Die Flüchtlingsfrage: Der Sozialstaat in der Pflicht

Beim Umgang mit Flüchtlingen ist Deutschland tief gespalten: Auf der einen Seite engagieren sich zahlreiche Menschen freiwillig und leisten den Ankommenden vor Ort spontan Hilfe. Dies ist umso notwendiger, als die eigentlich zuständigen Behörden vor allem in personeller Hinsicht überfordert sind. Hier rächt sich der jahrelang betriebene Abbau sozialstaatlicher Infrastrukturen, unter dem nicht nur Flüchtlinge leiden, sondern alle Menschen, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. So begrüßenswert daher der Einsatz ehrenamtlicher Helfer für die Flüchtlinge auch ist – er darf nicht zur Entlassung des Staates aus gesetzlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge missbraucht werden. Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes erlaubt keine Rückkehr zu Prinzipien mittelalterlicher Caritas. Schon Johann Heinrich Pestalozzi geißelte die Wohltätigkeit als „Ersäufung des Rechts im Mistloch der Gnade“…“ Artikel von Martin Kutscha und Tatjana Ansbach in Blätter für deutsche und internationale Politik vom Januar 2016 externer Link. Siehe dazu:

  • „Sozialstaat auf der Flucht?“ – Gemeinsam für Integration und Teilhabe
    „… Mit der hohen Zahl von Geflüchteten in Deutschland steigt auch der Druck auf den Sozialstaat. Doch seit vielen Jahren werden Leistungen zusammengestrichen, Voraussetzungen für die Inanspruchnahme und Strafen verschärft, private Absicherungen und Zuzahlungen eingeführt, der Arbeitsmarkt dereguliert und der Niedriglohnsektor massiv gefördert. Begleitet wird dies von einer Steuerpolitik, welche die Auseinanderentwicklung von Arm und Reich begünstigt. All dies hat die Armutsquote in Deutschland kontinuierlich auf aktuell 15,5% anwachsen lassen. Der Niedriglohnsektor ist europaweit spitze. Eine auch ohne die Fluchtproblematik beschämende Politik in einem der reichsten Länder der Erde…“ Aufruf der Kooperationsstelle Osnabrück zur 28. Osnabrücker Sozialkonferenz am 16. April 2016 mit Prof. Dr. Christoph Butterwegge als Referent externer Link
  • Flüchtlinge: Großoffensive gegen Armut notwendig
    „Migration könne soziale Konflikte verschärfen, müsse es aber nicht, sagt der Kölner Politologe Christoph Butterwegge. Er fordert eine politische Großoffensive in der Armutsbekämpfung, die gleichermaßen Einheimische wie Zuwanderer erreicht…“ Beitrag von Christoph Butterwegge vom 14.03.2016 bei Deutschlandradio Kultur externer Link (Text und Audio)
  • Herausforderungen der Flüchtlingsfrage für die Sozialpolitik in Deutschland
    „Aktuell gibt es eine hohe Anzahl von Menschen, die aus Krisengebieten in Deutschland ankommen Asyl beantragen und als Flüchtling anerkannt werden oder Schutz gewährt bekommen. Die Antragsteller waren im Jahr 2015 zu 70 Prozent männlich, zu 71 Prozent jünger als 30 Jahre und zu einem Drittel minderjährig. Es wird eine Herausforderung sein, diese überwiegend jungen Menschen in die Gesellschaft und in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren und sie sozial abzusichern. Zugleich stellt sich die Frage, ob sich durch diese neue Situation bzw. geänderten Rahmenbedingungen grundsätzliche Änderungsbedarfe in sozialpolitischen Handlungsfeldern der Arbeitsmarktpolitik, Sozialversicherung, Wohnungspolitik, Schul- und Ausbildungspolitik sowie der Familienförderung ergeben. Der Deutsche Caritasverband untersucht daher und benennt im Folgenden Handlungsoptionen in den unterschiedlichen bestehenden Sozialsystemen…“ Positionspapier von Prof. Dr. Georg Cremer vom Deutschen Caritasverband e.V. vom 29. Februar 2016 externer Link beim Harald Thomé
  • Schaffen wir das?
    Die hohe Zahl der Flüchtlinge könnte Sozialstaat und Wohnungsmarkt überlasten, und gerade Unterprivilegierte fürchten die neue Konkurrenz. Nicht unbedingt zu recht…“ Artikel von und bei Robert Misik, erschienen in Der Freitag vom 12.2.2016 externer Link. Aus dem Text: “ … Eine ganz andere Frage ist die scheinbare Konkurrenz um Sozialleistungen. An sich gibt es die nicht – da, wer Anspruch hat, eben Anspruch hat. Wenn mehr Leute Anspruch auf Sozialleistungen haben, steigen eben die Ausgaben. Doch natürlich ist es so, dass der Druck, die Kosten zu reduzieren (und damit Regelsätze etc. zu senken) steigt, wenn die Kosten hoch gehen – und dieser Druck wird von interessierter Seite, etwa unternehmensnahen Wirtschafts“forschern“, immer auch schön medial aufgebauscht. Aber auch hier gilt: Mit der Flüchtlingssituation hat das gar nicht so viel zu tun, da eine „richtige“ Wirtschaftspolitik völlig unabhängig von der Flüchtlingssituation bedeutet: Statt Sozialsysteme kaputt zu sparen und die Konjunktur abzuwürgen bräuchte es eine verstärkte Beteiligung der Vermögenden, um die soziale Krise zu bekämpfen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=92475
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