Rechtsstaatlichkeit oder Profit? Die Aufbesserung kommunaler Kassen durch Polizeimaßnahmen

StopPP… Auf der Suche nach Einnahmequellen fanden kommunale PolitikerInnen neue Wege, die nicht immer rechtsstaatlich gedeckt waren. So kam die Stadt Frankfurt bereits 1996 auf die Idee, private Dienstleister für die Überwachung des ruhenden Verkehrs zu beauftragen. Sicherheitsunternehmen wie Securitas und WISAG waren die Auftragnehmer. Durch die Klage eines Falschparkers, der einen „Knollen“ von 15 Euro nicht bezahlen wollte, wurde die 24-jährige Praxis der Stadt Frankfurt beendet. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied am 20. Januar 2020, dass das Vorgehen der privaten Sicherheitsfirma rechtswidrig sei. Die Sicherheitsangestellten trügen bei ihrer Tätigkeit sogar Uniformen, was das Gericht besonders rügte, weil damit der Eindruck der Rechtsstaatlichkeit verbreitet würde. (…) In zweiwöchigen Lehrgängen wurden private Verkehrsüberwacher in einem theoretischen und praktischen Block auf ihre Aufgabe vorbereitet und damit wurde das Ordnungswidrigkeitsrecht konterkariert. Es hat nämlich einen erzieherischen Charakter und räumt den Verfolgern aus diesem Grund einen Ermessensspielraum ein (…) Ein Privatunternehmen dürfte überhaupt kein Interesse daran haben, erzieherisch zu wirken. Letztendlich erhöht jeder geahndete Verkehrsverstoß die Einnahmen. (…) Frankfurt war nicht die alleinige Gemeinde, die sich von den Privaten schwarze Zahlen versprach auch über Hessen hinaus scheiterten Kommunen und das liegt an dem neokapitalistischen Credo, die Personalkosten seien die Ursache der Negativzahlen. Das Gegenteil ist der Fall.“ Artikel von Thomas Brunst und Jürgen Korell vom 29.1.2020 – wir danken!

Rechtsstaatlichkeit oder Profit?

 Die Aufbesserung kommunaler Kassen durch Polizeimaßnahmen

Seit dem Jahr 2010 steigen die staatlichen Steuereinnahmen kontinuierlich an. Doch gleichzeitig nehmen die Kosten für die staatlichen Haushalte zu, was besonders die Kommunen und damit alle BürgerInnen merklich belastet. Auf der Suche nach Einnahmequellen fanden kommunale PolitikerInnen neue Wege, die nicht immer rechtsstaatlich gedeckt waren.

So kam die Stadt Frankfurt bereits 1996 auf die Idee, private Dienstleister für die Überwachung des ruhenden Verkehrs zu beauftragen, berichtete die Süddeutsche Zeitung externer Link („Das Ende der Scheinpolizei“). Sicherheitsunternehmen wie Securitas und WISAG waren die Auftragnehmer. Durch die Klage eines Falschparkers, der einen „Knollen“ von 15 Euro nicht bezahlen wollte, wurde die 24-jährige Praxis der Stadt Frankfurt beendet.

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied am 20. Januar 2020 externer Link, dass das Vorgehen der privaten Sicherheitsfirma rechtswidrig sei. Die Sicherheitsangestellten trügen bei ihrer Tätigkeit sogar Uniformen, was das Gericht besonders rügte, weil damit der Eindruck der Rechtsstaatlichkeit verbreitet würde. Eine Praxis übrigens, die das Hessische Innenministerium nach Angaben der Stadt Frankfurt für rechtssicher einstufte. Dies verwundert um so mehr, weil dasselbe Ministerium mit einem Erlass vom 05.02.2015 entschied, dass bei dem Einsatz von Privatpersonen in der Verkehrsüberwachung mit technischen Hilfsmitteln die Verantwortung in jedem Fall bei der Ordnungsbehörde zu verbleiben hat. Damals wusste das Innenministerium auch, dass die Verfolgung eines festgestellten Verkehrsverstoßes eine hoheitliche Aufgabe darstellt, die ausschließlich durch Bedienstete der zuständigen Behörde vorzunehmen ist (Nr. 4.5 des Erlasses des Hessischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 5.2.2015, Staatsanzeiger v. 23.2.2015, 182).

Es scheint, Ministeriumsbeamte vergessen die Erlassinhalte ihrer eigenen Behörde zum Nachteil der betroffenen BürgerInnen.

