehren. Unsichtbar bleiben daher die Ohnmächtigen und dies erschwert es ihnen, mächtiger zu werden. Die ungleiche Verteilung von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Personen oder Tätigkeiten ist damit auch Voraussetzung der Aufrechterhaltung von Macht. Untergeordnete werden häufig als unsichtbar behandelt. Man sieht sie zwar, aber nimmt sie nicht wahr: das Dienstpersonal, die Reinigungskräfte. Oder man nimmt sie nicht als das wahr, was sie sind: Etwa die weibliche Führungskraft, die für eine Sekretärin gehalten wird…“  Artikel von Sarah Speck und Stephan Voswinkel vom 11. April 2025 in Neues Deutschland online externer Link und mehr daraus:

  • Institut für Sozialforschung: Unsichtbare Arbeit
    Weiter aus dem Artikel von Sarah Speck und Stephan Voswinkel vom 11. April 2025 in Neues Deutschland online externer Link: „… Für das Institut gilt ebenso wie für alle Sphären des Sozialen: Die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Arbeit ist gesellschaftlich vielfach durch Geschlecht vermittelt – freilich nicht nur, sie ordnet sich etwa auch entlang von Klassenlinien. (…) Dass in der Geschichte des IfS vor allem die Arbeit männlicher Forscher sichtbar ist, ist historisch zunächst einmal Ausdruck der allgemeinen Beschränkung von Frauen in der Wissenschaft als Teil einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft und deren Institutionen. Frauen durften in Hessen erst seit 1908 studieren und promovieren und wurden bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nur ausnahmsweise Professorinnen, ihr Anteil an den professionellen Wissenschaftler*innen war lange Zeit deutlich unterproportional. Und doch waren am IfS vergleichsweise früh Frauen in die Forschungsarbeit eingebunden; zwei der ersten, für die Genese und Etablierung der deutschsprachigen Frauenforschung ganz wesentlichen Figuren – Helge Pross und Regina Becker-Schmidt – kamen aus dem Institut und eine der ersten großen empirischen Studien im Bereich der Geschlechterforschung wurde am IfS durchgeführt. (…) Unsichtbare Arbeit und die Personen, die sie ausüben, sichtbar zu machen, ist wesentlicher Bestandteil feministischer Gesellschaftskritik. Eine feministische Geschichte des IfS trägt damit im besten Fall dazu bei, Muster der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zu verändern, und damit zu hinterfragen, wie Sichtbarkeiten verteilt werden, durch welche hierarchischen Strukturen die Scheinwerfer worauf ausgerichtet werden und was im Dunklen bleibt. Dabei wirft sie auch die Frage der Ausbeutung auf – der Geniekult etwa funktioniert immer auch nach einer Logik des Eigentums. Bei einem solchen Unterfangen treten allerdings schnell Widersprüche auf. Naheliegend ist es, Frauen mit den Leistungen und Eigenschaften sichtbar zu machen, die generell Sichtbarkeit fördern: Herauszustellen, welche Frauen Professorinnen geworden sind und in bestimmten Bereichen durchaus Anerkennung bekommen haben, dass Frauen einen ebenso hohen Bildungsstand wie die Männer haben und dennoch niedrigere Positionen bekleiden oder für ihre Leistungen weniger Beachtung finden, dass sie ebenfalls theoretische Beiträge geleistet haben. Eine solche Strategie zielt auf die Verdeutlichung von Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen im Rahmen der allgemeingültigen Kriterien für Sichtbarkeit. Doch damit reproduziert sie zugleich auch die Kriterien, nach denen Sichtbarkeiten verteilt werden, und die damit einhergehenden Strukturen der Macht und Ausbeutung. Die unsichtbaren Arbeiten, die in den Strukturen gesellschaftlicher Arbeitsteilung im Schatten stehen, bleiben weiterhin im Schatten. Die Sichtbarmachung bleibt halbiert. Die Kritik an den Sichtbarkeitsverhältnissen muss also zweierlei leisten: Eine Kritik an den Ungleichheiten bei der Anwendung der herrschenden Kriterien und eine Kritik an den Strukturen der Sichtbarkeit selbst. Damit muss sie einen Widerspruch bearbeiten, wie er für viele Bereiche (nicht nur) feministischer Kritik der gesellschaftlichen (Geschlechter-)Verhältnisse kennzeichnend ist.“

Siehe auch unser Dossier: Umfrage zu Arbeitsbedingungen in der Forschung macht endlich Machtmissbrauch an der Uni zum Thema

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=227449
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