Internationale Arbeitsorganisation: Bessere Arbeitsbedingungen für Hausangestellte verlangt

Dossier

ILO: Decent Work for Domestic Work Campaign“Die Arbeitsorganisation (ILO) fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des rechtlichen Schutzes von Hausangestellten einzusetzen. Nach Angaben der ILO sind weltweit 52,6 Mio. Personen, der größte Teil davon Frauen, als Hausangestellte tätig und müssen oft unter inakzeptablen Bedingungen arbeiten. Hausangestellte hätten in den meisten Ländern sehr viel längere Arbeitszeiten und erhielten in der Regel weniger Freitage als Angehörige anderer Berufsgruppen zugesprochen, erklärte die stellvertretende ILO-Generaldirektorin Sandra Polaski vor Journalisten. Die langen Arbeitszeiten seien zudem mit sehr tiefen Löhnen, einer starken Abhängigkeit vom Arbeitgeber und in den meisten Fällen mit einem fehlenden Rechtsschutz verbunden, was die Angehörigen dieser Berufskategorie besonders anfällig für Ausbeutung und Missbräuche mache. Von Missbräuchen seien vor allem ausländische Hausangestellte betroffen, welche die Landessprache nicht beherrschten…” Artikel von Jean-Pierre Kapp in der NZZ online vom 09.01.2013 externer Link. Siehe dazu die ILO, aber auch die Gewerkschaften:

  • Europaweite Gewerkschaftsstudie: Haushaltshilfen ohne soziale Absicherung – Millionen Hausangestellte in Europa leiden unter miserablen Arbeitsbedingungen New
    „Armut, Stress und Angstzustände – das gehört für viele der über acht Millionen überwiegend migrantischen Hausangestellten und häuslichen Pflegekräfte in Europa zum Arbeitsalltag. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die unter anderem von Uni Europa, dem Dachverband der europäischen Dienstleistungsgewerkschaften, in Auftrag gegeben wurde. In der Branche sind mit 96 Prozent fast ausschließlich Frauen tätig, etwa sieben Prozent der erwerbstätigen Arbeiterinnen insgesamt – die meisten davon Migrantinnen. Die Hausarbeiterinnen betreuen Kinder, pflegen Ältere, unterstützen Behinderte in ihrem Alltag und übernehmen Aufgaben im Haushalt wie Kochen, Putzen oder Gartenarbeiten. Über 50 Prozent der rund 4000 befragten Beschäftigten in Europa gab in der Studie an, psychisch überlastet zu sein und sich auch wegen der meist niedrigen Löhne nicht der Lage zu sehen, bis zum Rentenalter durchzuhalten. Dabei ist der Personalmangel groß, insbesondere in der häuslichen Pflege bei den sogenannten Live-Ins, also der direkten Betreuung zu Hause. Aufgrund des demografischen Wandels wird der Bedarf eher steigen. Darauf reagieren die Unternehmen sehr unterschiedlich. Eine Mehrheit will zwar laut eigenen Aussagen die Arbeitsbedingungen und Löhne in der Branche verbessern. Doch dabei geht es vor allem um reguläre Beschäftigte. Viele Hausarbeiterinnen sind scheinselbstständig und erhalten Aufträge über Plattformen oder werden durch Leiharbeitsfirmen eingesetzt. Letztere werben mit Blick auf den Personalmangel verstärkt auch Wanderarbeiterinnen aus Drittstaaten an, die besonders ausbeuterischen Verhältnissen ausgesetzt sind. Da ihr Aufenthaltsstatus am Job hängt, sind sie von den Unternehmen und Nutzer*innen der Dienstleistungen abhängig. Sie können sich kaum für ihre Rechte einsetzen, erleben laut EU-weiter Studie vielfach Belästigungen am Arbeitsplatz und haben keine soziale Absicherung. Auch weil die allermeisten nur in irregulären Verhältnissen arbeiten. Laut Zahlen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft betrifft das rund 90 Prozent aller bezahlten Hausarbeiterinnen in Deutschland. Der EU-Durchschnitt liegt laut EU-Studie bei rund 70 Prozent. (…) Zumindest auf EU-Ebene wünscht sich laut aktueller Studie eine Mehrheit der Nutzer*innen von Haushaltsdienstleistungen bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für die Beschäftigten. Helfen könnten dabei auch Branchenvereinbarungen und Tarifverträge. Doch die großen Gewerkschaften tun sich schwer, Fuß zu fassen. »Die Arbeiterinnen sind auf dem Arbeitsmarkt meist unsichtbar und wenig organisiert«, erklärt Soziologin Pflücke. »Und derzeit gibt es für sie kaum gesetzliche Wege, ihre Situation zu verbessern.« Darum bedarf es politischer Ansätze, um den Markt zu regulieren. Eine Variante wäre die Einführung eines Gutscheinsystems, wie es in Belgien bereits praktiziert wird…“ Artikel von Felix Sassmannshausen vom 29. Mai 2024 in Neues Deutschland online externer Link, siehe dazu:

    • PHS Employment Monitor externer Link
    • Die größte Umfrage aller Zeiten zeigt, dass niedrige Löhne den Sektor der häuslichen Pflege in Europa „unhaltbar“ machen
      Eine von UNI Europa, EFFAT, EFFE und EFSI in Auftrag gegebene europaweite Studie zeigt, dass die Arbeitsbedingungen von Hausangestellten und häuslichen Pflegekräften in ganz Europa nicht nachhaltig sind.
