„Das wird ja wohl noch sagen dürfen“ – oder tun. Der MDR und seine „N…“, der Überfall auf Kippa-Träger: BRD heute

PRO ASYL: Rassismus verursacht tödliche VerhaltensweisenDa will ein öffentlich rechtlicher Sender tatsächlich und schamlos über ein Wort diskutieren lassen, das seit langem allgemein und – selbst beim Duden – anerkannt ein  rassistisches Unwort ist. Steigerungspotenzial vorhanden: Nicht etwa Betroffene kommen zu Wort, sondern eine Rassistin. So weit, so schlecht. Zur selben Zeit bekommen antisemitische Rapper für ihre Hetze einen Preis – und werden Kippa-Träger verprügelt. Blanker, „altmodischer“ Rassismus feiert ebenso sein Come Back wie blanker, aggressiver Antisemitismus. Was da mit der Woge rechtsradikaler Propaganda hochgespült wird, sind alte deutsche Traditionen, die sich durchaus mit jenen anderer Gesellschaften und Traditionen in Feindschaft verbinden können  – inklusive der zunehmenden Sichtbarkeit der Verbindungslinien zwischen Rechtsradikalismus und gutbürgerlicher Weltsicht. Siehe zum ideologischen Wiedergängertum in der heutigen BRD und dem Zusammenwirken verschiedener Strömungen der Reaktion sieben aktuelle Beiträge:

„Juden in Deutschland erleben bedrohliches Klima“ von Hannah Beitzer am 18. April 2018 in der Süddeutschen Zeitung externer Link zum Berliner Überfall:18 antisemitische Angriffe. Das heißt: 18 Mal anrempeln, stoßen oder Flaschen werfen. 23 Bedrohungen. 42 Sachbeschädigungen. 679 Fälle von verletzendem Verhalten. Das heißt: antisemitische Flyer, Aufkleber, Schmierereien. 185 Fälle von Massenpropaganda, die meisten davon per E-Mail. Diese Zahlen veröffentlicht die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS), just an dem Tag, an dem ein Video eines weiteren antisemitischen Angriffs in der Hauptstadt für Entsetzen sorgt. Im bürgerlichen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg haben in der Nacht zu Dienstag drei Männer einen 21-Jährigen und einen 24-Jährigen angegriffen und beschimpft. Ein Angreifer schlug mit einem Gürtel auf den 21-Jährigen ein, dabei rief er das arabische Wort für Jude: Jahudi. Das Opfer trug eine Kippa. Und filmte den Angriff. Inzwischen hat der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen. Der attackierte Mann sagte in einem Interview mit der Deutschen Welle, dass er kein Jude, sondern in Israel bei einer arabischen Familie aufgewachsen sei. Die Kippa habe er als Experiment getragen, um zu zeigen, „wie schrecklich es ist, in diesen Tagen als Jude durch Berlins Straßen zu laufen.““.

„Preisrückgabe“ am 17. April 2018 in neues deutschland externer Link ist eine Meldung über den Protest gegen die Preisverleihung an Antisemiten: „Die Gewinner des »Echo Klassik 2017« haben ihre Auszeichnung aus Protest gegen die Ehrung der Rapper Kollegah und Farid Bang zurückgegeben. Bis vor Kurzem sei der Echo für sie »der renommierteste Musikpreis Deutschlands« gewesen, erklärte das Notos Quartett aus Berlin. »Die Tatsache, dass nun ebendieser Preis offenem Rassismus eine Plattform bietet und ihn auszeichnet, ist für uns nicht tragbar.« Über die Entscheidung, »antisemitisches und menschenverachtendes Gedankengut mit einem Preis zu würdigen«, zeigten sich die Musiker »zutiefst erschüttert«“.

„Bocksgesang der Scheinheiligen“ von Jürgen Amendt am 18. April 2018 ebenfalls in neues deutschland externer Link am Ende seiner längeren Ausführungen dann über „Haftbefehl“: „Mittlerweile hat sich der 32-Jährige von diesen Zeilen distanziert und um Entschuldigung gebeten. Ob das ehrlich gemeint ist, sei dahingestellt, aber seine Erklärung für den gerade unter Jugendlichen aus arabischen und türkischen Einwandererfamilien verbreiteten Judenhass sollte man ernst nehmen. In einem Interview mit der Tageszeitung »Die Welt« (»Ich bin genauso deutsch wie mein Nachbar Marius«) sagte er Ende 2014: »Ich bin unter Türken und Arabern aufgewachsen. Da werden Juden nicht gemocht. Es gibt ja auch keine dort. Ich will Ihnen verraten, wie ein 16-jähriger Offenbacher tickt: Für den ist alles, was mächtig ist und reich, aus seiner beschränkten Sicht jüdisch. Er hängt mit anderen 16-Jährigen herum. Sie hassen alles. Deutsche sind für sie Kartoffeln.« Frei gemacht habe er sich von diesen Vorurteilen unter anderem durch die Begegnung mit Juden. Vielleicht, und dies nur so als Anregung, sollten sich all die von Guttenbergs, Maas, Kühnerts und all jene, die sich in den kommenden Tagen noch zu Kollegah und Farid Bang äußern werden und für die Auschwitz zur Drohroutine, zur Moralkeule, zur Pflichtübung und zum ritualisierten Lippenbekenntnis geworden ist, einmal Gedanken darüber machen, aus welcher sozialen Schicht jene 16-Jährigen kommen, von denen Haftbefehl sprach, und welche Erfahrungen sie mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft gemacht haben. Ein kleiner Tipp: Kinder von Bankangestellten sind eher nicht darunter“. Was das wohl rechtfertigen soll?

