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Namibia geht gegen Leiharbeit an

Artikel von Herbert Jauch vom 30 September 2013

Am 27. Juni dieses Jahres traf der “High Court” in Namibia’s Hauptstadt Windhoek ein Urteil, das nicht nur fuer Namibia’s Leiharbeiter von grosser Bedeutung ist.  Das Gericht befand, dass die strengen Regeln, die gesetzlich fuer Leiharbeiterfirmen vorgeschrieben wurden, keinesfalls irrational seien und auch nicht gegen die Rechte von Leiharbeiterfirmen verstoessen.  Die Bedeutung dieses Urteils wird erst vor dem Hintergrund der Arbeitsgeschichte Namibia’s verstaendlich und wird in diesem Artikel skizziert.

Waehrend der Kolonialzeit war Namibia zuerst als deutsche und dann als suedafrikanische Kolonie von der Ausbeutung der einheimischen Arbeiter gekennzeichnet.  Besonders gravierend was das System der Wanderarbeiterschaft, unter dem junge Maenner aus dem Norden des Landes in die Minen, Fischereibetriebe und auf die weissen Farmen des Landes geschickt wurden.  Nach der Unabhaengigkeit im Jahre 1990 versuchte die SWAPO-Regierung dann mehr sozialdemokratisch gepraegte Arbeitsbeziehungen aufzubauen mit festgelegten Grundrechten fuer alle Arbeitnehmer/innen. Trotz Fortschritten in einigen Bereichen war die Umsetzung oft sehr schwierig und von heftigem Widerstand einiger Arbeitgeber begleitet, die um ihre Macht fuerchteten.  Ein besonderer Rueckschlag fuer die Errungenschaften der Gewerkschaften war dann das Auftauchen von Leiharbeitsfirmen, die sich Ende der 90er Jahre in Namibia breitmachten.  Festangestellte Arbeiter wurden durch solche Leiharbeiter ersetzt und erhielten nur einen Bruchteil der vorigen Loehne.

So machten die Gewerkschaften dagegen mobil und brachten das Arbeitsministerium dazu, eine landesweite Studie ueber die Auswirkungen der Leiharbeit in Namibia in Auftrag zu geben.  Diese wurde vom Arbeitsforschungsinstitut LaRRI im Jahr 2006 durchgefuehrt.  Diese Studie zeigte, dass Namibische Leiharbeitsfimen ins globale Bild passten.  Die Klienten der Leiharbeitsfimen benutzten Leiharbeiter, um Streiks zu unterwandern, um ihre Flexibilitaet zu erweitern (genauer gesagt, um Arbeiter problemlos entlassen zu koennen), um sich von Disziplinarverfahren und ihrer sozialen Pflichten gegenueber Angestellten zu entledigen.  Die Nutzung von Leiharbeitern trug auch dazu bei, die Gewerkschaften fernzuhalten.

Andererseits trug Leiharbeit nicht zur Arbeitsplatzbeschaffung bei, denn die eigentliche Arbeit fand immer bei den Klientenfirmen statt.  Leiharbeiterfirmen operierten also lediglich als Mittelmaenner, die einen erheblichen Teil der Arbeiterloehne fuer sich in Anspruch nahmen, aber gar nichts zur wirtschaftlichen Wertschoepfung beitrugen.

Die LaRRI-Studie wurde zuerst im Arbeitsministerium diskutiert und dann im Namibischen Parlament, wo die Abgeordneten beschlossen, dass Leiharbeiterfirmen in Namibia nicht erlaubt sein sollten, weil sie so schaedigend fuer die betroffenen Arbeiter sind.  Namibia’s neues Arbeitsgesetz von 2007 enthielt daher einen Paragraphen, der sagte, dass niemand eine Person anstellen duerfe mit dem Ziel, diese Person fuer jemanden anderen arbeiten zu lassen.

Die Gewerkschaften unterstuetzten diesen Paragraphen im Arbeitsgesetz, aber Arbeitgeber gingen dagegen gerichtlich vor und behaupteten, dass ihr grundgesetzliches Recht angegriffen werde.  Im November 2008 gab es den ersten Gerichtsentscheid, der befand, dass das Verbot der Leiharbeit rechtens sei.  Die Arbeitgeber gingen dann in Berufung und der hoechste Gerichtshof entschied im Dezember 2009, dass das generelle Verbot zwar verfassungswidrig sei, dass die Regierung aber das Recht habe, bindende Richtlinien aufzuerlegen.

