Deutungshoheit über die Eurokrise – immer noch durch die „Verschäubelung“

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 19.4.2016

„Ich bin noch immer unbefriedigt“ (I can`t get no satisfaction) – Internationale Koordination über den IWF bleibt weiter (erst einmal) erfolglos, – denn die Deutungshoheit für diese Euro-Krise liegt immer noch beim Schäuble – und dem Finanzkapital. Oder: Die „Verschäubelung“ der Weltökonomie kommt immer noch an kein Ende: Europa ein Narrenschiff – und Schäuble am Steuer?

Es ist – und bleibt leider – einfach ein Graus, wie die institutionellen – ökonomischen – Mächte dieser Welt, die sich im Internationalen Währungsfonds (IWF) wiederfinden, über die Krise, die uns seit Jahren (2009 ff.) befallen hat, verständigen (http://www.ksta.de/wirtschaft/schaeubles-dilemma-griechenland-spaltet-die-geldgeber-23902786-seite2 externer Link).

Da geht also der deutsche Fiananzminister her und erpresst vom IWF ein Vorgehen gegen Griechenland, das nur zum Scheitern verurteilt ist – und als einziges Resultat vielleicht zeitigen wird, dass Schäuble vor der AfD recht behält. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-griechenland-soll-weiteres-sparpaket-auf-vorrat-planen-1.2953562 externer Link) Ja, man kommt sich jetzt vor wie auf Hieronymos Bosch berühmten Narrenschiff – jeder tanzt nach seiner Pfeife, aber eine gemeinsame Perspektive – in dieser Krise – ist längst außer Sichtweise geraten.

Dabei gibt es in diesem Durcheinander noch eine Seite, die wenigstens ein Stück um die Realität ringt – und ihr – trotz allen aktuellen Einknickens vor Schäuble – zum Durchbruch verhelfen möchte – der IWF!

Deshalb meint Cerstin Gammelin – selbst wenn man das kurzsichtige Spiel von Bundesfinanzminister Schäuble ein Jahr vor der Bundestagswahl und einer „heraufdrängenden“ AfD politisch zu verstehen sich bemühen mag, – an die Adresse von Christine Lagard und dem IWF zu Recht: Für den IWF ist das jetzige Spiel gefährlich. Trüge er einen Kompromiss mit, der nicht funktioniert (= m.E. nicht funktionieren kann), riskiert der Fonds seine Reputation. Zögert er zu lange, um auszusteigen, könnte er später verantwortlich gemacht werden,falls die Rettung Griechenlands insgesamt scheitern sollte. – Daraus folgert sie: Höchste Zeit also für den Fonds eine Entscheidung zu treffen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/iwf-bleiben-oder-gehen-1.2953032 externer Link)

Das erscheint auch aus einem Grund sehr wichtig, weil die Flüchtlingskrise für Griechenland schon eine Krise zuviel ist, wie Niels Kadritzke, der Griechenland-Kenner und – Liebhaber konstatiert (http://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100072 externer Link)

Des deutschen Finanzministers Rundschläge – auch über Griechenland hinaus. Jetzt auch noch die Europäische Notenbank EZB und ihr Präsident Mario Draghi – Wer kann noch diese weitere „Verschäubelung“ der Wirtschaftspolitik für Europa stoppen?

Das zuletzt Berichtete ereignete sich auch auf der IWF-Tagung in Washington am letzten Wochenende, die unter den schon heftig blickenden Warnlichtern einer wieder heraufziehenden Finanzkrise – ähnlich der von 2009 ff. – stand. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/globaler-finanzbericht-iwf-fuerchtet-neue-finanzkrise,1471908,34082874.html externer Link)

Eine zusätzlich Finanzkrise – nach der von 2009 ff. – könnte den bisher schon mageren wirtschaftlichen Ausblick in ein Horrorszenario verwandeln: „In den vergangenen sechs Monaten haben die Risiken für die weltweit Finanzstabilität zugenommen„,sagte der IWF-Kapitalmarktdirektor Jose Vinals bei der Vorstellung des neuen globalen Finanzberichtes vor der IWF-Tagung in Washington. (Siehe „Warning Signs as Global Financial Risks Increas“: https://blog-imfdirect.imf.org/2016/04/13/warning-signs-as-global-financial-risks-increase/ externer Link)

Just vor diesem Hintergrund für die Beratungen in Washington legte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble noch heftig mit Mario Draghi an (http://www.fr-online.de/wirtschaft/ezb–schaeuble-legt-sich-mit-draghi-an-,1472780,34077862.html externer Link).

