Konkurrenz ausgeschaltet: Ein Bericht über den Kampf der Thüringer Kumpel vor 25 Jahren in Bischofferode Kalibergbau

Technoseum: Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013Den kleinen Bergbauort Bischofferode im thüringischen Eichsfeld kannte vor einem Vierteljahrhundert kaum jemand. In der zweiten Maihälfte 1993 änderte sich das schlagartig. Damals demonstrierten die Kumpel des dortigen Kaliwerks »Thomas Müntzer« im Zentrum Berlins vor dem Treuhandgebäude in der Leipziger Straße ausdauernd und eindrucksvoll gegen die beabsichtigte Schließung ihres Schachtes. Die Treuhandpräsidentin Birgit Breuel sah sich genötigt, vor die Tür zu treten und mit den Demonstranten zu sprechen. »Da haben wir ihr unseren Empfang bereitet – eine Menge Eier ans Gebäude gefeuert«, hat ein Mitglied des Betriebsrates später die Szene beschrieben. Die Medien wurden aufmerksam. Der Name Bischofferode ging durch Presse und Rundfunk. (…) Als aber Anfang 1992 der Kalischacht im benachbarten Roßleben schloss, schrillten bei den Bischofferödern die Alarmglocken. Sie wussten, Roßleben war eine Lagerstätte, deren Kalivorkommen für fast 100 Jahre reichten. Niemand konnte ihnen erklären, warum ein solcher Betrieb geschlossen wurde. Der Betriebsrat wandte sich hilfesuchend an die zuständige Westgewerkschaft, die IG Bergbau und Energie. Deren Funktionäre wiesen auf die Verhandlungen der Treuhandanstalt (THA) mit der hessischen Kali und Salz AG hin, deren Ergebnis man abwarten müsse. Die Verhandlungen der THA mit dem hessischen Unternehmen, das mehrheitlich zum BASF-Konzern gehörte, führten Ende April 1993 zu einem Fusionsvertrag. (…) Für den Bischofferöder Betriebsrat war damit klar: »Es sollte eine Fusion stattfinden, bei der vom Osten fast nichts bleibt. Die lästige Konkurrenz sollte eliminiert und außerdem sollten neue Märkte für den Westen gewonnen werden.« Als Antwort auf die veränderte Situation entschieden die Kumpel: »Wir werden uns nicht wie die Kälber zur Schlachtbank führen lassen und dann noch für ein paar Mark danke sagen.« (…) Den Höhepunkt der Aufmerksamkeit gewannen die Bischofferöder Kumpel aber, als zwölf von ihnen am 1. Juli 1993 unter Tage in den Hungerstreik traten. Bald schlossen sich ihnen weitere 29 Kumpel an. Die Nachricht schlug ein. Fast täglich waren von nun ab in dem kleinen verschlafenen Ort Übertragungswagen von Rundfunk und Fernsehen präsent. (…) Doch mit der Schließung des Kalibergwerks im Dezember 1993 ist der Name Bischofferode nicht verschwunden. Volker Braun hat diesem und anderen Kämpfen 2011 in seiner Erzählung »Die hellen Haufen« ein literarisches Denkmal gesetzt. Ungeachtet des unbefriedigenden Ausgangs des Streiks für den Erhalt des Bergwerks ist Bischofferode zum Symbol geworden. Der Name fällt immer dann, wenn behauptet wird, die Ostdeutschen hätten um der D-Mark willen klaglos alles aufgegeben, was nicht in die Bundesrepublik gepasst hätte…“ Artikel von Jörg Roesler vom 02.07.2018 in der jungen Welt externer Link

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