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Deutschlands Anteil bei der undemokratischen türkischen Verfassungsreform

Turkey up in arms against Erdoğan!Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 8.3.2017

Einblick in die aktuelle Lage des Verhältnisses zwischen Deutschland (im Bundestags-Wahlkampf unter dem Druck der fremdenfeindlichen AfD) und der Türkei (im Referendumswahlkampf für die diktatorische Verfassung), von dem inzwischen Türken glauben – nur halb scherzhaft -, „stehen wir mit Deutschland im Krieg“? (Frank Nordhausen/FR) Dieses Verhältnis zur Türkei zeigt uns (Deutschland) im Spiegel auch die eigene „Verfasstheit“.  Wir leben in einer total wildgewordenen Welt – mit anscheinend lauter „Verrückten“: Steuert die Türkei jetzt auf die „Reichstagsbrand-Situation“ zu?

Deutschlands oder Europas Regierungen erweisen sich als gänzlich unfähig, den Unterdrückten in der Türkei zu Hilfe zu kommen. Das kann jetzt nur noch die Zivilgesellschaft mit ihren Mitteln, erklärt Timothy Garton Ash bei seiner „Reise in die Dunkelheit“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-reise-in-die-dunkelheit-1.3408918 externer Link). Das kann man an der bisherigen Entwicklung deutlich nachvollziehen. Dazu mußt du, wenn du das ganze Geschehen dieser inzwischen doch recht aufgeheizten Beziehung rekapitulieren willst, von „hinten“ (jeweils abschnittsweise) – also von rückwärts – anfangen – oder doch erst einmal einfach hier die nächsten, jetzt folgenden Abschnitte lesen, so hast du auch schon einen trefflichen Einblick in die aktuelle Lage des Verhältnisses zwischen Deutschland (im Bundestags-Wahlkampf unter dem Druck der fremdenfeindlichen AfD) und der Türkei (im Referendumswahlkampf für die diktatorische Verfassung), von dem inzwischen Türken glauben – nur halb scherzhaft -, „stehen wir mit Deutschland im Krieg“? (Frank Nordhausen / FR)

Merkels falsche Leisetreterei gegenüber der Türkei: Wie dürfen türkische Politiker bei ihrem politischen Kampf für dieses türkische Verfassungsreferendum in Deutschland auftreten, das nach unseren verfassungsmäßigen Maßstäben „verfassungswidrig“ wäre?

So kommentiert Wolfgang Krach in der Süddeutschen – jetzt am Dienstag – das bisherige Verhalten der Kanzlerin Merkel: Angela Merkel hat – erst – am Montagnachmittag das gesagt, was gesagt werden musste. Leider viel zu spät.

Ihre Reaktion auf den NS-Vergleich des türkischen Präsidenten Recip Erdogan passt in das Bild einer Kanzlerin, die sich mit der Türkei schon immer schwergetan hat. Merkel war stets gegen den EU-Beitritt des Landes und warb stattdessen für das diffuse Konzept einer „privilegierten Partnerschaft“. Damit entfremdete Merkel einerseits die Türkei und deren Präsidenten von Europa; andererseits ermöglichte sie Erdogan, diese Zurückweisung für sich zu instrumentalisieren. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise erwirkte die Kanzlerin, dass die EU ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei abschloss… Erzwungen wurde dieses Abkommen jedoch dadurch, dass Merkel dafür sorgen wollte, die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren. (Vgl. noch https://www.welt.de/politik/deutschland/article153234567/Wie-Merkel-und-Erdogan-den-Tuerkei-Deal-einfaedelten.html externer Link)

