Gedanken zur aktuellen Pleite für Griechenland – riskanter Machtkampf in Europa um das Regime der Austerität (Spardiktat)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 31.3.2015

Blicken wir zunächst noch einmal ökonomisch ganz global „eingebettet“ mit Yanis Varoufakis – damals noch als Ökonomie-Professor im Austin / Texas – auf diese Krise mit einer zentralen Wahrnehmung auf die Rolle der USA (https://www.youtube.com/watch?v=MEUWxNifJJ8#t=1407 externer Link ).

Nun jedoch ist Varoufakis mitten hinein in diese europäische Schuldenkrise geworfen – und muss als politischer Akteur miterleben, wie Griechenland kurz vor der Pleite steht – Und so steht Griechenland nun mit Varoufakis in den „Mühen der Ebene“, um einen eher kurzfristigen Weg aus dem finanzellen und sozialen Elend für Griechenland noch zu finden – sozusagen der „Abstieg“ oder das „Sich-Herunterlassen“ in die konkrete Krisen-Situation in Europa. (vgl. dazu auch ein Interview mit Yanis Varoufakis vom April 2014 „Nie war Athen so bankrott wie heute“: http://derstandard.at/1397521690935/Oekonom-Nie-war-Athen-so-bankrott-wie-heute externer Link)

Gibt es noch die Chance für einen „fairen Kompromiss“?

Tsipras schwebt – herausgefordert durch das Wahlergebnis bei den Griechen für ihn – ein ehrenhaften Kompromiss vor. (http://www.fr-online.de/politik/griechenland-tsipras-will-ehrenhaften-kompromiss-,1472596,30260038.html externer Link)

Welche Möglichkeiten tun sich aktuell dazu noch in Europa auf: Bietet die „politische Vielgestaltigkeit“ von Europa eine Chance (auch EU-Kommission – das EU-Parlamant – politische Kräfte „an der Macht“ wie die Sozialdemoratie mit den deutschen Sozialdemokraten als Joker) für eine solche Kehrtwende „Raus aus der Austerität“ (Michael Kraetke) (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2015/april/die-griechische-machtprobe externer Link)

In der europäischen Union (Eurozone) ist ein Machtkampf entbrannt, macht uns Michael Kraetke aufmerksam: Auf der einen Seite zwischen der neuen griechischen Regierung mit Syriza auf der anderen Seite bisher die Eurozone mit der zentralen Macht in Merkel-Deutschland.

Wahrscheinlich wäre es dazu – vorher – auch nützlich, wenn die zentralen Fragen von Harald Schumann in seinem Beitrag über das Wirken der Troika – gerade auch in Griechenland – auch noch beantwortet werden könnten, wie es der Europa-Abgeordnete Sven Giegold sich vorgenommen hat. (siehe „Schumanns unbeantwortete Fragen“ (http://www.nachdenkseiten.de/?p=25600#h06 externer Link)

Es geht um das marktradikale Prinzip und ein klares Signal an die anderen Defizitländer in der Eurozone: Die Wahl einer linken Regierung gegen den Austeritätskurs lohnt sich nicht!

Dieser zentrale Machtkampf zwischen der neuen griechischen Regierung und der in Euroland vorherrschenden neoliberalen Orthodoxie dreht sich um mehr als ums Geld: Die Apologeten der Austeritätspolitik möchten diese Syriza-Regierung in Griechenland bestrafen und zum Scheitern bringen, dafür ist ihnen kein Preis zu hoch – selbst nicht der eines griechischen Staatsbankrottes mit hohen Folgekosten für den deutschen Steuerzaler. Es geht eben um das Prinzip und deshalb um ein deutliches Signal an die Bevölkerungen in anderen Defizitländern: Die Wahl einer linken Regierung lohnt sich nicht, wir werden unseren Kurs fortsetzen, es gibt keine Alternative (Tatchers „There is no Alternative“ – kurz TINA). (vgl. dazu auch den Abschnitt „Eine Nachbemerkung zu den alternativen Möglichkeiten eines politischen Prozesses für Europa – eine Marginalisierung der Neolib-System-Parteien -, der jedoch auch „umgekehrt“ zu gunsten der Rechten in Europa ausgehen kann: Europa wie Herkules am Scheideweg“ auf de Seite 9 ganz unten ff. bei https://www.labournet.de/?p=76151)

Griechenland am Tropf – und dann?

