Die deutschen Gewerkschaftsführer, zusammen mit Managern, Politikern, Journalisten und Militärs sehen sich als die DEUTSCHE ELITE! Jeder hat dabei seine Aufgabe

Artikel von Dieter Wegner (aktiv bei Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg) vom 7. März 2016

Wenn es zum Marschieren kommt,
wissen viele nicht,
dass ihr Feind an der Spitze marschiert.
Die Stimme, die sie kommandiert,
ist die Stimme ihres Feindes.
Der da vom Feind spricht,
ist selber der Feind.“

Geschrieben von Bertolt Brecht als Anti-Kriegsgedicht,
zu finden bei Eisler „Gegen den Krieg“
und in den „Deutsche Marginalien“

Die Bundesakademie für Sicherheispolitik (BAKS) ist eine der Organisationen, die diese Ideologie, die weltpolitische Formierung der deutschen Eliten verwirklichen will. Wie german foreign policy schreibt, bezieht sie dabei zunehmend Gewerkschafter ein. Und diese machen wohl problemlos und mit Freuden mit!
(http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59312 externer Link)

Zukunftsbündnisse 4.0 – Bündnisse mit dem Kapital, für das Kapital

Was hier german-foreign-policy aufzeigt, paßt genau dazu, daß die Kapitalsverbände zusammen mit den DGB-Gewerkschaften und Regierungsinstitutionen die Zukunftsbündnisse Industrie 4.0 und Dienstleistung 4.0 geschlossen haben. Ziel dieser Zukunftsbündnisse ist es, die deutsche Wirtschaft voranzubringen und die herrschende Stellung in Europa und weltweit zu verteidigen. Wenn den Führungskräften in den DGB-Gewerkschaften (bis hin zu Betriebsräten) Aufgaben in der Sicherheitsstrategie Deuschlands zugewiesen wird, dann geht es um die innere Sicherheit, um die Sicherheit in Betrieben. Hier bekommen höhere Gewerkschaftsfunktionäre und die oben aufgeführten (vorerst) „zwei Dutzend Betriebsratsvorsitzenden der IG Metall“ ihre Aufgaben zugewiesen.

Die Strategie bei Industrie 4.0 und Dienstleistung 4.0 ist, daß die DGB-Gewerkschaften mithelfen, daß ihre höher qualifizierten Mitglieder mit Haut und Haar auf Sozialpartnerschaft und Nationalpartnerschaft eingestellt werden und das „Gold aus ihren Köpfen“ den Firmenleitungen und damit der Wahrung und dem Ausbau von Deutschlands Spitzenstellung zur Verfügung gestellt wird. Aber damit kommt eine Aufgabe auf die DGB-Gewerkschaften hinzu, die sie zu einem Spagat zwingt: Die Millionen Werktätigen, die bei dieser 4. industriellen Revolution abqualifiziert werden zu LeiharbeiterInnen, WerkverträglerInnen, prekär Beschäftigten oder schlichtweg Überflüssigen, diese werden ruhig zu stellen sein im Betrieb und in der Gesellschaft! Und das ist der eigentliche Zweck, weshalb Kapitalsverbände und Regierung die DGB-Gewerkschaften mit in den Zukunftspakt 4.0 einbezogen haben! Die DGB-Gewerkschaften als staatlich beauftragter Ordnungsfaktor.

Bei Daimler in Bremen spielte sich Ende vorvorigen Jahres was Exemplarisches ab: Die Kollegen einer Schicht streikten gegen die Ausdehnung der Leiharbeit und der Werkverträge und die Einführung der Samstagarbeit. Sie hatten nicht nur die Werksleitung gegen sich, die 761 Abmahnungen verteilte sondern auch die örtliche IGM, wodurch ihr Streik ein „wilder Streik“ wurde. Vor dem Arbeitsgericht geht der Konflikt weiter, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof – so die Absicht der Bremer Daimler-Kollegen und ihrer Anwälte.

Sowas wie das scheinbare Aufgehen der Interessen von Arbeitern mit dem Staat und dem Kapital gab es schon mal in Deuschland: Die Volksgemeinschaft, ab 1933. Damals mußte sie mit Staatsmacht, mit SA, Polizei und NSDAP erst hergestellt werden. Die Gewerkschaftshäuser wurden am 2. Mai 1933 gestürmt und der ADGB aufgelöst. Heute geht der DGB freiwillig in Kapitals- und Staatsinteressen auf – die Form einer Gewerkschaft wahrend. Was ist vom ursprünglichen Entstehen und Sinn der Gewerkschaften geblieben, die vor 160 Jahren entstanden? (Den Vorläufern des ADGB). Sie waren solidarische Kampfgemeinschaften, ihre Interessen hart gegen die Kapitalisten wahrnehmend. Das Wort Sozialpartner wäre ihnen nicht mal in den Sinn geschweige über die Lippen gekommen.