Erdogan wußte das genau, als er sich auf die Vereinbarung einließ. Obwohl das Abkommen für sich noch kein Fehler war (diese Tatsache, dass dieses Abkommen selbst noch kein Fehler war, wie Wolfgang Krach das hier ausformuliert, muss als höchst umstritten gelten, denn Menschenrechte wurden dort schlankwegs über Bord geworfen, wie es „Pro Asyl moniert: https://www.proasyl.de/news/trotz-nachbesserungen-eu-tuerkei-deal-verstoesst-gegen-fundamentale-menschenrechte/ externer Link). Die Tatsache, dass das Abkommen selbst schon – aus Sicht der Menschenrechte ein Fehler war, hindert einen ja nicht daran die weiteren von Krach angeprangerten Fehler der deutschen Kanzlerin anzuerkennen: So stand dieser Flüchtlings-Deal also am Beginn einer Reihe von weiteren Fehlern, die Merkel seitdem begangen hat: Der erste war, Erdogan glauben zu lassen, Deutschland sei durch das Abkommen erpressbar geworden. Der zweite, dass Merkel lange Zeit nichts unternommen hat, diesem Eindruck entgegenzutreten. (http://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-merkels-falsche-leisetreterei-1.3407551 externer Link)

So hat es Merkel viel zu lange vermieden, öffentlich zu sagen, ob türkische Politiker in Deutschland Wahlkampf für Erdogans Verfassungs-Referendum machen dürfen. So hätte sie z.B. früh erklären können, das dürften sie,solange sie hier nicht hetzen oder die Regierung beleidigen. Damit hätte Merkel vermutlich auch den Behörden in Gaggenau und Köln geholfen.

Spätestens als am vorigen Freitag der türkische Justizminister (!) Deutschlands eines „faschistischen Vorgehens“ beschuldigte, weil er nicht in Gaggenau auftreten durfte, hätte Merkel sich persönlich eindeutig äußern müssen. (nicht zuletzt angesichts der autoritären Grundzüge dieser türkischen Verfassung, die der Europarat schon angeprangert hatte (https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-yuecel-105.html externer Link). Dass sie zunächst – trotz dieser klaren Einschätzung des Europarates, der sich diese zukünftige Verfassung genau angesehen hatte, noch schwieg, als Erdogan der Bundesregierung „Nazi-Praktiken“ vorhielt, ist unverzeihlich.

Merkel, so scheint es, hat das Gespür dafür verloren, wann sie Dinge treiben lassen kann und wann sie einschreiten muss. Das war schon bei der Auseinandersetzung mit Horst Seehofer so, ebenso wie bei der eigenen Suche nach einem eigenen Unionskandidaten fürs Präsidentenamt. Nun hat sie sich auch im Konflikt mit der Türkei zu lange weggeduckt. Das ist nicht diplomatisch, das ist falsch! (http://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-merkels-falsche-leisetreterei-1.3407551 externer Link)

… und aus der Sicht der Türkei?

Frank Nordhausen versucht diesen spektakulären Beziehungknatsch mit der Türkei auch noch stärker aus dem Blickwinkel der Türkei zu „erklären“ (http://www.fr.de/politik/tuerkei-laut-gegen-jeden-zweifel-a-1094189 externer Link): Eine Niederlage im Verfassungs-Referendum, auf das Erdogan jetzt alles setzt, wäre – aus seiner Sicht – fatal für Erdogan, denn der sich als starker Mann präsentierende Staatspräsident wäre dann doch einfach nur schwach. Und in der Türkei ist man bezüglich des Ausgangs des Referendums reichlich verunsichert – auch schon selbst die Regierungspartei des Erdogan, die AKP. In dieser Unsicherheit könnten die Auslandstürken das Zünglein an der Waage werden, um den Ausschlag für einen „Sieg“ des Verfassungsreferendums zu geben. Und aus Umfragen weiß man, 60 Prozent der in Deutschland lebenden Türken sind AKP-Anhänger – also Erdogans „Gefolgsleute“. Erdogan setzt also alles daran, um diese Türken in Deutschland – jetzt wo es „Spitz auf Knopf“ steht -,zu gewinnen.