Griechenland: Zwei Wochen vor der Pleite – am 9. April soll alles aus sein… und die Deutschen (ehemaliger EZB-Banker Stark) mosern nur, schon die bisherigen Nothilfen der EZB waren „verbotene Staatsfinanzierungen“… (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-politische-pleite-1.2411400 externer Link)

Dazu kann man weiter noch die Abqualifizierung der breiter ausgeführten Vorschläge zu einer „rettenden“ EZB-Politik von James Galbraith u.a. in der Süddeutschen hinzugefügt weden: „Ökonomie als Kult“. (vgl. den Abschnitt „Sturer Rechtsstandpunkt will die Luft zum Atmen nehmen: Einbetonniert im selbstgeschaffenen Recht gegen vitale Überlebensinteressen“ auf der Seite 2 unten bei https://www.labournet.de/?p=77203)

Die Möglichkeiten einer politischen und ökonomischen Konstellation weg von dem Spardiktat (Merkels „schwäbischer Hausfrau“)?

Wagen wir zuerst doch den Blick auf diese „überharte Sparpolitik“, die Griechenland in das aktuelle Elend geführt hat. Insgesamt wurden in Griechenland zwischen 2010 und 2014 staatliche Konsumausgaben, öffentliche Investitionen und Sozialausgaben in Höhe von insgesamt 29,2 Milliarden Euro gestrichen, ausgedrückt in den Preisen von 2010. Gleichzeitig summierten sich die Maßnahmen zur Erhöhung von Steuern und Abgaben auf ein Volumen von 29,4 Milliarden Euro. Nach den Berechnungen des IMK ließen diese Kürzungen und Steuererhöhungen das Bruttoinlandsprodukt von Griechenland um rund 25,7 Prozent schrumpfen.

Dabei hatte die griechische Wirtschaft – wie diese Forscher auch feststellen – bereits vor Ausbruch der Krise schwerwiegende Probleme, allen voran einen massiven Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. So bleibt den Ökonomen als Fazit für diese Politik: „Die Austeritätspolitik trägt die Hauptschuld am Rückgang des Bruttoinlandsproduktes.“ (http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/52614_53657.htm externer Link)

Trotz dieser klar belegbaren und enormen schädlichen Wirkungen des Spardiktats auf die griechische Wirtschaft, sieht Michael Kraetke es so: nachgeben werden Merkel, Schäuble und Co. allerdings nur, wenn die griechische Linksregierung Verbündete in Europa sucht und findet. Und zwar möglichst solche, die auch über Macht verfügen. Aber solche gibt es durchaus: Jean-Claude Juncker und die EU-Kommission wollen keinen Grexit (vgl. dazu noch einmal Rudolf Hickel: http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/graccident-nochmals-zum-grexit-elend/ externer Link – oder noch einmal den Abschnitt „Was beweist, dass die EZB und Deutschland Griechenland nicht in die Insolvenz treiben wollen“ – auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=77203).

So kommt der EU-Kommission dieser politische Gegenwind aus Athen gegen die Oberlehrer aus Deutschland durchaus gelegen. (siehe auch weiter unten den Juncker-Investionsplan) Das EU-Parlament hat noch zu wenig zu sagen – aber moralische Unterstützung kommt von dieser Seite doch auch. (siehe Sven Giegold zu „Schumanns unbeantwortete Fragen“)

Aber der natürliche Verbündete wäre – länderübergreifend – die europäische Sozialdemokratie, – die bisher in der Eurokrise sich sehr zu ihrem Schaden politisch neoliberal so „verzockt“ hat und damit in einer gallopierenden Schwindsucht ihre Wähler verloren hat -. Das jüngst Beispiel für diesen Verfall haben wir jetzt in Frankreich wieder vor Augen, wo die regierenden Sozialisten direkt „disqualifiziert“ wurden. (Der Rechtsruck in Frankreich stabilisierte sich bei den Departementswahlen: http://www.fr-online.de/politik/d-partementswahlen-in-frankreich-rechtsruck-in-frankreich,1472596,30251394.html externer Link – sowie „Sozialisten-Dämmerung“: Das Debakel vonn Francois Hollande: http://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-sozialisten-daemmerung-1.2416226 externer Link)

Wäre es da nicht an der Zeit, dass diese europäischen Parteien zu einer Selbstbesinnung kommen könnten, allein schon um ihren permanenten „Abstieg“ zu stoppen – und die deutsche Sozialdemokratie könnte vielleicht auch noch ihr 25-Prozent-Ghetto überwinden, in dem sie sonst hoffnungslos gefangen stecken bleiben würde.

