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Türkei: Frühling als Drohung
Mit Mitteilung von heute, 17. März 2016, bekennen sich die selbsternannten Kurdischen Freiheitsfalken (TAK) zum jüngsten Bombenanschlag in Ankara, bei dem nach offiziellen Angaben 37 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden. Die TAK hatte sich bereits zum Anschlag im Februar in Ankara bekannt. Auf ihrer Webseite erklären sie, dass sie die zivilen Opfer bedauern, der Anschlag aber den Sicherheitskräften gegolten habe – von denen sie auch „eine große Zahl“ getötet hätten. Die staatliche Seite indessen verhaftet Anwälte und Akademiker, entzieht Journalist*innen kritischer Zeitungen die Presseausweise, zensiert Webseiten – sendika.org/ LabourNet Türkei in der Nacht zum Montag das 11. Mal, die kurdische Nachrichtenseite DIHA innerhalb weniger Tage zum 31. und 32. Mal – weitet die Ausgangssperren im Südosten des Landes aus und verbietet quasi landesweit die geplanten Feierlichkeiten zum Newroz, dem kurdischen Neujahrsfest am 21. März. „Frühling lässt sich nicht aufhalten“, titelte eine der jüngst attackierten Zeitungen. Erst einmal ist das allerdings mehr Drohung als Hoffnung: Seit geraumer Zeit kündigt die PKK eine „Frühjahrsoffensive“ an, eine Ausweitung des Bürgerkriegs also als Reaktion auf die anhaltenden Militäroperationen in den kurdischen Gebieten. Siehe dazu unsere Materialsammlung vom 17. März 2016:
- Erklärung der TAK auf ihrer Webseite zum jüngsten Anschlag in Ankara (türkisch). Anders als beim letzten Mal haben die türkischen Behörden dieses Mal demnach die tatsächlichte Täterin identifiziert
- TAK-Statement in englischer Übersetzung am 17. März 2016 bei Bianet – inklusive Erläuterung des Verhältnisses von TAK und PKK: Nämlich, dass die TAK die Politik der PKK für zu soft hält und sich separiert hat, weiterhin allerdings zum in Isolationshaft sitzenden Öcalan hält
- Anschlag auf Sicherheitskräfte? Beitrag bei Bianet vom 14. März 2016 mit den Geschichten von 24 der Todesopfer des Bombenattentats (englisch)
- Erdogan und seine AKP Regierung verbieten Newroz und drohen der Presse
„Unterdessen wurden in vielen Städten Newrozfeiern verboten. Das ist eine blanke Provokation, weil Erdogan und seine AKP Regierung den Stellenwert des Newroz (kurdisches Neujahrsfest) für die kurdische Bevölkerung genau kennen. Die kurdischen Teile der Bevölkerung haben bereits angekündigt, diese Verbote zu missachten“ – aus der Erklärung der DIDF vom 17. März 2016 , worin darüber hinaus zu Angriffen auf die Medien berichtet wird: „Auch die wenige unabhängige Presse bekommt mehr und mehr die volle Härte zu spüren. Presseagenturen wird der Zugang gesperrt. Gegen die Tageszeitung Evrensel und den Fernsehsender Hayat TV wird gehetzt. Die Zeitung Evrensel hatte auf ihrem Titelblatt geschrieben „Ohne Frieden, keine Sicherheit“. Dies nahmen andere regierungsnahe Medien zum Anlass, gegen Evrensel Drohungen auszusprechen und gegen sie zu hetzen. Auch diese Methode ist bekannt. Regierungsnahe Medien und andere Kreise mobilisieren und stacheln die Menschen auf, die Regierung schreitet dann mit der Begründung voran, es gäbe eine berechtigte Unruhe in der Gesellschaft, die gelöst werden müsse und geht gegen die demokratischen Kräfte und Presse vor. Fatih Polat, verantwortlicher Redaktor von Evrensel, sagte: „Wenn wir für den Krieg schreiben würden, würden wir belohnt werden. Weil wir aber beharrlich für Frieden sind, werden wir ins Visier genommen“
- „Perquisitions, arrestations, le tour des avocats“ am 16. März 2016 bei Kedistan ist ein Überblick speziell über die Verhaftungswelle gegen Rechtsanwälte (alles Terroristen, versteht sich, bis auf die die, die Erdogan Sippe verteidigen) – 9 Rechtsanwälte, allesamt Mitglieder der vereinigung Freier Rechtsanwälte wurden an einem Tag in mehreren Städten der Türkei festgenommen
- 3 Academics Referred to Court for Arrest. Beitrag vom 15. März 2016 bei Bianet über die Verhaftung dreier Akademiker*innen – weil sie die Erklärung der Akademiker*innen für den Frieden unterstützt haben
- Ebenfalls verhaftet, dann fast freigelassen und nun von Ausweisung aus der Türkei bedroht ist Chris Stephenson, Mathematiker, seit 25 Jahren im Land. Er wurde vorm Gerichtsgebäude verhaftet, wo er an einer Soli-Kundgebung für die oben genannten verhafteten Akademiker*innen teilnehmen wollte. Grund für die Verhaftung: Er hatte einige Einladungen für Newroz-Feierlichkeiten der HDP in der Tasche. Sein Anwalt ist ebenfalls in Haft. Siehe dazu den Beitrag „Academic Released by Prosecution Brought to Repatriation Center“ vom 16. März 2016 bei Bianet
- Katliamların üzerini sansürle örtemezsiniz: Sendika10.Org ile yayındayız – Beitrag bei sendika.org vom 14. März 2016 über die 11. Zensur der Webseite. Wie jedes Mal zählen sie weiter hoch und sind nun unter http://sendika10.org erreichbar
- Police Attack on Protest Against Explosion in Kızılay of Ankara. Bericht bei Bianet vom 15. März 2016 über einen Polizeiübergriff auf Protestierende in Istanbul nach dem Anschlag in Ankara
- President Erdogan wants to change definition of ‘terrorist’ to include journalists and politicians. Artikel von Loulla-Mae Eleftheriou-Smith beim Independent online vom 16. März 2016 darüber, dass Erdogans Kritiker*innen eben prinzipiell Terroristen seien. Jedenfalls aus seiner Sicht.
- „9 massacres, 606 deaths, 0 resignations and always a press blackout: Who’s the murderer?“ am 14. März 2016 bei sendika.org ist ein Beitrag, der darauf verweist, dass bei allen Massakern der letzten Jahre – neben den jeweils konkreten, diesmal besonders heftigen – Verhaftungswellen auch erkennbare Muster der reaktion, sowohl bei der Regierung als auch bei den von ihr gesteuerten Medien gibt
- Curfew Declared in Şırnak. Beitrag bei Bianet vom 14. März 2016 über eine neuerliche Dauer-Ausgangssperre in Şırnak