Polarisierung war zudem seit Jahren die Strategie von Erdogan, die den Wählern möglichst wenig Entscheidungsspielraum lässt („Ich oder das Chaos“). (Wie wenig das der Realität entspricht vgl. die Gründe für ein „Nein“: https://www.labournet.de/internationales/tuerkei/politik-tuerkei/putsch/ein-ja-im-referendum-erdogans-ist-ein-ja-zu-krieg-saeuberungswellen-verhaftungswellen-staatsterror-und-verlogener-hetze/) Für ihn ist bei dieser Krawall-Strategie also Widerstand richtig erwünscht, um den Türken hier in Deutschland das Gefühl zu bestätigen, dass sie in ihrer Selbstwahrnehmung sich als unterdrückte muslimische Minderheit fühlen können. Deshalb diese Rede von den „Nazi-Methoden“! Dies soll die Türken in Deutschland für ihn und sein Sultans-Präsidial-System an die Wahlurnen bringen.

Und die Deutsch-Türken als Anhänger des Erdogan sind die „Unbedarften“ in diesem Spiel und gerade deshalb für den Wahlausgang so wertvoll, denn in der Türkei ist die Unsicherheit für den Ausgang des Referendums gerade darauf zurückzuführen, dass die wirtschaftliche Lage in der Türkei so mies geworden ist – jetzt unter Erdogan. – Davon haben die Deutsch-Türken zu wenig Ahnung und das beeinträchtigt sie daher nicht.

Es wird schon klar ausgesprochen, dass die zunehmende ökonomische Krise in der Türkei vielleicht der beste Garant dafür ist, dass das Referendum in der Türkei scheitern könnte. (https://ozguruz.org/de/2017/02/24/die-krise-staerkt-das-nein/ externer Link)

Um noch einmal die Situation in der Türkei zusammenzufassen:

Erdogan, wenn man ihn in seiner Lage des „Alles oder nichts“ („Ich oder das Chaos“) zu verstehen versucht, will ein exekutives Präsidialsystem einzuführen, das ihm quasi diktatorische Vollmachten verleiht – und deshalb macht er Krawall, wie es nur geht, um die Auslandstürken – vielleicht das Zünglein an der Waage für eine Mehrheit bei der Abstimmung zum Verfassungs-Referendum – für sich und „sein“ Präsidialsystem zu gewinnen. Auch Kritiker des Referendums warnen daher davor Erdogan bei seiner provokativen Polarisierungs-Strategie zu unterstützen, indem man mit Auftrittsverboten gegen türkische Minister vorgeht. Unter dem Strich könnte man damit sein Ziel einer diktatorischen Verfassung nicht konterkarieren, sondern eher faktisch unterstützen. (http://www.fr.de/politik/tuerkei-laut-gegen-jeden-zweifel-a-1094189 externer Link)

Die Grünen jedoch haben im Bundestag schon einmal gefordert das EU-Türkei-Abkommen zu kündigen – um noch das Gesicht wahren zu können und nicht so erpressbar zu sein.

Zunächst aber steht auch noch das Votum des Europarates zum geplanten Referendum in der Türkei aus – und das ist eindeutig negativ. (https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-yuecel-105.html externer Link)

Und die Bundesregierung versucht durch Leisetreten, für sich (im Wahljahr!) das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu retten. Fällt nämlich das Abkommem weg,würde Erdogan vermutlich dafür sorgen, dass sehr schnell sehr viele der Hunderttausenden in seinem Land aufgenommenen Flüchtlinge aus Syrien das Land verlassen, so die Angst dere deutschen Regierung. Und die EU ist weit davon entfernt,sich über eine Verteilung der Flüchtlinge zu einigen. (http://www.fr.de/politik/deutschland-und-tuerkei-zurueckhaltend-deutlich-a-1094196 externer Link)

Weiter so „feige“ sich durchwurstelnd weitermachen, um den „Sultan“ vom Bosporus nicht zu vergrätzen – und damit er nicht jetzt die Flüchtlinge aus Syrien zu uns weiterschickt (so Merkel-Deutschland) – oder ihm doch die Grenzen aufzeigen, die der politisch-demokratische Anstand uns eigentlich gebieten sollte? Lassen wir den Erdogan weiter uns als Nazis niedermachend beschimpfen, weil wir mit diesem Flüchtlings-Deal viel zu abhängig von diesem Möchte-Gern-Diktator sind? Und er weiß das und genießt das – immer nur noch weiter eskalierend! Oder sind das jetzt einfach die Anforderungen von Realpolitik in dieser Flüchtlingskrise: Maul-Halten und alles einstecken? So leben wir in einer total wildgewordenen Welt – mit anscheinend lauter „Verrückten“: Und steuert die Türkei jetzt auf die „Reichstagsbrand-Situation“ wie damals in Deutschland zu? (http://www.zeitklicks.de/top-menu/zeitstrahl/navigation/topnav/jahr/1933/der-reichstagsbrand-und-seine-folgen/ externer Link)

