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Die Unterstützung für Venezuelas selbsternannten Alternativpräsidenten wird (im Land) geringer – Basisgruppierungen, kritische Chavisten und linke Organisationen arbeiten am Zusammenschluss

Berliner Solidaritätsplakat gegen den Putschversuch im Ferbuar 2019Der Herr Guaidó hat durchaus nach wie vor Unterstützung: Vor allem in Washington und Brüssel. Die US-Regierung leitet ihm (faktisch: gestohlene) Hilfsgelder zu, die europäischen Regierungen preisen ihn als angeblichen Demokraten. Im Land selbst nimmt seine Unterstützung ab: Weniger, weil diejenigen, die er eine Zeit lang mobilisieren konnte, ihre Sympathien für die Maduro-Regierung entdeckt hätten, sondern vor allem, weil seinen ständigen Aufrufen und Ankündigungen eher gar nichts folgte. Dass die Situation weiterhin extrem kompliziert ist, macht auch die nach wie vor andauernde massenhafte Migration in die Nachbarländer deutlich – und die zunehmenden Versuche linker Gruppierungen und Basisbewegungen, sich zusammenzuschließen, ausgehend von einer Position der strikten Ablehnung jeglicher imperialistischer Aggression und Erpressung – aber auch einer strikten Ablehnung der Regierung Maduro. In unserer kleinen aktuellen Materialsammlung „Bekommt die Regierung Venezuelas künftig auch ein bisschen Druck von Linksunten?“ vom 19. Juli 2019 versuchen wir, diese Entwicklung etwas mehr nachvollziehbar zu machen:

 „Bekommt die Regierung Venezuelas künftig auch ein bisschen Druck von Linksunten?“

„US-Regierung will Gelder für humanitäre Hilfe zur Finanzierung von Guaidó umlenken“ von Florian Rötzer am 18. Juli 2019 bei telepolis externer Link zur imperialistischen Finanz-Aggression: „… Jetzt berichtet die Los Angeles Times, ihr sei ein Memo vom 11. Juli von USAID an den Kongress zugespielt worden. 41,9 Millionen US-Dollar, die für humanitäre Hilfe in Honduras und Guatemala vorgesehen waren, sollen nun der Opposition unter Leitung von Guaidó zugutekommen. Die Maßnahme – eine amerikanische Variante von Beeinflussungskampagnen – sei eine Antwort auf die Krise in Venezuela, wo die USA „nationale Interessen“ hätten. Guaidó und seine Organisation sollen das gesamte Geld erhalten, das dann nicht mehr für humanitäre Hilfe zur Verfügung steht, sondern mit dem direkt der amerikanische Einfluss auf Venzuela verstärkt wird, wenn damit Gehälter, Flugkosten, Training in „good governance“, Propaganda, technische Unterstützung für die Abhaltung von Wahlen oder andere demokratiebildende Projekte bezahlt werden. Im Memo wird gegenüber dem Kongress die Umwidmung der Gelder durch „unvorhergesehene Ereignisse und außergewöhnliche Umstände“ begründet. Guaidó und die Nationalversammlung müssten unterstützt werden. Es gab bereits Vorwürfe zur Verschwendung von Geldern durch Mitarbeiter von Guaidó. Insgesamt waren 370 Millionen US-Dollar an humanitäre Hilfe für San Salvador, Honduras und Guatemala vorgesehen, was auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen dient. Dass die Trump-Regierung daran nicht mehr interessiert zu sein scheint, weist daraufhin, dass die Abwehr von Migranten und der Bau der Mauer nur politisches Kalkül sind. Ein Kongressmitarbeiter sagte der Zeitung unter Bedingung der Anonymität, dass die 41,9 Millionen nur der erste Teil der „umgewidmeten“ Gelder seien: „Was sie machen, ist im Wesentlichen Geld, das den zentralamerikanischen Kindern helfen sollte, nehmen und damit die Gehälter von Guaidó und seinen Mitarbeitern und Angestellten geben...“

„Putschhilfe für Guaidó“ von Frederic Schnatterer am 19. Juli 2019 in der jungen welt externer Link zum selben Thema: „… Der Zeitpunkt der Ankündigung lässt aufhorchen. Guaidó war in den letzten Monaten nach ausbleibenden Erfolgen und mehreren Korruptionsskandalen immer mehr ins Hintertreffen geraten. Die zwischen der Regierung und Teilen der Opposition durchgeführten Gespräche in Oslo und Barbados konnte Präsident Nicolás Maduro durchaus als Erfolg verbuchen. Nun jedoch, einen Tag vor Ankündigung der Demonstration, berichtete die Los Angeles Times, dass bald neues Geld bei Guaidó eintreffen werde. Der am Dienstag (Ortszeit) erschienene Artikel bezieht sich auf ein internes Memo vom 11. Juli, das der Tageszeitung vorliege. In diesem heißt es, dass insgesamt 41,9 Millionen US-Dollar an Guaidó und seine Gefolgschaft fließen sollen. Neben den Empfängern legt das geleakte Memo auch fest, wofür der Millionenbetrag gedacht ist: Die USA übernehmen die Lohnzahlungen der Putschisten, ihre Reisekosten, Trainings in »guter Regierungsführung« und finanzieren Propaganda sowie technische Unterstützung. Notwendig geworden sei die Bereitstellung der Gelder durch »unvorhergesehene Ereignisse und außergewöhnliche Umstände«, es handle sich um eine Reaktion auf die »ernste Krise« in Venezuela, die direkte Auswirkungen auf US-Interessen habe...“