Auch die Rolle derjenigen örtlichen Hauptamtlichen, die an der Basis arbeiten und die konsequent und kämpferisch die Interessen der Belegschaften vertreten wollen, wird immer schwieriger bei dieser sozialpartnerschaftlichen Strategie der Gewerkschaftsspitzen. Bei den kämpferischen Teilen in der Belegschaft und Kräften von außen müssen sie sich eine Basis verschaffen.

Zu empfehlen ist, das Buch von Detlef Wetzel (bis 2015 erster Vorsitzender der IGM) zu lesen: Arbeit 4.0

Der Begriff Klassenkampf kommt in dem Buch nicht vor, es geht Wetzel nur um Anpassung an die Interessen des Kapitals, die Verteidigung der Vormachtstellung der deutschen Wirtschaft. (https://www.igmetall.de/detlef-wetzel-ueber-sein-buch-arbeit-4-0-16657.htm externer Link)

Detlef Wetzel war Vorreiter bei Industrie 4.0

Wetzel, seine IGM, verdi und die anderen DGB-Gewerkschaften in ihrem Schlepptau streben mit ihrem Zukunftspakt 4.0 mit Kapital und Regierung eine Steigerung der bisherigen Sozialpartnerschaft zur Symbiose mit Kapital und Staat an. Weder Sozialpartnerschaft und erst recht nicht Symbiose sind möglich, weil ArbeiterInnenklasse und Kapital/Staat den Gegensatz von Ausgebeuteten und Ausbeutern verkörpern. Deshalb müssen sie Sozialpartnerschaft und Symbiose den Mitgliedern/den Belegschaften vorgaukeln, mit dem Ziel, diese zu verwirren. Die Führer der DGB-Gewerkschaften bilden sich ein, durch den Zukunftspakt 4.0 im Zentrum der kapitalistischen Planung angelangt zu sein. Sie werden allerdings nur gebraucht und benutzt, die Folgen des Zukunftspaktes 4.0 (Industrie 4.0, federführend IGM und Dienstleistung 4.0, federführend verdi) abzufedern. Denn Millionen Beschäftigte werden in dieser 4. industriellen Revolution ihre Arbeitsplätze verlieren, in Werkverträge oder in Leiharbeit gedrängt werden. Da wird dann den Gewerkschaften die Aufgabe zugeschoben, Feuerwehr zu spielen und für sozialen Frieden in den Betrieben zu sorgen. Ob das klappt, liegt an uns!

Daß führende Gewerkschaftsführer wie der IG BCE Vorsitzende Michael Vassiliadis seit etlichen Jahren in höheren Funktionen bei der Atlantikbrücke mitmischt, die sich als einer der „Weltenlenker“ versteht, ist bekannt, wird aber weder in der Öffentlichkeit noch in der Mitgliedschaft skandalisiert. Vassiliadis ist keine Ausnahme unter den deutschen Gewerkschaftsführern sondern typisch.