Das Arbeitsministerium bereitete dann solche Richtlinien vor, die als Teil des  “Labour Amendment Act of 2012” im Parlament verabschiedet  wurden.  Dieses Gesetz besagt, dass Leiharbeiter nicht zu schlechteren Bedingungen angestellt werden duerfen, als ihre Kollegen mit festen Stellen.  Auch alle anderen Arbeiterrechte und Mindestbedingungen muessen fuer Leiharbeiter eingehalten werden. Die Regierung und Gewerkschaften hoffen, dass diese Vorschriften nun auch den Anreiz fuer die Nutzung von Leiharbeitern einschraenken.  Das Gerichturteil vom 27 Juni 2013 macht daher den Weg frei, die Leiharbeitspraxis zu regeln und zu reduzieren.

Im August 2013 kam es dann zur ersten Anerkennung einer namibischen Gewerkschaft durch die groesste Leiharbeiterfirma des Landes, APS (Africa Personnel Services). Sie unterzeichnete eine Anerkennungsvereinbarung mit der Gewerkschaft fuer Gross und Einzelhandel (Namibia Wholesale and Retail Workers Union -NWRWU) und hat damit diese Gewerkschaft zum  offiziellen Vertreter ihrer Angestellten gemacht.  Die gesetzlichen Beschraenkungen und Vorgaben fuer Leiharbeitsfirmen bleiben aber bestehen und die NWRWU hat nun zusaetzlich das Recht, fuer bessere Arbeitsbedingungen bei APS zu verhandeln, wie es auch an vielen anderen Arbeitsplaetzen ueblich ist.

Das von Gewerkschaften gewuenschte Verbot von Leiharbeit in Namibia ist somit nicht zu Stande gekommen, aber wenigstens gibt es einen klaren rechtlichen Rahmen, der besagt, dass Leiharbeiter/innen nicht schlechter verdienen duerfen, als festangestellte Arbeiter/innen, die die gleiche oder aehniche Arbeit verrichten.  Gewerkschaften und das Arbeitsministerium muessen nun sicherstellen, dass diese Verpflichtung eingehalten wird und damit der wirtschaftlichen Anreiz zur Nutzung von Leiharbeitern deutlich reduziert wird.  Der Kampf gegen solche Praktiken geht sicherlich weiter, aber falls es Namibia gelingt, die Leiharbeit deutlich einzuschraenken, waere das ein wichtiges weltweites Signal, naemlich, dass es auch im Zeitalter der Globalisierung moeglich sein muss, gegen entwuerdigende und ausbeuterische Praktiken anzugehen.  Die COSATU Gewerkschaften in Suedafrika fordern seit Jahren die Abschaffung der Leiharbeit und verfolgen die Entwicklungen in Namibia mit grossem Interesse.

Herbert Jauch war Gruendungsdirektor des Arbeitsforschungsinstitute LaRRI und war fuehrend and der Studie ueber Leiharbeit in Namibia beteiligt.  Er arbeitet jezt als freischaffender Arbeitsforscher in Namibia.

Siehe zum Hintergrund:

  • Labour Hire in Namibia: The right to do business versus workers’ rights
    The issue of labour hire in Namibia, i.e. the usage of labour brokers to employ workers, has been topic of heated debate in Namibia since the late 1990s, when workers demonstrated against labour hire companies in Walvis Bay. Research undertaken by the Labour Resource and Research Institute (LaRRI) in 1999 provided a first picture of labour hire practices in Namibia.  It pointed to some of the reasons why companies use labour hire workers and to the conditions of employment offered at such companies.  Trade unions and some politicians called for legislation to outlaw such companies and during the congress of the National Union of Namibian Workers (NUNW) in 2006, union leaders as well as President Hifikepunye Pohamba stated that labour hire was reminiscent of the colonial migrant labour system and should therefore be abolished…” Article by Herbert Jauch, May 2012 

Siehe zum Abkommen zwischen der Leiharbeitsagentur APS (Africa Personnel Services) und der Gewerkschaft für Groß- und Einzelhandel (NWRWU): Auch in Namibia: Sozialpartnerschaft für Leiharbeit

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=45282
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