Doch noch eine politische Behandlung der Krise – denn es ist auch unsere Krise!

Heiner Flassbeck schrieb zu dem Streit um eine „Hilfe“ für Griechenland „Es ist auch unsere Krise“: Die Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt? Mag ja sein. Aber ohne die verfehlte deutschen Politik – mit den Exportüberschüssen durch Lohdumping (vg. ganz aktuell zu den deutschen Exportüberschüssen noch einmal (http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2015%2F03%2F24%2Fa0107&cHash=b3afc66200c26bb22234a67f5ad9fd4 externer Link) – dass es sich bei den Exportüberschüssen auch um prekäre Vermögern handelt, ist in den Köpfen noch nicht angekommen (Gustav Horn) – wäre das gar nicht gegangen.

Nach seinen konsequent logischen Darlegungen, meinte Heiner Flassbeck – ganz optimistisch – dass nach dieser Erkenntnis ab jetzt alle klugen und ökonomisch aufgeklärten Medien in Deutschland schreiben werden: „Deutschland hat jahrelang unter seinen Verhältnissen gelebt. Die deutsche Regierung hat die logischen – ökonomischen – Zusammenhänge zusammen mit den europäischen Institutioen – sich allein im Vorteil wähnend – ignoriert. Wir fordern sie deswegen auf, allen Hilfspaketen zuzustimmen und dafür zu sorgen, dass Deutschland – endlich! – über seine Verhältnisse lebt, damit diejenigen, die bisher über ihre Verhältnisse gelebt haben, endlich auch unter ihren Verhältnissen auch noch leben können, denn nur dann kann die Währungsunion als Ganze eine Stabiltätsunion sein.“ (http://www.fr-online.de/gastbeitraege/gastbeitrag-es-ist-auch-unsere-krise,29976308,30197314.html externer Link)

Eine Steuerung der EWU (Währungsunion) müsste dann eben so aussehen. (http://www.flassbeck-economics.de/wie-soll-eine-bessere-steuerung-der-ewu-aussehen-teil-3/ externer Link)

Und mit der aktuell starken Konjunktur im Kreuz bekommt Deutschland auch noch die Mittel für dieses „Über-Seinen-Verhältnissen-Leben“. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/starke-konjunktur-steuereinnahmen-steigen-rasant-1.2406293 externer Link)

Statt Mythen über die griechische Krise anzuprangern, wäre ein klarer Investitionsschub für Griechenland und Europa angebracht

Ja, in dieser Situation der allerhöchsten Not einer Staatspleite für Griechenland erlaubt sich die Wirtschaftsjournaille noch 5 Mythen über Griechenland – natürlich immer zur „Entschul(dig)ung“ von Deutschland aufzulisten, die nur nichts zur Lösung beitragen können – außer alte Vorurteile aus Deutschland zu bestätigen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-krise-fuenf-mythen-ueber-griechenland-1.2415138 externer Link)

Dabei liegen die Irrwege zu diesem – durchaus auch teuren – Desaster für Griechenland eben doch immer wieder auch in Deutschland. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=25600#h03 externer Link)

Jetzt ist dazu von gewerkschaftlicher Seite einmal die IG Metall mit Vorschlägen für ein – weit über das bisherige Juncker-Programm für Investitionen hinausgehenden (vgl. dazu noch einmal „Jetzt doch zu des Pudels Kern für Junckers 315-Milliarden-Investitionsprogramm: und wieder ein Sieg für die Finanzlobbyisten in Europa – und die Politik bleibt bei der „schwarzen Null“ einbetonniert“: https://www.labournet.de/?p=70517) Investitionsprogramm hervorgetreten. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/investitionsprogramm-ig-metall-vermoegensabgabe-soll-investitionen-finanzieren,1472780,30217556.html externer Link)

Eine Schwäche des Juncker-Programms auf der Finanzierungsseite – Tomasz Konicz hatte es deshalb als neoliberalen Keynesianismus qualifiziert (http://www.gegenblende.de/-/iqU externer Link) – möchte die IG Metall durch eine Vermögensabgabe beseitigen. (https://www.igmetall.de/internet/pressemitteilungen-2015-15974.htm externer Link) Zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung hatte sie dieses investive Anliegen für Europa in Brüssel vorgetragen. (http://www.boeckler.de/veranstaltung_53134.htm externer Link)