Dieser Tabubruch von Schäuble als Politiker so offen die Notenbank zu kritisieren, erregte weltweit Aufsehen (Süddeutsche) So hatte Schäuble doch glatt auch noch zusätzlich kürzlich erklärt, der politische Erfolg der rechten AfD in Deutschland sei zu 50 Prozent auf die Geldpolitik von Marioa Draghi zurückzuführen. (sic!)

Da springen auch aus der globalen Finanzelite Ökonomen an die Seite von Draghi, weil sie seine Geldpolitik für angemessen halten – und richten eher gleich eine Rüge an den deutschen Finanzminister Schäuble – wie der IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld -, indem sie monieren: „Unsere Sorge ist vielmehr, dass es – wie bei dem Juristen Schäuble zur Einhaltung von Normen – zur Obsession wird, nur auf den Schuldenstand zu schauen und dann falsch zu kalkulieren: Wenn eine Regierung im Umfeld der extrem niedrigen Zinsen sich Geld leiht, um in produktive Infratsruktur zu investieren, kann das die Schuldenstände stabilieren, weil auch das Bruttosozialprodukt steigt“ (Süddeutsche vom 18. April 2016 – siehe auch den Überblick zu Draghi noch: http://www.sueddeutsche.de/thema/Mario_Draghi externer Link).

Auf besagter IWF-Tagung wiederholte auch der US-Finanzminister Jacob Lew seine diesbezügliche Kritik an Deutschland: Da die Mittel (= Instrumente) der Notenbanken begrenzt seien, müssten gerade die Staaten mit geringen und gar keinen Haushaltsdefiziten (siehe zur deutschen „Doppel-Null“ noch einmal für Europa den Abschnitt „Nur gemeinsame europäische Lösungen verhindern ein Desaster für den Norden und den Süden in Europa“ – mit dem Ökonomen Daniel Stelter auf der Seite 4 unten bei https://www.labournet.de/?p=96317) mehr Geld in Konsum und Wachstum stecken und das Wachstum insgesamt ankurbeln.

Dabei hatte der Notenbankpräsident Draghi – sozusagen durch die Blume – mit der Diskussion um das sogenannte „Helikopergeld“ (Milton Friedman) diese so arg erstarrte – weil einseitig „erblindete“ – wirtschaftspolitische Diskussion aufgemischt. (https://www.labournet.de/?p=96407) Auch dazu fiel dem dogmatisch-eingefrorenen Schäuble dann nur mehr ein Verbot ein.

Eine solche Kritik an Draghi ist noch keine Lösung – und Paul Krugman vermisst immer noch die Lerneffekte

Nicht nur die internationalen Ökonomen sahen Schäubles verbale Attacke auf die EZB als verfehlt und gänzlich neben der Sache liegend an. Wobei die Kritik des Nobelpreisträgers Paul Krugman noch die deutlichste war: Er fand den politischen Druck von Schäuble auf Draghi einfach unerträglich – und meinte, „die deutschen Politiker beschimpfen die einzige Institution in Europa, die noch handlungsfähig ist und sich mit Macht gegen die Krise stemmt. Man sieht – bei den deutschen Politikern – über die Jahre hinweg überhaupt keinen Lerneffekt.“ (Süddeutsche vom 18.4.2016 – diese Verweigerung bei den Deutschen für jegliche mögliche Lerneffekte ist für Krugman seit langem ein Problem: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25779#h02 externer Link)

Aber noch vor dem Treffen in Washington war auch noch eine Gruppe von prominenten deutschen Ökonomen – um den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, dem Finanzminister entgegengetreten, dem sie nicht die Deutungshoheit überlassen wollte – und konterten in der FAZ „Kritik an Draghi ist noch keine Lösung“ (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/gastbeitrag-kritik-an-draghi-ist-noch-keine-loesung-14169535.html externer Link). Und die Quintessenz der deutschen Ökonomen war dann auch: „Die EZB muss nicht weniger, sondern Europas Politik muss mehr tun.“

Noch fehlen die entscheidenen Grundlagen für eine Entscheidung für Griechenland (das gemeinsame Narrativ) – Diese Eurokrise war keine Schuldenkrise, sondern eine Bankenkrise, die durch den Steuerzahler „gelöst“ werden musste.