„„Keiner von beiden ist politisch legitimiert”“ in der Ausgabe 539 der Lateinamerika Nachrichten externer Link ist ein Interview von John Mark Shorack (Übersetzung: Ulrike Geier) mit dem Soziologen Edgardo Lander, der versucht in etwa gleiche Distanz zu halten, worin dieser unter anderem zum Großprojekt Arco Minero ausführt: „… Aufgrund des Preisverfalls für Erdöl und dem stetig fallenden Förderniveau hat sich die venezolanische Regierung, anstatt Wege zur Diversifizierung der Wirtschaft zu finden, erneut für den Extraktivismus entschieden. In diesem Fall für den Bergbau, denn im Gebiet des Minenbogens gibt es bedeutende Vorkommen von Eisen, Aluminium, Coltan, seltenen Erden und natürlich ganz besonders Gold. Die Regierung sieht hier also das neue El Dorado mit dem die gesunkenen Erdöleinnahmen aufgewogen werden sollen. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es einen Anstieg des illegalen Kleinbergbaus in dieser Region, der durch die Verwendung von Quecksilber nicht nur der Umwelt schadet, sondern auch negative Auswirkungen auf die dort lebenden Indigenen hat. Und nun hat die Regierung beschlossen, dies im großen Stile und unter Mitwirkung von transnationalen Unternehmen weiterzuführen. Bisher ist die multinationale Beteiligung gering. Was nicht etwa daran liegt, dass die Regierung ihnen hinsichtlich Zollauflagen, Steuern oder Protestunter­drückung nicht genug Garantien gegeben hätte, sondern weil das ganze juristisch unter sehr unsicheren Umständen stattfindet. Es verstößt gegen die Verfassung, die Rechte der Indigenen sowie Arbeits- und Umweltrecht. Und die politische Instabilität des Landes tut natürlich ihr übriges dazu. / Steht die Gründung spezieller Wirtschaftszonen im Widerspruch zur offiziellen Politik der Regierung? / Die Entstehung des Minenbogens und das neue Gesetz, das von der Verfassunggebenden Versammlung zum Schutz ausländischer Investition verabschiedet wurde, entsprechen offensichtlich neoliberalen Interessen. Und das Beharren der Regierung auf dem extraktivistischen Modell bildet keinen Widerspruch zum globalen Wirtschaftsmodell, es stellt auch keinen Bruch mit der kolonialen Unterordnung in der internationalen Arbeitsteilung und mit der Rolle dar, die Lateinamerika historisch als Rohstofflieferant zukommt. Die Konsequenzen sind Umweltzerstörung, ein hohes Gewaltaufkommen bewaffneter Gruppen, die untereinander um das Gebiet kämpfen. Es ist ein Niemandsland, in dem alle Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen werden. Die indigenen Gemeinden der Region sind stark von der Gewalt betroffen und viele müssen im Bergbau arbeiten, weil ihre Lebensgrundlage zerstört wird. Mädchen werden entführt und in den Bergbaulagern zur Prostitution gezwungen. / Welche Arten des Widerstands haben sich dagegen entwickelt? / Es gibt die Plattform gegen den Minenbogen, ein Kollektiv von jungen Leuten, die aktiv sind im Kampf für Umweltrechte, Demokratie und Indigenen-Rechte und die auch schon Kampagnen zur Analyse der Situation gemacht haben. Aber der Protest ist leider sehr schwierig. Erstens, weil es in Venezuela schon lange eine auf Rohstoffexporten basierte Ökonomie gibt. Der Großteil der Bevölkerung lebt aber in den Städten, also weit weg von den Orten der Förderung, wo all das passiert. Es ist kein kollektives Bewusstsein vorhanden, das so weit reicht, die Größe des Problems zu erkennen. Zweitens sind die alltäglichen Probleme und die politische Polarisierung so groß, dass nicht nur im privaten Alltag sondern auch in den Medien über andere Dinge gesprochen wird…“