LeiharbeiterInnen und WerkverträglerInnen werden geopfert

Ein weiteres konkretes Beispiel ist die Rolle, die von den DGB-Gewerkschaften, besonders von der IG Metall bei Leiharbeit und Werkverträgen eingenommen wird. Wenn sich die IGM wieder mal bis zur Selbstaufgabe nicht den Interessen des Kapitals untergeordnet hätte, hätten die LeiharbeiterInnen in Deutschland heute equal pay (d.h. gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit). In den Hartz-Gesetzen versprach die SPD/Grünen-Regierung, daß das Prinzip „gleiche Arbeit – gleiches Geld“ gelten solle. Das gelte nicht, falls es Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche gäbe.
Flugs schloß die IGM Tarifverträge ab! Die LeiharbeiterInnen bekamen dadurch im Schnitt 57 Prozent des Lohnes der Stammbelegschaften. Um den in den Betrieben sich zeigenden Unmut zu bekämpfen, wurde die Möglichkeit der Branchenzuschläge geschaffen. Den bekommen aber nur 38 Prozent der LeiharbeiterInnen. Diese Spaltung der LeiharbeiterInnen ist ein „teile und herrsche-Spiel“, gemeinsam von IGM, Gesamtmetall und den beiden Verbänden für Leiharbeit IGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.) und BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister).
Die Zuarbeit der IGM fürs Kapital hat was gebracht: Laut Rheinischer Post vom 4.3.16 gab es im Jahre 2015 über 961.000 LeiharbeiterInnen. (Und über 50.200 Verleihfirmen!). Diese KollegInnen sind dank IGM „arm trotz Arbeit“.
Und „Selbstaufgabe der IGM“ bedeutet: Unter LeiharbeiterInnen ist der Organisationsgrad sehr gering – gegenüber den KollegInnen aus der Stammbelegschaft, wo der Organisationsgrad meistens noch sehr hoch ist. Aber was tut man nicht alles für seinen Sozialpartner! (Näheres hierzu in dem hervorragende Text: „Branchenzuschläge in der Leiharbeit – eine Nachlese“: http://www.trend.infopartisan.net/trd0216/t020216.html externer Link)

Noch schneller als Leiharbeit haben sich in Deutschland die Werkverträge ausgebreitet. Mittlerweile gibt es (geschätzt) 2,2 Millionen Beschäftigte in Werkverträgen. Was sich hier abgespielt hat, könnt ihr euch in einem Frontal21-Beitrag vom 23. Februar ansehen! (http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/2678052/Leiharbeit:-Ref%C3%B6rmchen-statt-Reform externer Link )

Zahnloser Tiger gegenüber den Fertigmachern

Ein besonders schmähliches Verhalten leisten sich die DGB-Großgewerkschaften gegenüber denen, die durch die Angriffe von Teilen des Kapitals in eine bedrängte und schwierige Lage kommen, den Betroffenen von Fertigmachern (Union Busting). Als aufrichtige und kämpferische KollegInnen, die ihre und die Interessen ihrer KollegInnen wahrnehmen wollen, geraten sie in die Schußlinie der Firmenleitungen und sollen deswegen illiminiert werden. Dazu nehmen sie die Hilfe von Union Busting Kanzleien in Anspruch, die es inzwischen zu Dutzenden in Deutschland gibt mit hunderten spezialisierten Arbeitsrechtsanwälten. Dies ist ein relativ neues Phänomen in Deutschland, aus den USA übergeschwappt seit etwa 15 Jahren. Gleichzeitig ist es ein Fehdehandschuh, den das Kapital kämpferischen KollegInnen oder Belegschaften hinwirft, die darauf vertrauen, daß sie ihre Gewerkschaft hinter sich haben, wenn sie sich wehren. Das ist oft ein Trugschluß! Die DGB-Gewerkschaften geben nur Rechtsschutz und meinen, damit ihre Pflicht getan zu haben.
Es ist ein Glücksfall für die KollegInnen, falls sie auf einen engagierten und kämpferischen Hauptamtlichen stoßen, der ganz mit seinem Herzen hinter ihnen steht. Die Großgewerkschaften nehmen den Fehdehandschuh des Kapitals nicht auf, negieren die Angriffe oder spielen sie als Einzelfälle herunter.

Die Betroffenen der Angriffe der Fertigmacher werden so zu Opfern! Das ist die Schuld der DGB-Großgewerkschaften, weil sie die Kampfansage des Kapitals nicht skandalisieren – ihrer Sozialpartnerschaft wegen!

Keine der Gewerkschaften hat bisher eine zentrale Stelle eingerichtet, die die Fälle von Fertigmachen/Union Busting sammelt und veröffentlicht! Jedenfalls kann keiner der Gewerkschaftsführer so tun, als habe er vom Fertigmachen/Union Busting nichts gewußt. Viele Fälle gehen stehen sogar in der bürgerlichen Presse. Ausführlich haben Rügemer/Wigand dieses Phänomen skandalisiert, seit Jahren!

Von vielen Kolleginnen und Kollegen hört man heute: Ach, Sozialpartnerschaft gab es doch schon immer und mit harten Bandagen gekämpft wurde auch schon immer. Manchmal wird dann das Beispiel aus den 80er Jahren, BMW in Berlin-Spandau angeführt, als drei Betriebsräte, die sich konsequent für die Interessen der KollegInnen eingesetzt hatten, zusammen über 20 fristlose Kündigungen erhielten (sie gewannen alle Verfahren!) und für mehrere Jahre aus dem Betrieb ganz legal „freigestellt“ wurden. Es ist richtig: Klassenkampf von oben wurde immer praktiziert.