Unsere schon etwas „verkorkste“ Geschichte mit der Türkei

Dabei ist es zunächst wohl zuerst noch einmal sinnvoll ein wenig mit Jürgen Gottschlich in „unsere“ Geschichte mit der Türkei einzusteigen, um zu verstehen, was Außenminister Sigmar Gabriel meinen könnte, mit „unserer“ alten Freundschaft mit der Türkei. Jedoch außer der Waffenbrüderschaft im ersten Weltkrieg, nachdem der deutsche Generalfeldmarschall Moltke im 19. Jahrhundert dort in der Türkei eine Heeresreform in Gang setzen sollte und als Erkenntnis von dort vor allem den Spruch vom „Land weit hinten im Osten“ mitbrachte, war es nicht so weit her mit dieser „Freundschaft“. Und einen endgültigen „Bruch“ riskierte dann als frisch-gewählte Kanzlerin jene Angela Merkel im Jahr 2005, die heute – im Jahr 2017 – so um die Gunst der Türkei buhlt, um die Flüchtlinge von uns fernzuhalten, indem sie die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei de facto 2005 zu den Akten legte. (http://www.taz.de/!5385984/ externer Link)

Nachdem Ende der achtziger Jahre der Antrag auf eine Mitgliedschaft in der damaligen EWG gestellt wurde, hatte die EU im Jahr 1999 formell zum Beitrittskandidaten erklärt. Jedoch nachdem Merkel – im „Verbund“ mit dem Franzosen Sarkozy – diese europäische Perspektive für die Türkei beendet hatte, sind die deutsch-türkischen – aber wohl auch europäischen – Beziehungen im Niedergang begriffen – deren offenisichtlicher Ausdruck jetzt Erdogan ist, der mehr in Richtung einer orientalischen Despotie strebt, als eine europäische Zivilgesellschaft aufzubauen. (http://www.taz.de/!5385984/ externer Link)

Erst einmal eskaliert jedoch Erdogan, indem er Berlin „Nazi-Praktiken“ vorwirft

und er reagiert damit – schon wie ein absoluter „Sultan“, der er bald zu sein gedenkt, – erbost auf die Absage von Wahlkampfauftritten „seiner“ türkischen Minister in Deutschland. (https://www.tagesschau.de/ausland/erdogan-vorwurf-deutschland-105.html externer Link) Dennoch bleibt auf deutscher Seite alles relativ gelassen – trotz dieser Tobsuchtsanfälle von Erdogan. (http://www.tagesspiegel.de/politik/nazi-vorwuerfe-gegen-deutschland-erdogan-ein-praesident-ohne-jedes-mass/19475634.html externer Link) Wenn Erdogan jedes Maß verliert, muss man es ja nicht auch ihm ebenso gleichtun.

Aber der Jurist Heribert Prantl stellt noch einmal klar, der Auftritt von ausländischen Politikern in Deutschland zu Wahlkampfzwecken ist keine Gewohnheitsrecht – sondern eine Frage der Souverenität unseres Landes. (http://www.sueddeutsche.de/politik/erdoan-in-deutschland-auftrittsverbote-sind-eine-frage-der-souveraenitaet-deutschlands-1.3405542 externer Link) Und diese Souveränität muss sich von den Prinzipien leiten lassen, erklärt Herbert Prantl: Jeder kann hier frei reden, aber es darf keine Hilfestellung der Bundesrepublik für Menschenrechtsverletzungen werden.