„Der MDR und das N-Wort“ von Robert Meyer am 20. April 2018 ebenfalls in neues deutschland externer Link zur unsäglichen „Debatte“ des ARD-Senders: „Wen würden sie in einen Polittalk einladen, wenn es um die Frage geht, ob es in Ordnung ist, jemanden als »Neger« zu bezeichnen? Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Sachsen hat sich diese Frage gestellt, darauf aber eine irritierende Antwort gefunden. Am Dienstagabend wollte der Radiosender im Rahmen seiner Sendung »#dienstagsdirekt« über politische Korrektheit und deren Sinnhaftigkeit diskutieren. Eingeladen war der ehemalige ZDF-Moderator Peter Hahne, die LINKEN-Politikerin Kerstin Köditz, der Politikwissenschaftler Robert Feustel und die frühere AfD-Chefin Frauke Petry. Falls dem ein oder anderen nicht auf Anhieb zu jedem Studiogast das jeweilige Gesicht einfällt: Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass eine der genannten Personen jemals mit dem N-Wort beleidigt wurde. Genau das ist es: eine Beleidigung. Die Debatte darüber wurde eigentlich im letzten Jahrhundert mit dem weitgehenden Konsens beendet, dass das N-Wort »im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend« gilt. So zumindest erklärt der Duden diese rassistische Bezeichnung“. Und, nachdem mehrere Absagen registriert wurden, die Frau des Abends zum Thema: „Einzig die Ex-AfDlerin Petry konnte die ganze Aufregung nicht verstehen. Via Twitter kommentierte sie die Absage der Sendung mit den Worten: »Schade, dass der MDR es nicht durchgezogen hat. Die Absagen sprechen doch eine eigene Sprache und dokumentieren den Status der Diskussionsfähigkeit.«“.

„MDR will „vorsichtiger“ mit dem „N-Wort“ umgehen“ am 18. April 2018 beim Deutschlandfunk externer Link ist eine Meldung, die es nun wahrlich auch nicht besser macht: „Nach einem Shitstorm und dem Abspringen zweier Diskussionspartner hat der MDR gestern die Sendung „Dienstags direkt“ abgesagt. MDR Sachsen hatte die Frage gestellt: „Darf man heute noch ‚Neger‘ sagen?“ Nach den Erfahrungen des gestrigen Tages werde man mit „dem N-Wort“ vorsichtiger sein, sagte Programmchef Bernhard Holfeld im Dlf“.

„Gefährliche Nachbarschaft“ von Larissa Schober am 12. April 2018 in der jungle world externer Link war ein Beitrag über rassistisches Alltagsmobbing in Weil am Rhein, von der Justiz als Nachbarschaftsstreit behandelt, in einem Verfahren, in dem der Rechts-Anwalt seine Gesinnung kund tun durfte: „Die rassistischen Motive der Taten spielten für das Urteil keine Rolle, wurden in dem Berufungsverfahren aber immerhin angesprochen. Im ursprünglichen Verfahren hatte der Richter sie ignoriert, während K.s Anwalt sie ­gänzlich abgestritten hatte. Unter anderem hatte K.s Verteidiger in seinem Abschlussplädoyer gesagt: »Wer hat sich denn nicht schon einmal ­irgendwann abfällig gegenüber Ausländern geäußert? Da müsste man ja halb Deutschland als rechtsradikal bezeichnen.«“.

„Kurden und Juden als Feindbilder“ von Peter Nowak am 17. April 2018 in neues deutschland externer Link über den staatlich geförderten Ditib-Verband: „Ismail Parmaksiz und Arslan Argun vom Komitee gegen DITIB-Aktivitäten in Berlin beschrieben, wie junge Menschen in den Moscheen mit antisemitischer und antikurdischer Ideologie indoktriniert werden. Sie erinnerten daran, dass diese damit ganz im Sinne Erdogans arbeiteten. Unter seiner Herrschaft wurde die Zahl der Moscheen und Religionsvereine in der gesamten Türkei massiv ausgeweitet. Schon als Oberbürgermeister von Istanbul verfasste Erdogan vor mehr als 20 Jahren ein Gedicht, in dem er die Moscheen als »Kasernen« und die Minarette als »Dolche« bezeichnete. Damals kostete diese offene islamistische Ansage Erdogan das Amt. Er wurde in der damals noch kemalistisch geprägten Türkei zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Viele dachten, dass Erdogans politische Karriere damit beendet wäre – sie sollten sich täuschen. Heute setzt er seine islamistische Agenda nicht nur in der Türkei, sondern über DITIB auch im Ausland um, erklärten die Kritiker während des Pressegesprächs. Manche Eltern würden ihre Kinder in die Moschee schicken, damit sie sich über die Religion informieren. Ihnen sei oft gar nicht bewusst, dass sie sie damit der Ideologie von Antisemiten aussetzen. Die Folgen seien unter anderem Mobbingkampagnen gegen jüdische SchülerInnen in Berliner Schulen, die in den letzten Wochen für Schlagzeilen sorgten. Doch auch Kinder mit kurdischen Namen seien solchen Attacken von durch Moscheen aufgehetzten SchülerInnen ausgesetzt, berichtet Ismail Parmaksiz. Sein Verband hat mittlerweile eine Unterschriftenkampagne gestartet, mit der der Einfluss von DITIB begrenzt werden soll. Die Kooperation des deutschen Staates mit DITIB müsse ebenso auf den Prüfstand gestellt werden wie die Teilnahme des Verbandes an der »Islamkonferenz«“.

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