      Die Arbeitsbedingungen von Hausangestellten und häuslichen Pflegekräften in ganz Europa sind laut einer neuen europaweiten Umfrage, die heute veröffentlicht wurde, nicht nachhaltig. Die meisten der befragten Arbeitnehmer (56,9 Prozent) gaben an, dass sie nicht in der Lage sein werden, bis zum Rentenalter in ihrem Beruf zu arbeiten, während 59,9 Prozent der Befragten – davon 96 Prozent Frauen – angaben, dass sie in den letzten drei Jahren in Erwägung gezogen haben, den Sektor zu verlassen, zwei Drittel von ihnen (67,5 Prozent) wegen der niedrigen Bezahlung.
      Wie ein Arbeitnehmer aus der Slowakei aussagte: „Man kann nur mit Burnout in den Ruhestand kriechen. Es ist eine Schande, denn ich mag diesen Job, aber nach 18 Jahren ist es genug. Ich bin auf dem Weg nach draußen.“ Dies ist besonders besorgniserregend angesichts der demografischen Krise in Europa, wo der Anteil der über 65-Jährigen bis 2050 von einem Fünftel auf ein Drittel ansteigen soll.
      Die Umfrage legt nahe, dass der soziale Dialog und die Tarifverhandlungen auf europäischer Ebene gestärkt werden müssen, um die Arbeitsbedingungen und die Qualität der Pflege sowie der häuslichen Dienstleistungen zu verbessern.
      Die Erhebung „PHS Employment Monitor“ bezieht sich auf die Arbeitnehmer im Bereich der persönlichen und haushaltsbezogenen Dienstleistungen (Personal & Household Services, PHS), dem offiziellen Begriff der Europäischen Kommission. Es handelt sich um die größte jemals in Europa durchgeführte Erhebung in den PHS-Sektoren. Die Umfrage wurde gemeinsam von den Sozialpartnern, den europäischen Gewerkschaftsverbänden UNI Europa und EFFAT sowie den Arbeitgeberorganisationen EFFE und EFSI in Auftrag gegeben und umfasste die Antworten von mehr als 6.500 PHS-Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Dienstleistungsnutzern aus 26 Ländern.
      Die Ergebnisse deuten auf eine anhaltende und ernste Krise des Arbeitskräftemangels und der Fluktuation in einem Sektor hin, der schätzungsweise 4 % der Gesamtbeschäftigung in der EU ausmacht. Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Dienstleistungsnutzer bzw. Nutzer-Arbeitgeber sehen den Sektor als unterbewertet an, was die Wahrnehmung, die Bezahlung und die öffentliche Finanzierung angeht. So sagte ein PHS-Arbeitgeber in Frankreich aus: „Das Gehalt ist nicht attraktiv, sie wollen nicht in diesem Sektor arbeiten, oder wenn sie dort arbeiten, ist es nicht die Priorität„…“ engl. UNI-Meldung vom 22.05.24 externer Link (maschinenübersetzt)
  • [DGB] Schluss mit Schwarzarbeit: 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs in Privathaushalten 
    „… Zur Ankündigung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, durch Förderung von Haushaltshilfen mit Haushaltsschecks die Schwarzarbeit eindämmen zu wollen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel: (…)„Es darf nicht sein, dass in deutschen Haushalten weiter so viel Schwarzarbeit stattfindet. Deshalb ist es gut, dass die Ampel das Thema Alltagshilfen endlich angeht. Der DGB fordert ein solches Modell schon lange. Zwar geht der DGB-Vorschlag weiter – danach sollten alle Haushalte mindestens die Hälfte der anfallenden Kosten erhalten. Mit dieser Erweiterung könnte das System seine volle Wirkung entfalten: Es entlastet Familien und insbesondere Frauen durch eine bessere Beteiligung an Erwerbsarbeit, beugt damit Altersarmut vor und aktiviert Fachkräftepotentiale. Außerdem könnten rund 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs in Privathaushalten entstehen.“ (…) „In jedem Fall macht das Arbeitsministerium jetzt den ersten Schritt. Höchste Zeit, denn in Deutschland werden 75 Prozent der Tätigkeiten in Privathaushalten in Schwarzarbeit verrichtet. Für die Beschäftigten bedeutet das: Keine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, keine Rentenansprüche, kein sozialer Schutz. Ziel muss sein: Gute Arbeit, sichere Löhne und vernünftige Arbeitsbedingungen zu schaffen; soziale Sicherheit statt noch mehr ‚Minijobs‘ und prekärer Beschäftigung sind die Messlatte, über die die Koalition springen muss. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Förderung Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen erreicht, die sich legal beschäftigte Haushaltshilfen ohne Zuschuss nicht leisten können.“ DGB-Meldung vom 11. Januar 2022 externer Link
