“police private partnership“: “Sicherheits“Partnerschaft am Hamburger Hauptbahnhof

get out of controlPolizei und privatwirtschaftliche Sicherheitsdienstleister wollen künftig rund um den Hamburger Hauptbahnhof für mehr Ordnung sorgen. Dazu werden die Hanseatische Landespolizei, die Bundespolizei, die DB Sicherheit GmbH und die Hamburger Hochbahn-Wache GmbH gemischte Streifenteams bilden und rund um die Uhr am Hauptbahnhof präsent sein. (…) Seit mehr als 20 Jahren existieren ähnliche Kooperationsverträge für den Hamburger Hauptbahnhof, die seitdem regelmäßig modifiziert werden. Von Anbeginn wurde bei dieser Sicherheitspartnerschaft der mangelnde Datenschutz kritisiert, weil bei Personenkontrollen durch Polizeikräfte die “Privaten“ Personendaten fleißig mit notierten und die Ergebnisse der polizeilichen Systemabfragen aus erster Hand erfahren, was aus datenschutzrechtlicher Sicht eine unzulässige Praxis darstellt…“ Artikel von Thomas Brunst vom 8.4.2023 – wir danken!

“police private partnership“: “Sicherheits“Partnerschaft am Hamburger Hauptbahnhof

Polizei und privatwirtschaftliche Sicherheitsdienstleister wollen künftig rund um den Hamburger Hauptbahnhof für mehr Ordnung sorgen. Dazu werden die Hanseatische Landespolizei, die Bundespolizei, die DB Sicherheit GmbH und die Hamburger Hochbahn-Wache GmbH gemischte Streifenteams bilden und rund um die Uhr am Hauptbahnhof präsent sein. Die Sicherheitspartner können durch diese Kooperation an behördlichen und privaten Sicherheitskräften wahlweise nach Hausrecht oder mittels polizeilichen Befugnisse z. B. gegen “Störer“ vorgehen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Seit mehr als 20 Jahren existieren ähnliche Kooperationsverträge für den Hamburger Hauptbahnhof, die seitdem regelmäßig modifiziert werden.

Von Anbeginn wurde bei dieser Sicherheitspartnerschaft der mangelnde Datenschutz kritisiert, weil bei Personenkontrollen durch Polizeikräfte die “Privaten“ Personendaten fleißig mit notierten und die Ergebnisse der polizeilichen Systemabfragen aus erster Hand erfahren, was aus datenschutzrechtlicher Sicht eine unzulässige Praxis darstellt.  

Ferner birgt diese Sicherheitspartnerschaft durch die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Sicherheitsakteure Gefahren für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und im Besonderen für gesellschaftliche Randgruppen. Das erklärte Ziel dieser “Allianz sicherer Hauptbahnhof“, (so der offizielle Name der Hamburger Sicherheitspartnerschaft) ist die Beseitigung bzw. Verdrängung von Ordnungsproblemen, mit samt ihren Verursachern, aus dem Bereich des Hauptbahnhofs. Dies sei auch aus Sicht des Hanseatischen Tourismus eine gute Sache, heißt es von offizieller Seite dazu. 

Die u. a. Sachverhalte und Gewaltvorwürfe gegen private Sicherheitsdienstleister im Bereich der Deutschen Bahn sind noch nicht aufgeklärt und schon wird der Hamburger Kooperationsvertrag neu aufgelegt.

Zum zweiten mal innerhalb kurzer Zeit gibt es dokumentierte Gewaltvorwürfe (Hamburg & Bremen, s. u.) gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB Sicherheit und der Hamburger S-Bahn Wache. Ermittelt wird in solchen Fällen wegen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit durch Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei.

Bereits der Vorgänger der Bundespolizei, der Bundesgrenzschutz (BGS), war ab dem Jahr 2000 in ein bundesweites Kooperationsabkommen mit der Bahnschutzgesellschaft (BSG, Vorgänger der DB Sicherheit) eingebunden.

Seit über zwanzig Jahren wird die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten stetig ausgebaut. Dazu hat der Lobbyverband der Arbeitgeber der Sicherheitswirtschaft, der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) e. V., in den meisten Bundesländern und separat für zahlreiche Städte Kooperationsabkommen oder -verträge mit den Länderpolizeien abgeschlossen. Die DB Sicherheit GmbH ist Mitgliedsunternehmen des BDSW.

