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Im Krieg der türkischen Regierung: Erfolge vor allem bei der Herstellung der „Ruhe an der Heimatfront“ – und bei der Mobilisierung des Nachschubs von Rheinmetall

Solidarität mit AfrinNur einen Tag nach ihrer Wahl sind gegen Pervin Buldan, die neue Vorsitzende der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP in der Türkei, Ermittlungen eingeleitet worden. Der Hauptvorwurf: „Terrorpropaganda“. Die Staatsanwaltschaft in Ankara ermittele wegen ihrer Rede auf dem Parteikongress am Vortag gegen Buldan, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Eine HDP-Sprecherin bestätigte den Bericht. Auf einem Parteitag in Ankara hatten 800 Delegierte am Sonntag die Abgeordnete Pervin Buldan und den Ökonom Sezai Temelli als neue Parteichefs bestimmt. Ihr Vorgänger Selahattin Demirtaş sitzt seit November 2016 in Haft. Außer gegen Buldan wird auch gegen den Schauspieler und HDP-Abgeordneten Sirri Süreyya Önder wegen „Terrorpropaganda“, „Volksverhetzung“ sowie der „Verherrlichung von Verbrechen“ ermittelt. Buldan und Önder hatten bei dem Parteitag die Militäroperation gegen die kurdische YPG in Nordwestsyrien scharf kritisiert und zu Frieden aufgerufen. Sie hatten außerdem darauf hingewiesen, dass bei dem Einsatz Zivilisten sterben, was die türkische Regierung bestreitet“ – aus dem Beitrag „Türkische Justiz ermittelt gegen neue Chefin der Oppositionspartei HDP“ am 12. Februar 2018 in der Süddeutschen Zeitung externer Link über die Reaktion der AKP-Regierung auf den Parteitag der keineswegs nur prokurdischen HDP. Siehe zum Widerstand gegen den Krieg in der Türkei und in Syrien, der Repression durch den türkischen Staat und dem Wirken seiner Nachschublieferanten fünf aktuelle Beiträge:

  • „Keine Frage der Ehre“ von Ivo Bozic am 08. Februar 2018 in der jungle world externer Link ist ein Kommentar zum Jahrestag der illegalen Inhaftierung von Deniz Yücel, der zum nationalistischen Wahn (bei weitem nicht nur) in der Türkei festhält: „Deshalb beschäftigte sich Deniz mit dem Phänomen der »Ehre«, des Beleidigtseins in der Türkei, das auch eine politische Dimension hat. Der Mörder von Hrant Dink hatte als Motiv angegeben, dass der Journalist die Türken »beleidigt« habe. 2005 war Dink von einem Gericht wegen »Beleidigung des Türkentums« verurteilt worden. Deniz diagnostizierte einen »tief in der Gesellschaft sitzenden und mit einem kollektiven Größenwahn verbundenen Minderwertigkeitskomplex, den die Landsleute bekanntermaßen oft vor aller Welt zur Schau stellen«. (…) Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat in den vergangenen Jahren diesen Komplex bis zur Lächerlichkeit zur Schau gestellt. Er war ­angeblich ständig »beleidigt«. Es ist immer dasselbe: Besonders schnell in ihrer Ehre verletzt sind jene, die über nichts verfügen, was ehrbar wäre; die weder in der Lage sind, respektvollen Umgang mit anderen zu pflegen, noch, eigene Schwächen einzugestehen. Tatsächlich sitzt Deniz auch deswegen noch immer im Knast. Erdoğan will sich als starke, gnadenlose Siegertype inszenieren – dies jedoch nicht nur aus Egomanie. Es geht bei seinem nationalen, neoosmanischen Größenwahn nicht um Gefühlsduselei, sondern um knallharte Politik. Und Deniz ist eine Geisel, die für den Despoten nun, da er auch noch einen neuen Krieg vom Zaun gebrochen hat, noch wertvoller geworden ist. Einmal hat die Türkei bereits vergeblich versucht, das Faustpfand einzulösen, sie wird es nun nicht leichtfertig herausrücken – aber, so müssen wir als Freunde und Kollegen von Deniz wohl ­hoffen, es irgendwann doch gezielt einsetzen, am besten bald. Auf ein rechtsstaatliches Verfahren zu hoffen, wäre naiv“.