Auch wenn der IWF mit Christine Lagarde mit einem Schuldenschnitt schon ein Stück Realität in diese Eurokrise und ihre Bewältigung zurückholt (vgl. dazu ungefähr ab dem ersten Drittel auf der Seite 7 bei https://www.labournet.de/?p=96317), bleibt das noch auf der Ebene der Symptom-Rumflickerei in dieser Krise. Wie das „Centre for European Policy Research“ (CEPR) – tiefer schürfend – festhält. Diese Eurokrise war ursprünglich gar keine Schuldenkrise (http://cepr.org/content/rebooting-eurozone-agreeing-crisis-narrative-new-cepr-policy-insight externer Link– sowie auch auf der Seite 6 oben „…. und ursprünglich keine Staatsschuldenkrise“ bei https://www.labournet.de/?p=96317).

Wenn man also zu einem für die Eurokrise gemeinsamen Narrativ kommen will – und das ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Lösung -, dann muss man sich – auch hier noch – auf die realistischen Faktoren für diese Krise einigen – und das sind eben ursprünglich nicht die Schulden, sondern die Banken, die sich – in falscher Einschätzung (oder Selbstüberschätzung) einfach „verspekuliert“ hatten. (Vgl auch noch insgesamt den Abschnitt „Es muss sich wieder für alle lohnen dabei zu sein – und nicht nur für Deutschland.…“ auf der Seite 5 bei https://www.labournet.de/?p=96317)

Und jetzt will Deutschland – als das ökonomisch stärkste Land noch dazu – diese Schulden für die sog. „Bankenrettung“ – ausgerechnet – von dem armen Griechenland sich „rück“-bezahlen lassen? Weil sonst die AfD droht, die CDU in ihrem Zynismus noch zu übertreffen? Statt dessen gehört doch längst – damit auch die Interessen von Griechenland wenigstens ansatzweise vorkommen – der „Spieß umgedreht“ und es muss gefragt werden: „Reicht der Schuldenschnitt für Griechenland überhaupt aus?“ (Siehe dazu unten auf der Seite 7 „Reicht für die griechische Misere der Schuldenschnitt aus?“ bei https://www.labournet.de/?p=96317)

Die deutschen Medien leisten sich interessengeleitete Einseitigkeit

Dazu ergänzend passt auch noch die Studie über die Berichterstattung in dieser sogenannten Staatsschuldenkrise über Griechenland in den deutschen Medien (http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_study_45_2016 externer Link)

Und das Fazit dieser Studie ist, wenn die deutschen Medien über Griechenland berichten, erfüllt das nicht die journalistische Sorgfaltspflicht – oder vielleicht sollte man es – etwas die wissenschaftliche Sprache „vertiefend“ – härter und deutlicher ausdrücken – diese Berichterstattung über Griechenland ist vor allem Regierungspropaganda für eine deutsche Regierung, die dem Neoliberalismus „alternativlos“ (Merkel) verfallen ist.

Nur Deutschland beutet trotzdem Griechenland erst einmal bis zur Neige aus. Dazu noch ein Privatisierungs-Coup: Fraport kassiert – und Athen haftet. Oder auch die neuen finanzkapitalistischen Formen eines europäischen Kolonialismus

Attac kritisiert Betreiberverträge für 14 griechische Flughäfen (http://www.fr-online.de/wirtschaft/flughafen–fraport-kassiert–athen-haftet-,1472780,34087380.html externer Link). Viel ausführlicher noch hat diesen ganzen „Schmu“ (laut Duden „leichter Betrug – nur ob es sich um einen nur leichten Betrug – vor allem von Deutschland – an Griechenland handelt, muss sehr in Zweifel gezogen werden.) Niels Kadritzke hat das in seinem Blog bei der „Diplo“ – insbesonders ab dem Absatz „attraktive Flughäfen für Deutschland“ schon ausführlich dargestellt – aber wohl noch kaum einer gelesen… (http://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100071 externer Link)

Und griechische Anwälte haben die wichtigsten Bestimmungen des Vertrages noch übersetzt und erklärt. (http://www.rechtsanwalt-griechenland.de/blog/uebernahme-von-14-griechischen-flughaefen-durch-fraport/ externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=96809
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