„Venezuela: Basisorganisationen fordern Selbstverwaltung beim Wohnungsbau“ von Ricardo Vaz am 25. Juni 2019 bei amerika21.de externer Link (in der Übersetzung von Vilma Guzmán) zu einer weiteren Basis-Initiative: „… 36 Basisgruppen aus der venezolanischen Hauptstadt Caracas und dem Bundesstaat Miranda haben für die Weiterentwicklung des staatlichen Wohnungsbauprogramms demonstriert. Sie verlangten Rederecht in einer Plenarsitzung der verfassunggebenden Versammlung (ANC), um dort ihre Forderungen und Vorschläge vorzutragen. Organisiert wurde die Aktion unter anderem von den „Venezolanischen Wohnraumversammlungen“ (Asambleas Viviendo Venezolanos, AVV) und der Mieter- und Hausbesetzerbewegung. Rigel Sergent, Sprecher der Mieterbewegung, erklärte: „Wir sind der Ansicht, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise umso mehr Grund ist, der organisierten Bevölkerung zu vertrauen. Deshalb wollen wir die Debatte über ein Gesetz zur selbstverwalteten Errichtung von Häusern und Wohnungen anstoßen“. Rund 37 Prozent der mehr als 2,5 Millionen Wohnungen des Sozialprogramms „Gran Misión Vivienda Venezuela“ wurden von organisierten Basisgruppen geschaffen. Bis zum Jahr 2025 will die Regierung 5 Millionen Wohnungen für Familien mit geringem Einkommen bauen. Die Wohnraumbewegungen schlagen vor, dass ihnen die Verantwortung für 50 Prozent der gesamten Bauarbeiten übertragen wird…“

„Venezuela: Jornada de protesta obrera para acompañar trabajadores y Federación de la industria eléctrica que presentan recurso judicial“ von der Frente Nacional de Lucha de la Clase Trabajadora (FNLCT) am 17. Juli 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link dokumentiert ist ein Aktionsaufruf der neu gebildeten gemeinsamen Front linksgewerkschaftlicher Projekte, in der es um den Protest der Belegschaften in der Elektroindustrie geht: Vor dem Arbeitsministerium wollen die Gruppen demonstrieren, um damit ihre Forderung zu vertreten, das Ministerium müsse – die von ihm einseitig gekündigten – Tarifverhandlungen für die Branche wieder aufnehmen.

„Venezuela: new workers’ grouping forms against Guaidó and Maduro“ von Eduardo Tovar am 10. Juni 2019 bei Workers Liberty externer Link fasste den Prozess des Zusammenschlusses auf Ebene der Gewerkschaftsopposition zusammen, indem er über die gemeinsame Initiative folgender Organisationen berichtete: „… This alliance counts with the participation of, among others, the following workers’ leaders: Eduardo Sánchez from the university workers’ sector, president of SINATRAUCV (National Workers’ Union of the Central University of Venezuela) and FETRAESUV (Venezuelan Federation of Higher Education Administrative Workers); José Bodas, secretary general of the FUTPV (Unitary Federation of Oil Workers of Venezuela); Jairo Colmenares, fired trade union leader of the Caracas Metro; Thony Navas, president of SITRASALUD (Health Workers’ Union) in the capital district; Deyanira Romero, general secretary of the SINATRAUCV local of the Maracay campus of the Central University of Venezuela; Horacio Silva, from the oil industry; Orlando Chirino, coordinator of C-CURA (Classist, Unitary, Revolutionary and Autonomous Current); as well as the organizations Marea Socialista, Lucha de Clases, Liga de Trabajadores por el Socialismo, Izquierda Revolucionaria and the Partido Socialismo y Libertad (Socialism and Freedom Party)...“

„Izquierda chavista (¿izquierda de abajo u otro grupo vanguardia de intelectuales?) sale a la palestra y pide la palabra“ am 14. Juli 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link dokumentiert, ist ein gemeinsamer Aufruf einer Reihe linker Gruppierungen aus verschiedenen sozialen und kulturellen Bereichen, mit dem gefordert wird, Regierung und Partei müssten in einen Dialog mit den kritischen linken Sektoren des Chavismus eintreten. Dabei werden neben mehreren Transparenzforderungen und Untersuchungen etwa über die Ursachen der Produktivitätsverluste im Ölbereich auch Forderungen aufgestellt wie das „Ende der Privatisierungen“, die erklärt und unerklärt vollzogen würden.

„Plataforma de Lucha Campesina ocupa Instituto Nacional de Tierras y llaman al encuentro de los luchas de los movimientos sociales“ am 10. Juni 2019 ebenfalls bei Clajadep-LaHaine externer Link dokumentiert, ist ein Bericht über eine Aktion der Bauern und Landarbeiterfront, die gegen die gewaltsame Unterdrückung ihrer Aktionen durch angeheuerte Schläger von Großgrundbesitzern – mehrfach gemeinsam mit den Behörden – protestierten.

„Urge gran debate nacional sobre el problema de la tierra. Análisis de la ANP y La Corriente“ am 17. Juli 2019 bei Resumen Latinoamericano externer Link ist ein Beitrag über eine Aktion der Plataforma de Lucha Campesinas, die, um endlich eine Debatte über die Landfrage in Venezuela organisieren zu können, seit einigen Tagen das Hauptbüro des Nationalen Landinstituts besetzt hält – und hierbei ebenfalls, wie auch bereits in einigen der vorher angeführten Berichte, auf die Unterstützung anderer linker Oppositionsgruppen bauen kann…

Zur Entwicklung in Venezuela zuletzt: „Nach dem gescheiterten Putsch in Venezuela: Solidarität gegen imperialistische Aggression und mit dem Kampf um soziale Verbesserung“ am 03. Juni 2019 im LabourNet Germany

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151811
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