  • „Der deutsche Rüstungskonzern und der Erdogan-Freund“ von Hans-Martin Tillack bei „Stern Exklusiv“ externer Link informiert über aktuellste Kriegsgeschäfte: „Ethem Sancak ist nicht einfach nur ein Parteifreund des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Nein, Sancak ist sein glühender Bewunderer. Er sei ihm in „göttlicher Liebe“ verbunden, sagte er einmal. Und mit solch einer Haltung kann man es in Erdogans Türkei weit bringen. In den vergangenen Jahren verkaufte der türkische Staatsfonds an den früheren Journalist Sancak erst einige Zeitungen und dann ein ganzes Unternehmen zum Bau von Lastwagen und Militärfahrzeugen. Im Namen dieser Firma – sie heißt BMC – besuchte Sancak offenbar am 9. Januar die Firmenzentrale des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall in Düsseldorf. So schilderten es jetzt Eingeweihte gegenüber dem stern und dem ARD-Magazin „Report München“. Mit Rheinmetall ist der türkische Unternehmer schon seit eineinhalb Jahren über ein Joint Venture in Ankara verbunden, das inzwischen mehrere Dutzend Mitarbeiter hat. Bereits im vergangenen Jahr bezog das Gemeinschaftsunternehmen ein dreistöckiges Bürogebäude im Regierungsviertel von Ankara und ließ es mit einem mehr als mannshohen Zaun sichern – gekrönt von Stacheldraht“.
  • „Spannung bei Rheinmetall“ von René Heilig am 14. Februar 2018 in neues deutschland externer Link zu den Anstrengungen bundesdeutscher Fabrikanten von Tötungswerkzeug in Konkurrenz zu jenen der USA und Großbritanniens: „Nach Beginn der türkischen Offensive ruderte der deutsche Außenminister dann auch zurück. »Mit der Beratung von kritischen Vorhaben« werde man bis zur Bildung einer neuen Regierung warten. Doch da hatte man längst Nägel mit Köpfen gemacht. Am 9. Januar, vier Tage nach dem Treffen der beiden Außenminister, reiste offenbar eine Delegation des türkischen Unternehmens BMC nach Düsseldorf und unterzeichnete bei Rheinmetall eine Vereinbarung über die Nachrüstung. Die Eile hat einen Grund. Schließlich geht Rheinmetalls Türkei-Interesse weit über die Nachrüstungspläne hinaus. Präsident Erdogan möchte, dass die Industrie seines NATO-Landes selbst Panzer baut – für die eigenen Streitkräfte wie für den Weltmarkt. Rheinmetall kann dabei eine führende Rolle spielen. Bereits im Oktober 2016 hat die Düsseldorfer Rüstungsfirma in Ankara ein Tochterunternehmen namens BMC Defense Industry – kurz RBSS – gegründet. Es ist – nach bekanntem Muster – eine Joint-Venture-Konstruktion. Es geht um den Bau des türkischen Kampfpanzers »Altay«. BMC gehört dem Unternehmer und Erdogan-Freund Ethem Sancak. Schon deshalb gilt die Firma als Favoritin für den Auftrag. Doch auch Konkurrent FNSS buhlt um den Milliarden-Dollar-Vertrag für die Serienproduktion eines ersten Loses von 250 »Altays«. Der Dritte im Bunde ist Konkurrent Otokar. Die türkische Firma hat einst nur Busse gebaut auf Lizenzbasis von Magirus-Deutz. Alle drei Bewerber haben am 8. Februar ihre endgültigen Angebote an die Rüstungsbehörde SSM geschickt. Es wird erwartet, dass die Regierung in Ankara ihre Entscheidung über das »Altay«-Programm innerhalb von zwei Monaten bekannt geben wird“.
  • „Bleibt Erdogan stur, wird es fürchterlich“ von Maximilian Popp am 13. Februar 2018 bei Spiegel Online externer Link hält zum Kriegsverlauf fest: „Verfolgt man türkische Medien, entsteht der Eindruck, der Militäreinsatz der Türkei in der syrischen Provinz Afrin verlaufe reibungslos. Ständig sind türkische Soldaten zu sehen, die Dörfer oder Hügel erobern und irgendwo eine Fahne hissen. Beobachter vor Ort zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild: Die Offensive der Türkei geht nicht recht voran. Türkische Soldaten sind bald einen Monat nach Beginn der „Operation Olivenzweig“ nicht weit über die türkisch-syrische Grenze hinausgekommen. Die Zahl der Toten steigt auch auf türkischer Seite mit jedem Tag. Nach Angaben des Generalstabs sind bislang 31 türkische Soldaten in dem Krieg ums Leben gekommen. Die Regierung in Ankara war offensichtlich davon ausgegangen, dass der Einsatz in Afrin ähnlich ablaufen würde wie die Operation „Schutzschild Euphrat“, bei der die türkische Armee innerhalb kurzer Zeit Grenzgebiete vom „Islamischen Staat“ einnahm. Sie hat nicht damit gerechnet, dass die kurdische Miliz YPG derart vehement Widerstand leisten würde“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=127965
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