Aber genau diese Tatsache, dass der Wahlkampf der türkischen Regierung in Deutschland die massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ziemlich dreist und gekonnt provokativ überspielen will, scheint in dem Geplänkel unterzugehen. Dazu, ob türkische Politiker für diese sogenannte Verfassungsreform werben dürfen, geben wenigstens die „Salzburger Nachrichten“ eine klare Antwort: „Nein und nochmals Nein. Europas liberale Demokratien sind so großzügig, dass sie auch ausländischen Staatsgästen öffentlich Auftritte zubilligen. Aber dieses Recht auf Meinungsfreiheit gilt nicht, wenn Versammlungen zur Wahlkampfbühne werden. Wenn sie in diesem konkreten Fall Propaganda für ein Projekt betreiben, das letztlich Erdogans autoritäre Herrschaft zementieren soll, das Grundrechte einschränkt und das Parlament zugunsten eines allgewaltigen Präsidenten entmachtet. Es ist traurig genug, dass die türkischen Volksvertreter für diesen Weg in die Diktatur die Hand reichen. Doch Europas Demokratien dürfen keineswegs die Handlanger dafür sein.“ (http://www.fr.de/politik/meinung/gelesen/fuer-sie-gelesen-kalkulierte-konfrontation-a-1088460 externer Link)

Und obwohl – oder gerade deshalb – weil die Regierung in Deutschland sich zurückhält, versucht Erdogan bei seinem „Wahlkampf“ für seine autoritäre Verfassung mit dem Nazi-Vergleich noch einmal Stimmung zu machen. (https://www.heise.de/tp/features/Absagen-von-Wahlkampfauftritten-Erdogan-kontert-mit-Vorwurf-von-Nazi-Praktiken-3644527.html externer Link)

Und in der Türkei hat er es ja soweit gebracht, dass es keinen mehr geben kann, der ihm angemessen widerspricht. Schade, dass sich über diese Vorgeschichte wie auch die aktuelle despotische Abkehr so wenige noch aufregen können: Nur wer wird hier den ausdauerndsten Mut zeigen? Yavuz Baydar macht noch einmal klar, bei Erdogans Krieg gegen die Journalisten ist eben die Presse das erste Angriffsziel. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/tuerkische-chronik-wer-wird-diesen-krieg-gewinnen-1.3401891?reduced=true externer Link) Nur, wer wird diesen Krieg gewinnen? Kann ihn Erdogan nur durch ein ständiges Eskalieren für sich entscheiden?

Wie absurd dieser autoritär-fundierte Krieg gegen die Presse durch Erdogan in der Türkei ist, zeigt jetzt nicht nur der Fall Deniz Yücel, sondern auch Hande Firat (Hürriyet)

Er hat jegliche Maßstäbe verloren und macht seine persönliche Willkür zum totalen Maßstab. Zunächst schwelt immer noch der Konflikt um den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel,(in Rüsselsheim aufgewachsen) bei dem sich dieser Erdogan doch nicht zu schade ist, ihn jetzt auch noch zum Spion für Deutschland zu erklären, um ihm den Prozess machen zu können. (http://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-erdoan-deniz-yuecel-ist-ein-deutscher-agent-1.3405109 externer Link)

Gerade Deniz Yücel war ein klarer Beobachter der türkischen Verhältnisse und seine Verhaftung kann vor allem als bewusste Provokation angesehen werden. (http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/deniz-yuecel-gegen-die-widersacher-der-demokratie-a-1039865 externer Link)

Aber noch dramatischer und bizarrer wird die Situation gegenüber der Starjournalistin Hande Firat des Massenblattes „Hürriyet“. Zunächst tritt schon der Chefredakteur – einfach so – zurück, obwohl der Textinhalt des inkriminierten Artikels – über Spannungen im Militär („Unruhe im Militärhauptquartier“) – von der Redaktion verteidigt wurde.