Aber: Damals waren die widerständigen KollegInnen oft politisch geschult, konnten mit den Angriffen besser umgehen. Heute machen „normale“ KollegInnen, die diesen Hintergrund nicht haben, ihren Rücken gerade und kommen allein deshalb ins Visier der Gegenseite. Sie fallen dann aus allen Wolken: „Ich bin doch im Recht! Das darf ich doch! Wir leben doch in einer Demokratie!“
Ein zweiter Unterschied ist: Die Geschäftsleitungen holen sich extra zum Zweck des Fertigmachens dieser KollegInnen Profis, Arbeitsrechtler aus spezialisierten Kanzleien. Diese Kanzleien gibt es in Deutschland erst seit ca. 15 Jahren. Es ist also heute eine wesentlich brisantere Situation für die betroffenen KollegInnen in den Betrieben als in früheren Jahrzehnten.

Um so kritikwürdiger ist das Verhalten der Großgewerkschaften, die diese KollegInnen im Stich lassen – und nur wenigen ist es vergönnt, auf einen engagierten Gewerkschaftssekretär zu stoßen, der sich ihrer Sache annimmt. Und auch wenige haben das Glück, auf UnterstützerInnen von außen zu stoßen. Die Betroffenen, die noch nicht Opfer geworden sind, werden bei der Suche nach Hilfe im internet findig bei aktion./.arbeitsunrecht oder bei workwatch. (Infos zu dem Kampf der drei Betriebsräte in einem Buch, das im vorigen Jahr rausgekommen ist:
(https://lernenimkampf.wordpress.com/2015/12/22/aufrecht-gehen-und-mensch-sein-auch-in-der-fabrik/ externer Link)

Ein gutes Beispiel für Ideologie und Verhalten von Gewerkschaftsführern bietet Günter Schölzel, Abteilungsleiter Mitbestimmung beim IG BCE-Hauptvorstand in Hannover. Er sieht zwar die zunehmende Zahl von „direkten und indirekten“ Angriffen“ und konstatiert „Alle Gewerkschaften im DGB stellen fest, dass die Auseinandersetzungen härter werden.“ Er reduziert aber die Angriffe von Teilen des Kapitals auf einen Teilaspekt, die Behinderung von Betriebsratsarbeit, obwohl es im Kern ein Angriff auf kämpferische Einzelpersonen oder Teile von Belegschaften ist. Er bejammert, daß Kapitalisten immer häufiger die Sozialpartnerschaft nicht einhalten und fordert, daß die Justiz härter durchgreift (wogegen durchaus nichts einzuwenden wäre!). (http://www.boeckler.de/61231_61248.htm externer Link)

Und was passiert ansonsten durch die DGB-Großgewerkschaften? Sie geben Rechtsschutz und es kommt vor, daß sie sogar mit der Firmenleitung und Arbeitgeberverband zusammen gegen eine kämpferische Belegschaft vorgehen, wie bei der Firma Bossel (Kunststoff-Bedrucker) in Sprockhoevel (bei Wuppertal): (http://www.work-watch.de/2016/02/bossing-bei-bossel-sprockhoeveler-betriebsrat-wehrt-sich/ externer Link)

Auf einen besonderen Aspekt weist aktion./.arbeitsunrecht (Köln) hin: Betriebsratsbehinderung ist zwar strafbar, wird aber in Deutschland so gut wie nie geahndet und nur selten zur Anklage gebracht. Der betreffende §119 BetrVG kann als der am wenigsten bekannte und verfolgte Straftatbestand der Republik gelten.
(http://arbeitsunrecht.de/kwb-folien_bossel_prozess-wegen-behinderung-des-betriebsrats/ externer Link)

Dazu ist anzumerken:
Das Betriebsverfassungsgesetz und Mitbestimmung sind ja vom Staat mit der Ideologie der Sozialpartnerschaft erlassen worden. Im BetrVG steht nun der § 119 drin, der strafrechtlich bedroht, auch mit Freiheitsstrafen, wer das Sozialpartnerschafts-Organ Betriebsrat behindert. Das zeigt, was zu Beginn der Republik den Herrschenden diese Werte noch bedeuteten. Daß noch kein Kapitalist wegen Verstoßes gegen dieses Gesetzes hinter Gittern saß und fast keiner angeklagt wurde, zeigt die Realität auf: Die Gewerkschaftsführungen nutzen nicht mal die geringen Möglichkeiten, die ihnen Sozialpartnerschafts-Gesetze bieten. Und in den letzten Jahren, als die Geschäftsführungen sogar für viel Geld Profis in der Verhinderung oder Beseitigung von Betriebsräten angeheuert haben (Union Buster/Fertigmacher), gab es auch keine Verfahren nach § 119 Betr.VG, weder gegen die Fertigmacher als auch nicht gegen ihre Auftrageber!