Im Jahr 2003 schrieb die Berliner Zeitung zum Kooperationsvertrag zwischen der Berliner Polizei und der örtlichen Sicherheitswirtschaft: “Wer sich von Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes falsch behandelt fühlt, sollte im Zweifel immer die Polizei rufen, empfiehlt ein Sprecher der Berliner Polizei. Die hat allerdings zu den privaten Sicherheitsdiensten kein neutrales Verhältnis mehr, denn im März 2002 ist die Berliner Polizei eine so genannte Sicherheitspartnerschaft mit dem privaten ‘Arbeitskreis für Unternehmenssicherheit Berlin-Brandenburg‘ (Akus) eingegangen.“ (Berliner Zeitung, Lokales, 10.09.03)

Mit Blick auf die beiden aktuellen Gewaltvorwürfe gegen die DB Sicherheit und die Hamburger S-Bahn Wache stellen sich bezüglich der Ermittlungen durch die Bundespolizei gegen ihre “Juniorpartner“ zwei wesentliche Fragen:

  • Kann die Bundespolizei als Ermittlungsbehörde in solchen Fällen überhaupt neutral und objektiv gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB Sicherheit und der Hamburger S-Bahn Wache ermitteln?
  • Führt die Allianz für Sicherheit, die “police private partnership“, nicht eher dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB Sicherheit und der Hamburger S-Bahn Wache “selbstbewusster“ (z. B. Konflikte und körperliche Auseinandersetzungen eher in Kauf nehmen) gegen die Bürgerinnen und Bürger agieren?

Kai von Appen (taz Hamburg) war dieses Thema bereits im Jahr 2001 einen kritischen Artikel wert: Security hoffähig gemacht (taz Hamburg, 3.5.01): https://taz.de/!1174905/ externer Link

Die aktuellen Fälle:

Es wäre sicherlich interessant zu erfahren was die aktuelle Version des Kooperationsvertrags der Hamburger Allianz für Sicherheit konkret beinhaltet; wie intensiv diesbezüglich der Informations- und Datenaustausch zwischen den Sicherheitspartnern im Bereich der Deutschen Bahn tatsächlich ist.

Kurz nach Inkrafttreten der 1. Sicherheitspartnerschaft (Sommer 2001) am Hamburger Hauptbahnhof wurden erste Datenschutzverletzungen i.V.m. Personalienüberprüfungen bekannt: Nach einem Bericht der taz Hamburg vom 23.07.2001 notierten die BSG-Angestellten fleißig mit, wenn die Bahnpolizei (BGS) Personen überprüfte: “‘Ist das auch die Adresse wo sie gemeldet sind‘, fragt der Bahnpolizist und der BSG-Angestellte hakt notierend nach: ‘Dort wohnen sie wirklich?‘“, war dazu in diesem taz-Artikel zu lesen.

Branchenziele des BDSW

Dieses ältere Zitat aus der taz Hamburg zeigt anschaulich wie eng und selbstverständlich die direkte Zusammenarbeit zwischen der Polizei und gewerblichen Sicherheitsdienstleistern am Hamburger Hauptbahnhof ist. Der vor vielen Jahren angestoßene Verschmelzungsprozess zwischen Polizei und Sicherheitswirtschaft soll als police private partnership beiden Seiten Vorteile bringen: Die Polizei sieht in ihrem Arbeitsbereich durch private Sicherheitsdienste eine personelle Entlastung; die Sicherheitsunternehmen möchten sich als offizielle “Partner der Polizei“ für die Übernahme originärer Polizeiaufgaben (hoheitliche Aufgaben) empfehlen. Dazu zählt auch die systematische Erfassung von Ordnungswidrigkeiten durch Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste.

Langfristige, öffentliche Aufträge – am “Tropf der Steuerzahlerinnen und -zahler“ – sind ein weiteres Branchenziel des BDSW, welcher nach eigenen Angaben über 1000 “Gütesiegelunternehmen“ der Sicherheitswirtschaft vertritt.

In einem eigenständigen Sicherheitsgewerbegesetz (früherer Begriff: Sicherheitsdienstleistungsgesetz) – ein Gesetzentwurf ist derzeit im Bundesinnenministerium in Vorbereitung – fordert der Lobbyverband hoheitliche Befugnisse, z. B. Identitätsfeststellungen und Platzverweisungen, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste ein, um für spätere, lukrative Auftragsübernahmen (“public private security“, z. B. private Citystreifen im Auftrag von Städten und Gemeinden) im öffentlichen Raum gewappnet zu sein; das “teilprivatisierte Ordnungsamt“, als public private partnership (ppp-Modell) betrieben, lässt grüßen!

Das diese Verbandsforderung nicht im Einklang mit dem Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz steht scheint dem BDSW dabei völlig egal zu sein. 

Artikel von Thomas Brunst vom 8.4.2023 – wir danken!

Weitere Informationen zum Thema unter:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=210814
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