Schlechte Beteiligung: Betriebsratswahlen bei Daimler stießen auf geringere Resonanz als 2010. Linke Betriebsgruppen mit unterschiedlichen Ergebnissen

Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 25.03.2014

Die Betriebsratswahlen bei Daimler hatten eine deutlich geringere Resonanz als in den vergangenen Jahren. Offenbar ist die Wahlbeteiligung in allen Werken des Autobauers zurückgegangen. An den Machtverhältnissen hat sich hingegen zumeist wenig geändert.

In Sindelfingen – dem mit fast 39000 Beschäftigten größten Werk des Daimler-Konzerns – traten acht Listen gegeneinander an. Die Mehrheit der IG Metall blieb dennoch völlig ungefährdet. Mit 17376 Stimmen konnte sie die Zahl ihrer Betriebsratsmitglieder von 44 auf 46 steigern und gewann damit beide Sitze, um die das Gremium erweitert wurde. Ein Grund für die zusätzlichen Mandate ist, daß Leiharbeiter nach entsprechenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße nun mitgezählt werden. Die links­oppositionelle »Alternative« konnte ihr Mandat halten. Die verbleibenden Sitze gingen an die »Christliche Gewerkschaft Metall« (CGM) sowie an »unabhängige« und »freie« – sprich: unternehmensnahe – Listen. Die Wahlbeteiligung sank deutlich, von 66 auf unter 59 Prozent.

Zurückgegangen ist die Wahlbeteiligung auch in dem mit gut 3000 Beschäftigten deutlich kleineren Daimler-Werk in Kassel. Die linken »AlternativenMetaller« konnten ihre absolute Stimmenanzahl dennoch steigern – von etwa 490 auf 583. Statt bisher vier erreichte sie dadurch sechs Sitze, während die offizielle Gewerkschaftsliste 16 und eine weitere Gruppe ein Mandat erzielten. »Das ist ein großer Erfolg für unsere Gruppe«, sagte Erich Bauer von den »AlternativenMetallern« gegenüber junge Welt. Im Vorfeld der Wahl hatte es heftige Konflikte darum gegeben, ob alle Gruppen eine gemeinsame Liste einreichen – und so eine Persönlichkeitswahl ermöglichen – oder ob sich die Beschäftigten zwischen verschiedenen Listen entscheiden müssen (siehe jW vom 18. Februar).

»Es ist den Vertretern der IG-Metall-Liste nicht gelungen, uns den schwarzen Peter für das Scheitern der Persönlichkeitswahl zuzuschieben«, betont Bauer. Das gute Wahlergebnis seiner Gruppe führt er außerdem darauf zurück, daß es in Teilen des Werks große Enttäuschung über die IG-Metall-Fraktion gab. »Bei uns stehen einige Fertigungsumfänge und damit Arbeitsplätze auf der Kippe, aber von der Betriebsratsspitze kam da gar nichts.«

Zu einer Persönlichkeitswahl kam es hingegen im Bremer Daimler-Werk. Obwohl auch hier verschiedene linke Gruppen aktiv sind, einigt man sich in dem norddeutschen Standort traditionell auf dieses Verfahren. Die linken Aktivisten sind damit auch dieses Mal gut gefahren. »Unsere Leute haben deutliche Gewinne verbucht, um bis zu 1000 Stimmen«, berichtet Gerhard Kupfer, der gemeinsam mit anderen linken Gewerkschaftern regelmäßig eigene Flugblätter im Werk verteilt. Mit sieben von 39 Sitzen konnte die Gruppe ihren Anteil im Gremium verteidigen.

Dominierendes Thema bei der Wahl in Bremen war neben dem »Durchfahren« von Pausen die Fremdvergabe von Produktionsarbeiten an externe Firmen. Dagegen hatte die Belegschaft mehrfach während der Arbeitszeit protestiert (jW berichtete). »Es ist deutlich zu sehen, daß die Wahlbeteiligung in den Belegschaftsteilen höher ausgefallen ist, die am stärksten an den Aktionen teilgenommen haben«, so Kupfer auf jW-Nachfrage. Insgesamt ging die Beteiligung allerdings von rund 66 auf gut 59 Prozent zurück.

Deutlich zulegen konnte die IG Metall im Hamburger Daimler-Werk. Bei der Wahl 2010 hatte sie mit 10 von 21 Mandaten erstmals die absolute Mehrheit verfehlt (siehe jW vom 17. März 2010). Das konnte die Gewerkschaftsliste mit nun 14 Sitzen korrigieren. Die linksoppositionelle »Alternative« verlor einen ihrer fünf Sitze. Andere Gruppierungen büßten sehr viel stärker ein.

Während linksoppositionelle Gruppen in den meisten Daimler-Werken bereits seit Jahrzehnten aktiv sind, trat die Berliner »Alternative« erstmals 2010 an und erreichte auf Anhieb fünf der 21 Mandate. Dieses fulminante Ergebnis konnte die personell geschwächte Gruppe nicht halten. Immerhin erreichte sie aber drei Mandate und wird ihre Freistellung wohl behalten. Die IG Metall verlor aufgrund des Rückgangs der Wahlbeteiligung von 76 auf 60 Prozent rund 300 Stimmen, konnte die Zahl ihrer Mandate aber bei 15 halten.

Eine ganz andere Gemengelage besteht im Werk Untertürkheim. Hier kandidieren die Aktivisten der linken »Alternative« seit 2010 gemeinsam mit der IG Metall. Der Betriebsrat hat sich seither um zwei Mitglieder vergrößert – nicht nur wegen der Zählung der Leiharbeiter, sondern auch, weil der Betriebsrat mehrfach Neueinstellungen durchsetzte (siehe jW vom 1. Oktober 2013). Dennoch blieb die Gewerkschaftsliste bei 34 Mandaten. Hinzugewinnen konnten die linken »Offensiven Metaller«, aber auch das rechte »Zentrum«. Auffällig ist, daß sowohl die Wahlbeteiligung als auch das Votum für die IG Metall im Werkteil Mettingen, der Hochburg der »Alternative«, deutlich höher sind als am Standort Untertürkheim insgesamt.

Eine Schlappe erlebte die IG Metall in der Konzernzentrale, wo eher gewerkschaftsferne Angestellte tätig sind. Dort verfehlte die IG Metall anders als beim letzten Mal die absolute Mehrheit. Künftig stellt sie im 39köpfigen Betriebsrat 18 statt bisher 20 Mitglieder.

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