  • ILO-Konvention zu Hausangestellten: Anerkennung war der erste Schritt. Auch scheinbar abgehobene UN-Institutionen können Betroffene stärken 
    „Es sind ungewöhnliche Szenen, die Beobachtern der Verhandlungen über die letzte Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation bis heute lebhaft in Erinnerung sind: Frauen, die auf den Besuchertribünen klatschen, tanzen, lautstark demonstrieren und damit die Hausregeln gehörig strapazieren; Arbeitgebervertreter an den Redepulten, die auf die Routinen dieses Hauses pochen und sich entrüsten ob der vermuteten Respektverletzung; Gewerkschafter, die vergeblich versuchen, die ungewöhnlichen Mitglieder ihrer Delegationen zu zügeln. Auch sie zuweilen überfordert von den selbstbewussten Frauen aus allen Teilen der Welt, die in privaten Haushalten putzen, kochen oder alte Menschen pflegen. Üblicherweise unsichtbar – in Genf verschafften sie sich vor zehn Jahren nachdrücklich Gehör, auch ohne offizielles Rederecht. (…) Das Übereinkommen Nr. 189, das im Jahr 2008 auf den Weg gebracht und 2011 verabschiedet wurde, hält globale Mindeststandards für Beschäftigte in Privathaushalten fest. Dazu gehören etwa eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden am Stück, der jeweils geltende Mindestlohn und ein bezahlbarer Zugang zu Schlichtungsverfahren. (…) Auf der anderen Seite sollten die Erwartungen an ein solches Instrument nicht zu hoch sein, meint Helen Schwenken. Die Kontrolle der Konvention ist schwach. Länder, die sie ratifiziert haben, müssen alle fünf Jahre berichten. Vertragsverletzungsverfahren richten sich nur gegen die allerschlimmsten Verstöße. (…) Bei Unterstützern ist die Bilanz acht Jahre nach ihrer Verabschiedung dennoch positiv. Die Sensibilität für diese »Frauenfrage« ist gewachsen. Karin Pape ist selbst überrascht, dass die Probleme von Haushaltsarbeiterinnen auf internationaler Ebene bis heute im Bewusstsein geblieben sind. Sie werden auch in der Folgekonvention 190 zu Gewalt am Arbeitsplatz explizit erwähnt, die bei der anstehenden Jahreskonferenz der ILO in zweiter Lesung beraten werden wird. Ein Erfolg, wenn man bedenkt, dass vor zehn Jahren Hausarbeiterinnen noch dafür kämpfen mussten, dass Arbeit zu Hause überhaupt als normaler Arbeitsplatz anerkannt wird.“
    Beitrag von Ines Wallrodt bei neues Deutschland vom 8. Juni 2019 externer Link
  • Internationaler Tag für Hausangestellte
    „„Meine Geschichte beginnt in einem kleinen Raum im Hinterhof des Hauses meines Arbeitgebers, wo ich fast 12 Jahre lang arbeitete. Ich wurde von meinem Kind getrennt, als es erste einen Monat alt war, weil eine Hausangestellte ihre Kinder oder ihren Ehemann nicht mitbringen darf“, sagt Myrtle Witbooi. Witbooi denkt weiter über ihr Leben nach: „Wir arbeiteten sieben Tage die Woche und blieben einfach in einem kleinen Raum im Hinterhof. Wir waren Sklaven in unserem Land und hatten keine Stimme. Wir erhielten wenig oder keinen Lohn.“ Fast fünfzig Jahre später ist die frühere Hausangestellte Generalsekretärin der südafrikanischen „Domestic Service and Allied Workers Union“ (SADSAWU) und Präsidentin der „International Domestic Workers Federation“ (IDWF)…“ Mitteilung der International Labour Organization (ILO) vom 16.06.2015 externer Link
  • Erster ILO-Report über die Situation von Hausangestellten weltweit
    (…) Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge arbeiten in Deutschland etwa 712.000 Hausangestellte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schätzt allerdings, dass 2,6 Millionen deutsche Haushalte regelmäßig Hausangestellte auf Teilzeitbasis beschäftigten. 90 Prozent der Beschäftigung findet demnach auf irregulärer Basis statt: ohne Arbeitsvertrag, ohne Anmeldung, ohne Sozialversicherung und Steuerabgaben. Selbst unter den angemeldeten Arbeitsverhältnissen sei prekäre Beschäftigung der Normalfall…Pressemitteilung der International Labour Organization (ILO) vom 09.01.2012 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=21758
nach oben