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[Kinofilm „Machines“] ArbeiterInnen in der indischen Textilindustrie: Ein Martyrium. Das Widerstand hervorruft

Kinofilm "Machines"Laut und grau – das ist der erste Eindruck vom Inneren einer Textilfabrik im indischen Bundesstaat Gujarat. Es ist eine Fabrik von vielen in einem großen Industriegebiet. Der Dokumentarfilm, den der indische Regisseur Rahul Jain allein mit seinem mexikanischen Freund und Kameramann Rodrigo Trejo Villanueva gedreht hat, zeigt in langen, ruhigen Einstellungen den Alltag der Arbeiter. Die Männer tragen schwere Lasten, räumen Waschmaschinen ein und aus, die so groß sind, dass sie dazu selbst hineinsteigen müssen. Sie befeuern Öfen, aus denen Flammen schlagen und dunkler Rauch quillt. Tonnen mit Textilfarben werden mühsam bewegt, Kinder schöpfen daraus kleinere Mengen ab. Stoffbahnen laufen durch riesige Maschinen, von Hand kontrolliert und dirigiert. Auch an einer Färbestraße wird von Hand nachgebessert. Es zischt und dampft, die Arbeiter sind dem ohne jeden Schutz ausgeliefert, laufen in Plastiksandalen über den aufgeweichten Boden, kommen den Maschinen oft bedenklich nahe…“ – so beginnt die Filmbesprechung „Machines – Menschenschinderei in einer indischen Textilfabrik“ von Elisabeth Voss in der Ausgabe Dezember 2017 der Zeitschrift Contraste, hier im Vorabdruck bei LabourNet Germany – mit Dank an Redaktion und Autorin. Siehe neben der Besprechung weitere Infos zum Dokumentarfilm sowie den Trailer des Films bei labournet.tv – und den Verweis auf die Berichterstattung des LabourNet Germany über den letzten großen Streik in der indischen Textilindustrie:

Filmbesprechung:

Machines – Menschenschinderei in einer indischen Textilfabrik

Laut und grau – das ist der erste Eindruck vom Inneren einer Textilfabrik im indischen Bundesstaat Gujarat. Es ist eine Fabrik von vielen in einem großen Industriegebiet. Der Dokumentarfilm, den der indische Regisseur Rahul Jain allein mit seinem mexikanischen Freund und Kameramann Rodrigo Trejo Villanueva gedreht hat, zeigt in langen, ruhigen Einstellungen den Alltag der Arbeiter. Die Männer tragen schwere Lasten, räumen Waschmaschinen ein und aus, die so groß sind, dass sie dazu selbst hineinsteigen müssen. Sie befeuern Öfen, aus denen Flammen schlagen und dunkler Rauch quillt. Tonnen mit Textilfarben werden mühsam bewegt, Kinder schöpfen daraus kleinere Mengen ab. Stoffbahnen laufen durch riesige Maschinen, von Hand kontrolliert und dirigiert. Auch an einer Färbestraße wird von Hand nachgebessert. Es zischt und dampft, die Arbeiter sind dem ohne jeden Schutz ausgeliefert, laufen in Plastiksandalen über den aufgeweichten Boden, kommen den Maschinen oft bedenklich nahe.

Die meiste Zeit sind nur Fabrikgeräusche zu hören. Keine Musik, nur selten Interviews, die deutsch untertitelt sind. Ein Arbeiter betont, dass er nicht ausgebeutet wird, denn er sei doch freiwillig hier. Eintausendsechshundert Kilometer ist er mit dem Zug gefahren – 36 Stunden im Stehen, weil es so voll war – um hier arbeiten zu können. Jetzt möchte er ein bisschen Geld sparen, damit er seine Kinder zur Schule schicken kann. Dafür arbeitet er hintereinander in mehreren Schichten, fast ohne Pause. Ein Junge erzählt, dass er am liebsten umkehren und weglaufen würde, wenn er morgens ans Fabriktor kommt. Es ist quälend zuzuschauen, wie ein anderer Junge an einer Maschine kaum die Augen offen halten kann, immer wieder einnickt, zusammensackt, sich mit einem Ruck wieder aufrichtet und versucht, wach zu bleiben.

Die Arbeitskräfte werden über einen Subunternehmer angeworben, der seine Macht sichtlich genießt. Von ihm sind sie abhängig, er kümmert sich um sie, entscheidet wer einen Job bekommt, und wenn sie mal Geld brauchen, gibt er ihnen etwas. Den Fabrikbesitzer kennen die Arbeiter nicht. Treuherzig erzählt er dem Filmemacher, dass die Arbeiter heute zehnmal mehr verdienen als damals, vor zwölf Jahren, als es begann mit der Fabrik. Damals seien sie dankbar gewesen. Heute wären sie entspannt, würden sich nicht mehr um Probleme in der Produktion kümmern. Würde er ihnen mehr Lohn zahlen, dann würden sie es nur für Tabak oder Alkohol ausgeben.

Ein besser gekleideter Herr ausserhalb der Fabrik – vielleicht ein Gewerkschafter – erläutert, dass es den Arbeitern so schlecht geht, weil sie sich nicht organisieren. Dies würde allerdings auch verhindert. Sobald sich in einer Fabrik eine Gewerkschaftsinitiative gründet, würden die Besitzer versuchen herauszufinden, wer das angefangen hat, und die Initiatoren dann einfach umbringen.

Der Film endet damit, dass einige Arbeiter aus einer großen Gruppe heraus in Richtung des Filmemachers fragen, warum er sie filmt. Will er ihnen helfen? Oder ist er so wie alle anderen, die kommen und dann wieder gehen? Er soll ihnen sagen, was sie tun können, sie würden ihm folgen, um ihre Situation zu verbessern.

Filmemacher Rahul Jain verzichtet darauf, selbst im Bild zu erscheinen oder zu kommentieren, auch seine Interviewfragen sind nicht zu hören. Er lässt die Aufmerksamkeit bei den Arbeitern und seinen weiteren Gesprächspartnern. Frauen kommen in dem Film nicht vor. Im Gespräch nach der Vorführung berichtet Jain, dass der Bildband „Workers“ von Sebastião Delgado ein Vorbild für seinen Film war. Er möchte die Bilder sprechen lassen und den Sound der Fabrik, denn „Was du siehst, das glaubst du, was du hörst, das fühlst du“.

Den Namen der Fabrik verrät der Regisseur nicht, denn sie ist kein skandalöser Einzelfall, sondern steht für unzählige andere. Sie produzieren alle für große internationale Textilketten. Der Film beeindruckt durch den direkten Einblick, den er in diese menschenunwürdige Arbeitswelt gibt. Ihm ist eine weite Verbreitung nicht nur in Kinos, sondern auch bei Gewerkschaften und NGOs zu wünschen, denn er zeigt das, was gerne geleugnet wird, hautnah.

Elisabeth Voß (www.elisabeth-voss.de externer Link)
Die Filmbesprechung erscheint im Dezember 2017 in CONTRASTE – Monatszeitung für Selbstorganisation (www.contraste.org externer Link) – wir danken Redaktion und Autorin für den Vorabdruck!

  • Der Film: Machines, Dokumentarfilm von Rahul Jain, Indien/ Deutschland/ Finnland 2017, 71 Minuten, Verleih: Pallas Film, Kinostart: 9. November 2017 http://machines-themovie.com/ externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124257
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