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Die französische Polizei und der Front National: Gemeinsam gegen Sozialproteste

Pariser Alltag Dezember 2015Beinahe hätte man also sagen können, dass die extreme Rechte in Frankreich sich zwar mit viel sozialer Demagogie als Alternative zum Bestehenden darzustellen versucht, aber im aktuellen Kontext zugespitzter klassenpolitischer Konflikte – rund um die geplante, für die Lohnabhängigen höchst regressive „Reform“ des Arbeitsrechts – keine soziale Bewegung unterstützt. Aber nur beinahe. Denn nun findet sich doch zumindest eine Bewegung, die rückhaltlos vom FN unterstützt wird. Am vorigen Mittwoch, den 18. Mai 16 demonstrierten, je nach Angaben, zwischen 1.000 (laut Innenministerium) und 7.000 (laut Polizeigewerkschaften) Polizistinnen und Polizisten in Paris, und in sechzig weiteren französischen Städten fanden Kundgebungen statt. Mehrere Polizeigewerkschaften, deren Einschätzungen und Forderungen nicht genau deckungsgleich sind, hatten dazu aufgerufen. Ihr Protest stand unter dem Motto Contre la haine anti-flics, ungefähr: „Gegen den Bullenhass“…“ – aus dem Beitrag „Der Front National findet eine, nun ja, soziale Bewegung völlig nach seinem Geschmack“ von Bernard Schmid (ursprünglich in gekürzter Fassung unter dem Titel  „Opfer in Uniform“ am 26. Mai 2016 in der Jungle World):

Der Front National findet eine, nun ja, soziale Bewegung völlig nach seinem Geschmack

Zeiten sozialer Auseinandersetzungen sind keine angenehmen Perioden für den Front National (FN). Als Partei, die seit ihrer Gründung 1972 – jedenfalls auf nationaler Ebene – stets Oppositionskraft war, kann sie kaum die Regierung unterstützen, da es ihrer Agitation gegen die „Altparteien“ den Boden entziehen würde. Aber auch Gewerkschaften und soziale Bewegungen, zumal wenn Linke in ihnen eine Rolle spielen, kann die neofaschistische Partei kaum ihre Unterstützung antragen, zumal sie zurückgewiesen würde.

Beinahe hätte man also sagen können, dass die extreme Rechte in Frankreich sich zwar mit viel sozialer Demagogie als Alternative zum Bestehenden darzustellen versucht, aber im aktuellen Kontext zugespitzter klassenpolitischer Konflikte – rund um die geplante, für die Lohnabhängigen höchst regressive „Reform“ des Arbeitsrechts – keine soziale Bewegung unterstützt. Aber nur beinahe. Denn nun findet sich doch zumindest eine Bewegung, die rückhaltlos vom FN unterstützt wird.

Am vorigen Mittwoch, den 18. Mai 16 demonstrierten, je nach Angaben, zwischen 1.000 (laut Innenministerium) und 7.000 (laut Polizeigewerkschaften) Polizistinnen und Polizisten in Paris, und in sechzig weiteren französischen Städten fanden Kundgebungen statt. Mehrere Polizeigewerkschaften, deren Einschätzungen und Forderungen nicht genau deckungsgleich sind, hatten dazu aufgerufen. Ihr Protest stand unter dem Motto Contre la haine anti-flics, ungefähr: „Gegen den Bullenhass“, und richtete sich gegen die militanten Auseinandersetzungen am Rande der Demonstrationen gegen das geplante „Arbeitsgesetz“, die sich seit Mitte März dieses Jahres häufen.

In Paris hatten die Polizisten die place de la République, also den seit dem 31. März allabendlich eingenommenen Ort der Platzbesetzerbewegung, symbolbewusst als Ausgangsort für ihre Demonstration gewählt. Davon war vielfach ein erhebliches „Eskalationsrisiko“ erwartet worden, zumal in den Banlieues verankerte  Kollektive gegen Polizeigewalt dort eine Gegenkundgebung angemeldet hatten. Letztere wurde jedoch zwei Stunden vor ihrem geplanten Beginn per Einstweilige Verfügung verboten. Auf den Platz konnte nur, wer einen Polizei- oder einen gültigen Presseausweis vorweisen konnte.

Dieses Zugangsproblem hatten die beiden Abgeordneten des FN in der französischen Nationalversammlung, Marion Maréchal-Le Pen und Gilbert Collard, jedoch nicht. Dank ihrer Parlamentsausweis können Abgeordnete überall Zutritt einfordern, auch etwa in Haftanstalten. Auf dem Platz waren sie vielfach umworben: Auffällig viele Polizisten wollten sich etwa für ein „Selfie“ mit der jungblonden Marion Maréchal-Le Pen photographieren lassen.

Im Vorfeld hatte der Front National auch Nichtpolizisten zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Ebenso wie andere rechtsextreme Strukturen, darunter die „Jüdische Verteidigungsliga“ (LDJ), die historische Verbindungen zu den rechtesten Polizeigewerkschaften wie der FPIP (Unabhängige Berufsföderation der Polizei) aufweist. Auch die nationalkatholische rechtsextreme AGRIF oder „Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für den Respekt der französischen Identität“ unter Bernard Antony, ein ausgetretenes Ex-Mitglied des FN, rief dazu auf, „unsere Ordnungskräfte zu unterstützen“. Letztendlich konnten jedoch keine Zivilisten auf den Platz der Auftaktkundgebung gelangen, da die uniformierten Kollegen der protestierenden Polizisten ihre Berufsausweise verlangten.

