Eine “ultimative” EZB-Entscheidung und ein politischer Macht- und Meinungskampf um den Weg für Europa. Sparkurs oder nicht – das ist die Frage

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.6.2014

Alexander Hagelüken geht für die SZ “klar” weiter auf Kurs für das “alternativlose” Sparen nach der Entscheidung von Frankfurt – unter der Überschrift “Geldverschwender ohne Weitblick” – es wird eben wieder nur Zeit gekauft, aber es könnte die Einbildung entstehen, der Draghi richtet`s schon – ein großer Fehler, den und schon die USA vormachen, meint Alexander Hagelüken. Deshalb ist für die SZ weiterhin erst und vor allem Merkel`s Sparkurs weiter angesagt. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/massnahmen-der-europaeischen-zentralbank-geldverschwender-ohne-weitblick-1.1987424 externer Link)

Oder doch besser kein Sparkurs für Südeuropa? So sieht Robert von Heusinger “weniger ein Versagen der EZB als das Versagen der gesamten europäischen Rettungspolitik. Zu viele Sparanstrengungen, zu rasche Strukturreformen, zu wenig Impulse für das Wirtschaftswachstum. Das Ergebnis ist Deflationsalarm und Massenarbeitslosigkeit in Euroland.

Ganz anders in den USA – was Hagelüken wohl übersehen möchte –,die dieselbe Banken- und Finanzkrise durchlebten. Dort steigt die Staatsverschuldung weiter rasant, wächst die Bilanz der Notenbank noch immer (in Euroland wächst die Geldmenge nur noch um um 0.8 Prozent – ein monetärer Indikator,der Alarm funkt – wie Robert Heusinger meint) – aber dafür gibt`s Jobs und Aufschwung – und Deflation ist kein Thema. Deshalb: Ohne ein Konjunkturprogramm, ohne mehr Staatsverschuldung wird auch Europa nicht aus der gegenwärtigen Wachstumsschwäche finden. Das meint Robert von Heusinger – aber auch Matteo Renzi aus Italien. (http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-kein-recht-auf-positive-zinsen,1472602,27359882.html externer Link)

Aber der Dax schnellt – wie vorhergesagt – erst einmal über 10000 Punkte (Kapital “flieht” in die stabileren Aktien) (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutscher-aktienindex-auf-rekordhoch-dax-steigt-ueber-punkte-1.1977997 externer Link) Eine Überbewertung (Achtung: “Blasengefahr”) kann Stephan Kaufmann derzeit dabei jedoch nicht erkennen. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/dax-ueber-10-000-punkte-dax-im-hoehenrausch,1472780,27357044.html externer Link) Nur die Sparer leiden. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/ezb-leitzins-was-bedeutet-die-ezb-entscheidung-fuer-sparer-,1472780,27357114.html externer Link)
Ja, vorausgegangen war, dass Draghi (die EZB) zu drastischen Mitteln – vor allem auch – noch nie dagewesen (historische Entscheidung) – zu einem Strafzins für die Banken – griff (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/historische-entscheidung-ezb-senkt-leitzins-auf-prozent-1.1987921 externer Link)

Aber Juncker – der mögliche Kommissionspräsident kennt das Lavieren, wenn man nicht die – auch ökonomische – Macht hat. – Kann die ökonomische “Wahrheit” auch zu einem “Prozess” werden? –

Nur damit der “alternativlose“ Sparkurs für Europa – mit Merkels Dominanz – weiter “nahtlos” durchgesetzt werden kann, könnte Merkel jetzt den Cameron brauchen – war doch der Renzi in Italien so frech, das Ende des Sparkursen als Bedingung für das zukünftige Europa gemacht zu haben! Aber Jean-Claude Juncker möchte – für sein Amt – nicht vor Cameron und den Briten (im Verbund mit Merkel?) auf die Knie gehen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/machtkampf-in-der-eujuncker-will-vor-den-briten-nicht-auf-die-knie-fallen-1.1988161 externer Link) Könnte es jetzt sein, dass dieser Link nicht mehr funktioniert, weil die Kanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung auch ihre Unterstützung für Jean-Claude Juncker – inzwischen doch wieder – noch einmal bestätigt hat – aber gleichzeitig um Verständnis für Cameron und sein Großbritannien geworben hat. Na, ja es könnte ja sein, dass inzwischen auch mancher Journalist den Überblick verliert, wohin er sich jetzt gerade positionieren soll? (http://www.fr-online.de/politik/regierungserklaerung-merkel-und-der-lange-atem,1472596,27350268.html externer Link)

Gibt es jetzt ein Ende von “Merkiavelli” für Europa (wie Robert von Heusinger es vorschlägt) – oder bleibt alles beim alten (wie es Hagelüken wünscht) – und Juncker wird Kommissionspräsident und muss – wie schon gewohnt – weiter lavieren: Hatte er doch schon damals die Lagarde-Initiative gegen das deutsche Lohndumping aus Deutschland unterstützt, was die deutsche Presse nur einfach übergangen hatte – in ihrer alten Niebelungentreue zur Kanzlerin Merkel – nur die Nachdenkseiten hatten darauf hingewiesen (– siehe http://www.nachdenkseiten.de/?p=6480#h03 externer Link – oder breiter noch den ganzen Abschnitt “Ein Zankapfel – der politisch “entfachte” Niedriglohnsektor in Deutschland” auf der Seite 1 bei http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl.html)

So weiß er eben, “Wahrheit” – auch die ökonomische – ist in der Politik in Europa ein mühsamer Prozess – und manche haben eben “das Sagen” – mehr als andere. (vgl. dazu noch einmal “Europa wählt sich ab” (https://www.labournet.de/?p=59502) – insbesondere ab dem Abschnitt “Und ein klares Signal von der EZB: Die Warnung vor dem Finanzmarkt-Crash – Märkten fehlt doch die zugeschriebene Klugheit auf den Seiten 2 ff.)

Und auch eine Abschaffung der “strikten Konditionalität” beim Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB

Mit dem gleichzeitigen “Diktat” zur Sparpolitik (“strikte Konditionalität”) beim Aufkauf von Staatsanleihen, um die Zinsen zu senken, verstößt die EZB nicht nur gegen europäisches Recht (Kompetenzüberschreitung), sondern auch gegen europäische Grundrechte, stellt der Verfassungsrechtler fest. (http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/gutachten-zur-krisenpolitik-ezb-verstoesste-gegen-eu-grundrechte/9915000.html externer Link) – und zum Gutachten von dem Verfassungsrechtler Andreas Fisahn selbst (http://www.rosalux.de/news/40505/ezb-verstoesst-gegen-europaeisches-recht-studie-wider-das-recht-von-andreas-fisahn.html externer Link)

Wie das bisher sich ganz konkret auswirkt, zeigt das aktuelle Beispiel Portugal, wo der IWF – als “Troika” – den letzten Hilfskredit an Portugal stoppt, damit nach einer Entscheidung des portugiesischen Verfassungsgerichts erst einmal nach “alternativen – zu den als zu unsozial “verurteilten” – Sparmassnahmen gesucht werden muss. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/rettungskredit-eu-und-iwf-stoppen-letzten-hilfskredit-an-portugal,1471908,27340560.html externer Link) , während dort die Jugendarbeitslosigkeit steigt – und die Mittelschicht absteigt (http://www.fr-online.de/portugal-der-abstieg-der-mittelschicht,1471908,27328108.html externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=59703
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