Insgesamt unterscheiden sich diese Vorschläge auch noch von der etwas nebulös bleibenden Gabriel-Kommission für die Anregung von Investitionen (vgl. http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/150326_staerkung_der_investitionen_in_deutschland_kurzbericht_zur_gabriel-kommission.pdf externer Link pdf – oder auch zusammengefasst bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=25547#h06 externer Link)

Der m.E. entscheidende Punkt wird die Frage sein, inwieweit damit lediglich Rendite der Finanzwirtschaft „erzeugt“ und gesichert werden sollen (Dividende ohne Mitsprache). (Beachte dazu noch einmal Heiner Ganßmann „Lauter schwarze Nullen – Deutschlands fatale Rolle in der europäischen Schuldenkrise“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25600#h02 externer Link – oder auch auf der Seite 4 etwa ab der Mitte bei https://www.labournet.de/?p=77203) In diesem Dossier von Labournet werden breit die Gefahren dargestellt, die durch diese sogenannten „ÖPP“-Modelle für die Gesellschaft entstehen werden. (https://www.labournet.de/?p=66968)

Aber nur in eine solche investive Entwicklung könnte für Griechenland ein Ausweg für einen „ehrenhaften Kompromiss“ (Tsipras) gefunden werden können – statt Griechenland gnadenlos ohne bessere Einsicht unter die Fuchtel der Austerität weiter zu zwängen. (wie z.B. „Zweifelhafte Hoffnungen für Griechenland“: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-zweifelhafte-hoffnungen-1.2414981 externer Link)

Und noch ein Investitionsprogramm von Deutschland allein für Griechenland – auf Grund einer deutschen Kriegszwangsanleihe von 1942

Unter der Überschrift „Schuld und Schulden“ schreibt der Historiker Hagen Fleischer: Die Einmaligkeit dieser Zwangsanleihe liegt also in der expliziten Anerkennung des kreditären Charakters dieser „Reichsverschuldung gegenüber Griechenland. So hat der sogenannte Besatzungskredit keinerlei Reparationscharakter (was seine juristische Geltendmach erschweren würde)(http://www.sueddeutsche.de/kultur/schuld-gegenueber-griechenland-schuld-und-schulden-1.2410244 externer Link)

Mangels präjudizieller Wirkung bietet daher dieser „Kredit“ eine gute Ausgangsbasis für Gespräche zur Gründung eines wahren Zukunftsfonds für Griechenland, der diesen Namen auch verdient.

Dafür müsste aber auch die griechische Regierung eigene Interessen und Vorstellungen für diese investive Entwicklung in Griechenland durchsetzen, damit nicht nur Deutschland wieder – wie in einem halb-kolonialen Verhältnis – seine Interessen zur Geltung bringt. (siehe dazu auch den zweiten Teil bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=25582#h03 externer Link)

Und ein kleiner aktueller Seitenblick auf die geopolitische Konstellation von Europa: Griechenland und die Ukraine

Dabei kann Europa hier bei dem kleinen Griechenland schon einmal trainieren, wie es dann mit dem sozialen Elend in der Ukraine, die – mit einem Krieg dort – wohl noch „komplizierter“ ist, weitergehen soll… Weiterhin das Rezept „Austerität“ dürfte nicht nur diese Länder, sondern auch Europa in den „Abgrund“ stürzen. (Vgl. z.B. noch einmal „Auch noch Geopolitik in der „Schuldenkrise“? Europa in der Doppelkrise: Griechenland und die Ukraine“ auf der Seite 7 bei https://www.labournet.de/?p=76151)

Erfrischend angenehm interveniert in dieser einseitigen Orientierung nur im Interesse Deutschlands (deutscher Finanzinteressen) der EU-Ratspräsident Donald Rusk.

Von Polen aus – mit der Ukraine und ihren Problemen im Rücken – hat man eben anscheinend noch ein geopolitisches Verständnis von Europa über den Tellerrand einseitiger „Pfeffersäcke“-Interessenwahrnehmung für Banken usw. hinaus. (siehe zum Beispiel die Seite 1 ganz unten bei https://www.labournet.de/?p=77203)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=77940
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