Was mögen Gewerkschaftsführer im Sinn haben, wenn sie am 1. Mai oder Traditionsfeiern mit sozialdemokratischen Führern gemeinsam das Lied anstimmen: „Wenn wir schreiten Seit´ an Seit´….“ Denken sie dabei an die LeiharbeiterInnen und WerkverträglerInnen? Oder sehen sie, die sich als Manager der Ware Arbeitskraft verstehen, sich Seit´an Seit´mit den Managern des Kapitals, mit Politikern, Militärs, Journalisten, eben der „Elite“ Deutschlands?

Sozialpartschaftsideologie noch im Kopf der KollegInnen

Die meisten KollegInnen haben noch die Vorstellung von Sozialpartnerschaft im Kopf, erst im Kampf verlieren sie diese – im Gegensatz zu den Gewerkschaftsführern, die das in den Genen haben, quasi als Voraussetzung für ihre Tätigkeit und deshalb das Kampfpotential der Belegschaften nicht ausschöpfen oder sie ausbremsen. Der Verratsvorwurf ist deshalb unangebracht – sie erfüllen nur ihre Aufgabe. Die Kämpfenden verändern in den Auseinandersetzungen sich selbst und lernen ihre Gewerkschaftsführer kennen. Durch die Konflikte mit diesen kommen sie einen Schritt weiter bei der Einsicht, daß Erfolge nur ihr eigenes Werk sein können. Einen kürzeren Weg gibt es nicht. Ein Zeichen von Reife ist es, wenn die Kämpfenden die Funktionäre als Dienstleister ansehen, als Streikgeldauszahler und als Organisatoren und daß die Herrschaft über das Streikgeschehen bei den Akteuren bleiben muß! Das stärkt das Selbstbewußtsein ungemein: „Wir können das!“.

Besonders bei der IG BCE kommt es schon frühzeitig zu Konflikten zwischen den kämpferischen KollegInnen und Gewerkchaftsfunktionären. Diese Gewerkschaft ist nicht nur (noch mehr als andere!) bis in die Wolle sozialpartnerschaftlich eingefärbt sondern hat seit 45 Jahren nicht mehr streiken lassen. Beim Neupack-Streik (Hamburg) 2012/2013 hat sie diesen nach drei Monaten mit dem Versprechen des Flexi-Streiks abgebrochen, der von den Kollegen nach ein paar Tagen als Flexi-Verarschung bezeichnet wurde. Aktuell bei der Firma Bossel (auch IG BCE) in Sprockhoefel (Nähe Wuppertal) ist es so, daß die KollegInnen bei ihrer Auseinandersetzung mit der Geschäftsleitung von ihren Hauptamtlichen in Stich gelassen wurden und es als Ausweg ansahen, fast geschlossen zu verdi überzutreten. (Die IG BCE trat sogar noch nach und ließ die KollegInnen erst zum 1.3. d.J. raus, bemühte das Arbeitsgericht und arbeitet mit der Geschäftsleitung zusammen!).

Unsere Aufgabe ist es, die Souveränität über die Gewerkschaftsapparate zu gewinnen. Das passiert bisher nur in Einzelfällen. Die Wirklichkeit zeigt sich immer am 1. Mai, wo wir alle hinter den Gewerkschaftsvorsitzenden hertrotten und uns ihre kämpferischen Reden anhören (oder auch nicht) und diese Gewerkschaftsführer dann abends in 5 Sterne-Hotels verschwinden zu Arbeitsessen mit anderen Vertretern der deutschen Elite. Unser Weg: Wir bilden in den Betrieben eine Gegenkraft, die sich vernetzt mit Widerständigen anderer Betriebe und Branchen – dies wird die Gewerkschaften verändern zu Instrumenten der Interessen der Kämpfenden. Ein langer Prozeß!

