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Der Mord an Mariano Ferreyra – der „ideelle Urheber“ ist die peronistische Gewerkschaftsbürokratie

Über 60.000 Menschen demonstrierten am Tag nach dem Mord alleine in Buenos Aires: Schlägerbanden der Eisenbahnergewerkschaft UF hatten mit Pistolen eine Sitzblockade protestierender ehemaliger Eisenbahnbeschäftigter, die heute bei Subunternehmen sind, „aufgelöst“ und dabei geschossen. Präsidentin Kirchner verlautbarte, man werde nicht nur die Täter, sondern auch ihre ideellen Hintermänner verfolgen und vor Gericht stellen. Seitdem tobt im Land die Debatte: Sind die Hintermänner nicht exakt jene peronistische Gewerkschaftsbürokratie der CGT-A, die Kirchners engste Verbündete in der Gewerkschaftsbewegung sind? Oder, die andere Seite: Ist das ganze ein Versuch, die Gewerkschaftsbewegung zu diffamieren, wie es nicht nur aus der CGT-A verlautet, sondern aus peronistischen Parteikreisen und nationalrevolutinären Strömungen? Unsere kommentierte Materialsammlung „Mariano, presente“ vom 29. Oktober 2010.

Mariano, presente!

Am 23. Oktober 2010 wurde einer der wichtigsten Funktionäre der Eisenbahnergewerkschaft UF, Pablo Diaz, Vorsitzender der Vertrauensleute (ähnlichen) von Ferrocariles Roca wegen Verdacht auf Beteiligung an der Ermordung Mariano Ferreyras festgenommen, wird in der Zeitschrift Perfil an ebendiesem Tag berichtet, hier gespiegelt bei Indymedia externer Link Buenos Aires.Diaz war eben jener Funktionär, der von den Beschäftigten der Subunternehmen als Haupteinpeitscher gegen ihren Widerstand kritisiert wurde.

Wie kann es zu einer solch schroffen Konfrontation kommen, die Todesopfer fordert? In dem Beitrag „Tres millones de razones detras del crimen de Mariano Ferreyra“ externer Link den die Redaktion der linksalternativen Netzzeitschrift lavaca am 22. Oktober 2010 publizierte und der auf ein Gespräch mit dem Ökonomen Marcelo Ramal zurückgeht, der derselben (trotzkistisch orientierten) PO angehört wie es Ferreyra tat, werden ökonomische Fakten aufs Tapet gebracht. Bei den diversen Privatisierungsschritten der argentinischen Eisenbahn sind insgesamt etwa 20 Subunternehmen entstanden, die etwa 1.500 ArbeiterInnen beschäftigen (die zumeist vorher direkt Bahnbeschäftigte waren) – und jede und jeder von ihnen erhält für dieselbe Arbeit wie Festangestellte ziemlich genau 2.000 Pesos weniger. Macht eben zusammen eine Einsparung von 3 Millionen Pesos, an deren Aufteilung auch die Gewerkschaftsbürokratie beteiligt sei, einerseits über Mitverwaltungshonorare, andrerseits auch direkt über Subunternehmen – dem Sohn des Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft UF, Pedraza, gehört beispielsweise ein solches Unternehmen.

Der gesellschaftliche und historische Hintergrund wird in dem Beitrag „La tercerizacion de las relaciones laborales en Argentina“ externer Link von Guillermo Pajoni am 26. Oktober 2010 bei argenpress zusammengefasst. Die gesetzliche Möglichkeit von Subunternehmen wurde in den ersten Tagen der Militärdiktatur eingeführt, als die Generäle 123 der 306 Paragraphen des Arbeitsgesetzes veränderten. Auch 27 Jahre nach dem Ende der Diktatur gelten diese damaligen Gesetzesveränderungen immer noch, die in den 90er Jahren, in der Regierungszeit des neoliberalen Musterschülers und Bankrotteurs Menem noch konkret fortgeschrieben wurden…

In dem Beitrag „Reflexiones críticas acerca de la relación entre precariedad laboral y trabajo asalariado“ externer Link der marxistisch orientierten Netzzeitschrift Herramienta vom Oktober 2010 werden diese „Fortsetzungen“ Menems analysiert unter anderem als wesentliches Spaltungselement der arbeitenden Klassen.

Der Beitrag „La burocracia sindical es parte“ externer Link der Nationalen Bewegung zur Wiederherstellung der argentinischen Eisenbahn am 21. Oktober 2010 bei argenpress ist der Versuch, deutlich zu machen, dass eben die Gewerkschaftsbürokratie Argentiniens zu einem beträchtlichen Teil bereits Teil des unternehmertums geworden sei, in der Regel als Juniorpartner.

Als Beispiel mehrerer Strömungen der nationalen Unabhängigkeit kann hier die PLN, Partei der nationalen Befreiung gelten, die den Proteststreik gegen den Mord unterstützt, gleichzeitig aber jede Kritik abwehrt, die die Gewerkschaftsbürokratie und die Regierung Kirchner zusammenbringt, so in der Stellungnahme „Paro en repudio al asesinato de Mariano Ferreyra“ externer Link vom 20. Oktober 2010.

Eine ganze Dokumentation von Berichten, Analysen und Stellungnahmen organisiert das Nachrichtenportal Argenpress unter dem Stichwort „Ferreyra“ externer Link das laufend fortgesetzt wird. Dabei nimmt die Debatte um die Rolle der Regierung ständig breiteren Raum ein.

Zusammengestellt von hrw

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=11841
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