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Frankreichs umkämpfte Arbeitsrechts-„Reform“. Teil 4: Der Dreck muss vom Tisch…

Frankreich 2016: Loi travail: non, merci!Im vierten Beitrag seiner aktuellen Serie zur sogenannten Reform des Arbeitsrechtes der Regierung Hollande/Valls – verfasst am Morgen des 9. März, dem Tag der landesweiten Mobilsierung dagegen – macht Bernard Schmid deutlich, wie die Opposition gegen das Machwerk sich differenziert: Zwischen jenen, die „Verbesserungen“ wollen und jenen, die das Projekt vom Tisch fegen möchten. Worüber nicht zuletzt der heutige Tag entscheiden wird.

Frankreichs umkämpfte Arbeitsrechts-„Reform“. Teil 4: Der Dreck muss vom Tisch…

Bernard Schmid am 9. März 2016

Der heutige Mittwoch, der 09. März dürfte zum entscheidenden Tag in der Auseinandersetzung um die umstrittenen, üblen und regressiven Pläne zur „Reform“ des französischen Arbeitsrechts werden. Entweder wird die Mobilisierung zum Straßenprotest ein Erfolg, und zum ersten Mal in dieser Amtszeit (seit Mai 2012) kann eine soziale Bewegung „von unten und von links“ die rechtssozialdemokratische Regierungsmafia unter François Hollande und Manuel Valls unter Druck setzen. Oder aber er wird zum Halb- oder gar zum Misserfolg, und dann wird man sich in Frankreich warm anziehen müssen, denn die kommende Regierung (ab 2017) wird ohne Zweifel noch rechter als die jetzige werden. Leider findet der Protesttag am witterungsmäßig schlechteste Tag der laufenden Vierzehn-Tage-Periode statt. Dennoch könnte er zum Erfolg werden. Allein in der Region Bretagne etwa sind 13 Demonstrationen geplant.  (Vgl.“Bretagne. 1 TER sur 2, 1 TGV sur 3, 13 manifsexterner Link)

Der, zunächst aus anderen (unternehmensinternen) Gründen geplante Streik bei den Verkehrsbetrieben am heutigen Mittwoch ist bei der Bahngesellschaft SNCF bereits erfolgreich. Währenddessen ist allerdings der Verkehr bei der Pariser Metro- und Busbetreibergesellschaft RATP am Mittwoch so gut wie normal, obwohl auch deren Beschäftigte von CGT und SUD zum Streik aufgerufen sind.
In Paris wird zunächst am späten Vormittag eine Protestaktion von jüngeren und/oder radikaleren Kräften vor dem Sitz des Arbeit„geber“verbands MEDEF stattfanden. Am Nachmittag ab 14 Uhr ist eine Demonstration anberaumt, die von der Place de la République ausgehen wird.
Zuerst waren es Jugend- und Studierendenverbände, die ab Februar – und seit dem Bekanntwerden des offiziell Arbeitsminister Myriam El-Khomri zugeschriebenen, real von Premierminister Manuel Valls diktierten Gesetzentwurfs – zum Protest aufriefen. Die beiden Gewerkschaftsdachverbände CGT und FO (der stärkste und der drittstärkste) folgten jedoch und rufen ebenfalls dazu, auf, ebenso wie der Zusammenschluss von Basisgewerkschaften Union syndicale Solidaires.
Ein Treffen von insgesamt neun Gewerkschaftsverbänden und -zusammenschlüssen am 03. März 16 endete insofern ergebnislos, als sich zwei Blöcke herausschälten. Auf der einen Seite steht ein Block um die CGT, der einen Rückzug der Reform fordert und zunächst zum Streiken am 31. März aufrief (inzwischen gesellten sich CGT und FO zusätzlich auch den Aufrufen für den heutigen 09. März hinzu). Auf der anderen Seite befindet sich ein Viererbündnis rund um die CFDT (den zweitstärksten Gewerkschaftsdachverband), zusammen mit der CFTC (Christenheinis), der CGC (Gewerkschaft der höheren Angestellten) und der UNSA („reformerisch“ und „unpolitisch“). Diese Verbände fordern „Verbesserungen“ am Textentwurf, nicht jedoch seinen Rückzug. Am umfallfreudigsten ist dabei von vornherein die CFDT. Sogar der – kleinere und rechtere – christliche Gewerkschaftsverband CFTC muss verbal ein kleines bisschen radikaler auftreten, denn wenn seine Stimmenanteile in den Unternehmen landesweit unter durchschnittlich 8 Prozent senken, dann könnte er ab 2017 seine „Repräsentativität“ (ungefähr: Tariffähigkeit) wegen zu geringfügigen Einflusses verlieren. Dadurch ist die CFTC im Augenblick relativ ernsthaft bedroht, und muss ein wenig den Mund aufmachen.

Unterdessen fordern etwa die Jugendverbände richtigerweise nur Eines, in Bezug auf den Gesetzentwurf: Der Dreck muss vom Tisch!, an dem Dreck ist nichts Gutes.

Am Montag dieser Woche (07. März) öffnete die Regierung eine neue Runde von Verhandlungen mit den „Sozialpartnern“. Die geplante Einreichung des Gesetzentwurfs, ursprünglich am heutigen Mittwoch geplant – deswegen der Protesttermin 09. März –, war um vierzehn Tage verschoben worden, um etwas Raum für Nachbesserungen und Verhandlungen zu lassen. Die 37jährige Arbeitsministerin Myriam El-Khomri war in den vergangenen Wochen aus den Latschen gekippt und am Dienstag, den 1. März für einige Stunden zu Untersuchungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden – mit einem Schwächeanfall, Kreislaufproblemen. Ihr war es von Manuel Valls eingebrockt worden, die von ihm vorgeschrieben „harte Reformlinie“ verteidigen zu müssen. Dem Vernehmen nach drohte der ultrarechte Sozialdemokrat Valls vorige Woche seinem Ministerkabinett zeitweilig mit Rücktritt. Auch er ließ sich aber nunmehr auf Verhandlungen ein, bei denen es vor allen Dingen darum gehen wird, den Einkaufspreis der CFDT zu evaluieren.

Am heutigen Abend wird man mehr wissen, nachdem der Stand der Mobilisierung abzulesen ist. Im Laufe des Abends folgt eine nähere Einschätzung, die spätestens morgen früh bei LabourNet.de online stehen wird…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=94762
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