Die Journalistin Hande Firat genießt unter Kolleginnen durchaus den Ruf einer staatsnahen Journalistin. Ja, in der Putschnacht vom 15. Juli erwies sie sich sogar als journalistischer Engel zur Rettung Erdogans – und gab durch ihre mutige Intervention dem Putsch die Wendung zur Niederlage. (http://www.fr.de/politik/pressefreiheit-erdogans-retterin-in-ungnaden-a-1088546 externer Link)

Und nun ermittelt wieder die ziemlich hörige Staatsanwaltschaft gegen Hande Ferat (wie schon gegen 150 andere Journalisten in der Türkei) – aber sie ist wenigstens noch nicht entlassen worden. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/hande-firat-erdogans-retterin-ist-ploetzlich-staatsfeind-a-1137321.html externer Link) Und so wird Erdogans beherzte Retterin in der Putschnacht plötzlich zum Staatsfeind. Es hat den Anschein, da dreht einer autoritär durch. Und dieser Erdogan besitzt doch glatt die Dreistigkeit wegen des Auftritts“verbots“ seiner Minister, um für seine totalitäre Allmacht als Staatspräsident zu werben, mit dem Totschlag-Argument des Nazi-Vorwurfs gegen Deutschland daher zu kommen.

Ansonsten tobte schon vorher ein Meinungskrieg in Deutschland um den Auftritt türkischer Minister, um für diese autoritäre Verfassungsreform zu werben, weil viele Türken in Deutschland dürfen eben auch für diese neue Verfassung auf dem Weg in eine Präsidial-Diktatur abstimmen…

Eigentlich kann man ja nur dagegen sein und konsequent „Nein“ sagen, (vgl. das „Nein“ zu Krieg, Säuberung, Verhaftungswellen, Staats-Terror und verlogener Hetze“: https://www.labournet.de/internationales/tuerkei/politik-tuerkei/putsch/ein-ja-im-referendum-erdogans-ist-ein-ja-zu-krieg-saeuberungswellen-verhaftungswellen-staatsterror-und-verlogener-hetze/)

Die Bundesregierung hat sich dabei fein rausgehalten – und es den Kommunen überlassen zu entscheiden. Und die finden, dass die Sicherheitslage dabei nicht in den Griff zu bekommen ist (man kann ja nicht, wie in der Türkei üblich, die möglichen Demonstranten vorher – ohne Grund – ins Gefängnis werfen… (http://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkische-politiker-erdoans-minister-duerfen-nicht-in-deutschland-reden-1.3402679?reduced=true externer Link)

Und nun droht die Türkei mit Konsequenzen… (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-03/recep-tayyip-erdogan-einreiseverbot-deutschland-konflikt-tuerkei externer Link) Dabei überstürzen sie sich doch schon in der Türkei mit ihren „Konsequenzen“ gegen die eigene Bevölkerung. (https://www.labournet.de/?p=112776)

Nun soll dieser Konflikt anscheinend auf deutschem Boden ausgetragen werden. (http://www.svz.de/deutschland-welt/politik/tuerkischer-wirtschaftsminister-will-in-koeln-wahlkampf-machen-id16247956.html externer Link) Dabei ist die deutsche Regierung – Außenminister Gabriel – um eine Deeskalation bemüht – wegen der alten Freundschaft mit der Türkei. (http://www.stern.de/politik/deutschland/gabriel-warnt-vor-eskalation-tuerkischer-wirtschaftsminister-will-in-koeln-wahlkampf-machen-7350534.html externer Link) Und die TAZ diskutiert erst noch schön „pro“ und „contra“, ob jetzt Erdogan selbst in Deutschland vor „seinen“ Türken auftreten darf? (http://www.taz.de/!5388837/ externer Link)

Dabei bleibt die Menschenrechtslage in der Türkei weiter recht „prekär“! (http://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/tuerkei/?gclid=CKTjtKu4v9ICFQ8W0wodVWIJeg externer Link)

So bleibt – und muss es bleiben – es weiterhin in schwieriges Verhältnis – wenn Deutschland nicht noch zum unfreiwilligen Steigbügelhalter für die Etablierung einer Diktatur des Erdogan in der Türkei werden will. (https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/deutschland-besuch-von-t%C3%BCrkischem-minister-bozdag-sorgt-f%C3%BCr-emp%C3%B6rung/ar-AAnHmeE externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=113007
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