Die Unterstützung für die Polizei als angebliches Hauptopfer der, vor allem in Paris sowie in Städten wie Rennes, Nantes und Toulouse auch militant ausgetragenen Proteste ist seit Wochen eine Konstante beim Front National. Ende April 16 postete etwa Wallerand de Saint-Just, der frühere Rechtsanwalt von Ex-Parteichef Jean-Marie Le Pen sowie Spitzenkandidat der Partei bei den Regionalparlamentswahlen im Dezember – bei ihnen sollen 51 Prozent der Polizeibeamten für den FN gestimmt haben -, bei Twitter eine Nachricht unter dem Titel: „Solidarisch bin ich mit ihm!“ Das daneben stehende Bild zeigte einen blutend am Boden liegenden Polizisten in Uniform. Leider nur kam die Presse dahinter, dass die Aufnahme gar nichts mit den Demonstrationen vom selben Tage oder auch aus den Wochen zuvor zu tun hatte. Denn sie stammte von einem Polizisten, der zwei Jahre davor in Thailand verletzt worden war [1].

Am Freitag, den 20. Mai 16 hat sich seine Parteivorsitzende Marine Le Pen nun für ein Verbot sämtlicher Demonstrationen ausgesprochen, „so lange der Ausnahmezustand gilt“ [2]. Letzterer wurde soeben vom Parlament zum dritten Mal, und bis zum 26. Juli dieses Jahres verlängert [3].

Marion Maréchal-Le Pen & die Monarchie

Dieselbe  Marion Maréchal-Le Pen, die bei den „republikanischen“ Polizeigewerkschaften auftrat (vgl. nebenstehenden Artikel), lobt seit jüngstem nun auch die monarchistischen Ideen. Am Samstag, den 07. Mai 16 nahm sie an einem Kolloquium der seit 1905 bestehenden Vereinigung Action française teil – welche ihre Blütephase in den 1920er und 1930er Jahren unter Charles Maurras erlebte, als nationalistisch-antisemitische, monarchistische und präfaschistische Bewegung. In Frankreich kommt dem Monarchismus aus historischen Gründen (aufgrund der hohen Bedeutung des geschichtlichen Einschnitts von 1789 und des darauffolgenden Sturzes der Monarchie durch die bürgerliche Revolution) eine gewisse ideologische Sprengkraft zu; er ist nicht bloß eine Angelegenheit für von Nostalgie triefende Artikel in Regenbogenzeitschriften angesichts britischer Prinzenhochzeiten. Er ist vielmehr ein Einfallstor für konterrevolutionäre Bewertungen der französischen bürgerlich-revolutionären Geschichte. Die monarchistische und/oder katholisch-fundamentalistische Anti-1789-Strömung war immer eines der Segmente der französischen extremen Rechten, die ein Konglomerat bildet, jedoch nie das einzige (die „nationalrevolutionäre“ Strömung ist ihr etwa in ihren ideologischen Prämissen z.T. entgegengesetzt). Insofern ist die monarchistische Unterströmung nur ein Bestandteil eines breiteren ideologischen Ensembles.

Das Kolloquium der Action française, an welchem die junge FN-Abgeordnete aus der Nationalversammlung teilnahm, stand unter dem Motto „Ich bin Royalist, warum nicht auch Sie?“ Neben Marion Maréchal-Le Pen nahm auch Robert Ménard daran teil, welcher – als Parteiloser, jedoch mit Unterstützung des FN und auf einer von ihm aufgestellten Listen – 2014 zum Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers gewählt wurde. Die 26jährige Marion Maréchal-Le Pen erklärte aus diesem Anlass, sie selbst teile „nicht alle“ Ideen ihrer Gastgeber von der Action française, fügte jedoch hinzu: „Der Front National ist die monarchistischste unter den französischen politischen Parteien.“ [4]

Bernard Schmid, 26. Mai 2016
(ursprünglich in gekürzter Fassung unter dem Titel  „Opfer in Uniform“ am 26. Mai 2016 in der Jungle World)

Anmerkungen:

[1] Vgl. http://lelab.europe1.fr/wallerand-de-saint-just-denonce-les-violences-faites-aux-policiers-en-relayant-la-photo-dun-policier-thailandais-datant-de-2014-2732425 externer Link und http://www.lemonde.fr/les-decodeurs/article/2016/05/02/les-fausses-photos-d-incidents-dans-les-manifestations-contre-la-loi-travail_4912178_4355770.html externer Link

[2] http://www.revolutionpermanente.fr/Marine-Le-Pen-souhaite-l-interdiction-de-toutes-manifestations-La-reaction-a-son-summum externer Link

[3] Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2016/05/19/97001-20160519FILWWW00147-le-parlement-prolonge-l-etat-d-urgence-2-mois.php externer Link

[4] Vgl. http://www.24matins.fr/marion-marechal-pen-se-rapproche-mouvements-royalistes-320109 und http://actu.orange.fr/politique/fn-marion-marechal-le-pen-flirte-avec-les-royalistes-leparisien-CNT000000oh12p.html externer Link oder http://www.rfi.fr/france/20160508-france-quand-marion-marechal-le-pen-s-affiche-anti-monarchistes externer Link sowie http://www.leparisien.fr/politique/marion-marechal-le-pen-a-un-congres-de-l-action-francaise-07-05-2016-5775285.php externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=98813
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