Die SZ veröffentlichte, dass über 700 000 Parkverstöße zurückgezahlt werden müssten, was vermutlich nicht passiert. Rechtswidrige Einnahmen für Frankfurt in der Höhe eines achtstelligen Betrags. Erschreckend ist es ebenfalls, dass von all den Betroffenen nur ein einziger ein Gefühl für das Unrecht hatte. Wer sich nicht beschwert, dem geschieht kein Unrecht, bleibt da nur festzustellen.

In zweiwöchigen Lehrgängen wurden private Verkehrsüberwacher in einem theoretischen und praktischen Block auf ihre Aufgabe vorbereitet und damit wurde das Ordnungswidrigkeitsrecht konterkariert. Es hat nämlich einen erzieherischen Charakter und räumt den Verfolgern aus diesem Grund einen Ermessensspielraum ein. Demnach haben sie, wenn es dazu kommt, die Möglichkeit durch ein aufklärerisches Gespräch von einem Verwarnungsgeld abzusehen, sofern sie die Einsicht bei dem Betroffenen erkennen. So etwas ist nicht in zwei Wochen zu erlernen sondern bedarf einer Ausbildung und Berufserfahrung. 

Ein Privatunternehmen dürfte überhaupt kein Interesse daran haben, erzieherisch zu wirken. Letztendlich erhöht jeder geahndete Verkehrsverstoß die Einnahmen. In diesem Zusammenhang wäre es sicher von Interesse die Verträge zwischen der Stadt und den Unternehmen einsehen zu können.

Bei den Bediensteten der kommunalen Verkehrspolizei (bzw. des Ordnungsamtes) handelt es sich meist um Verwaltungsangestellte, die zwar keinen Diensteid ablegen müssen, die nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) aber eine Verpflichtungserklärung abgeben müssen, in der sie sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen.

Folge dieser Verpflichtung ist, dass Strafgesetze über Bestechung und Geheimnisverrat zur Anwendung kommen können, wodurch die Bedeutung der Verantwortung beschrieben wird und ebenso zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben (welch ein Begriff, da tut Änderung Not) befähigt.

Voraussetzungen, die der Hilfspolizist einer privaten Sicherheitsfirma in keiner Weise erfüllt.   Er ist dementsprechend nicht in der Lage, einen Verkehrsteilnehmer, der einen Verkehrsverstoß begangen haben könnte, ordnungsgemäß zu belehren. Die Belehrung stellt beim Gespräch zwischen dem Betroffenen und dem Verfolger der Ordnungswidrigkeit eine elementare Grundlage für das Verfahren dar. All das zeigt, dass nicht die Verhaltensveränderung so wie es sein sollte im Vordergrund stand, sondern die Steigerung der städtischen Einnahmen. Letztendlich geht es darum, schriftliche Verwarnungen zu verteilen, die zu einem Verwarnungsgeld führen.

Ein Gutachten von 1998 zur Wirtschaftlichkeit privater Sicherheitsdienste im Verkehrssektor der Stadt Frankfurt kam laut FR zu einem vernichtenden Ergebnis. Einnahmen von 12,873 Mill. Mark standen Ausgaben von 12,977 Mill. Mark gegenüber. In dem Gutachten wurden Ausbildungs- und Erfahrungsdefizite gerügt, die dazu geführt hätten, dass man weder von einem bürgerfreundlichen Verhalten noch von verkehrserzieherischen Erfolgen ausgehen könne. Zudem seien die qualitativen Schwächen durch fehlerhafte Anzeigen auffallend.

Die SPD forderte ein Ende dieser Praxis und schlug eine Übernahme der „Hilfspolizisten“ in den öffentlichen Dienst vor. Ein Vorschlag, der nicht von Fachwissen geprägt war, ganz zu schweigen vom Sozialgedanken. Derartige Vorschläge entstehen in dem Denken, Knollen schreiben kann jeder, das ist, wenn auch gut gemeint, diskriminierend.

Frankfurt war nicht die alleinige Gemeinde, die sich von den Privaten schwarze Zahlen versprach auch über Hessen hinaus scheiterten Kommunen und das liegt an dem neokapitalistischen Credo, die Personalkosten seien die Ursache der Negativzahlen. Das Gegenteil ist der Fall.

Artikel von Thomas Brunst und Jürgen Korell vom 29.1.2020 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162071
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