Bei vielen Streiks in der letzten Zeit riefen die KollegInnen: Wir sind IG BCE! Wir sind verdi! (So beim Neupack-Streik, bei den Amazon-Streiks). Damit tun sie wahrlich nicht ihre Begeisterung für die Gewerkschaftsvorsitzenden kund sondern es ist Ausdruck ihres Selbstbewußtseins. Auch Ausdruck dafür, daß sie beim großen Haufen sind der kämpft.

Das Fazit:

Eine Erneuerung der ArbeiterInnenbewegung und der Gewerkschaftsbewegung kann nicht mit dem und durch das Führungspersonal der DGB-Gewerkschaften geschehen! Die Parole kann also nicht heißen: Erneuerung der Gewerkschaften durch (gewerkschaftsgeführte) Streiks. Die Parole kann nur heißen: Erneuerung durch Kampf von unten!

Von den Gewerkschaftsführungen wurden Zukunftsbündnisse 4.0 geschlossen mit Kapitalsverbänden und der Regierung zwecks Sicherung der Vorherrschaft der deutschen Wirtschaft in Europa und weltweit. Dagegen kann nur der Kampf aufgenommen und „Zukunftsbündnisse von unten“ geschlossen werden, von den Lohnabhängigen, ausschließlich für ihre Interessen.

Wir haben also den Kampf aufzunehmen gegen die Herrschenden, die sich uns gegenüber als Elite aufspielen: Kapitalisten mit ihren Managern, Gewerkschaftsführern, Politikern, Justiz und Polizei, Militär, Medien und Kirchenfürsten. Diese Gegenmacht haben wir als Kampfbedingung zu akzeptieren. Voraussetzung, daß wir den Kampf gewinnen, ist, daß wir erfolgreich sind beim Kampf um die Köpfe. Wir müssen den KollegInnen die Interessen der Elite begreiflich machen, welche Pfründe sie zu verteidigen haben.

Das geht nur durch wirkliche Bewegung in den Betrieben. Diese ist von außen durch Unterstützungsgruppen zu fördern. Was heißt, sie haben zu beraten und zu unterstützen, aber ihre Stellung nicht auszunutzen um zu beherrschen. Sie sollten das, was da ist in den Betrieben an Widerstandswille befördern und Kontakte zwischen Betrieben und Branchen herstellen.

Falls sich in den Betrieben Betriebsgruppen und -zellen bilden, sollten die Fehler nicht wiederholt werden, die seit Beginn der 1970er Jahre gemacht wurden, als viele politisch bewußte junge Menschen in die Betriebe strömten und eine Betriebsgruppe ihrer Partei gründeten. Diese unterschiedlichen ideologischen Richtungen (Maoisten/Leninisten/Trotzkisten/Spontis) bekämpften sich oft stärker gegeneinander als die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie (AfA). Es gab damals etliche Ausnahmen, wo sich in Großbetrieben wie der HHLA in Hamburg in der „Alternativen“ Kollegen aus unterschiedlichen Gruppen (hier: KB, KPD/ML und Sozialistisches Büro) zusammentaten, sich gut verstanden und dadurch fähig waren, die ÖTV und die AfA in die Schranken zu weisen und eine erfolgreiche Politik gegen die Geschäftsleitung durchzusetzen. Gruppen wie die „Alternative“ bei der HHLA waren jedoch in Westdeutschland in der Minderheit!
Heute müssen sich in den Betriebsgruppen und -zellen alle vereinen, die den Widerstand gegen die Politik der Firmenleitung und Kapitalsverhältnisse aufnehmen wollen – eine eventuelle Zugehörigkeit zu politischen Gruppen, Ethnien, Religionen muß total in den Hintergrund treten. Nur dann ist die Voraussetzung für eigenständiges und effektives Handeln da.

Theorethische Ansätze zur Bildung einer allgemeinen und effektiven Widerstandsfront in den Betrieben waren schon Anfang der 1970er da, wurden aber zu selten praktiziert! Die Alternative bei HHLA war eher eine Ausnahme!

Dazu Berni Kelb mit seinem Buch: Betriebsfibel (Es hatte damals eine hohe Auflage, von der wir heute nur träumen können): http://de.scribd.com/doc/30067641/Berni-Kelb-Betriebsfibel-Ratschlage-fur-die-Taktik-am-Arbeitplatz externer Link

Aber die Zeit war damals wohl noch nicht reif für die allgemeine und massenhafte Umsetzung derartiger Vorstellungen, heute ist sie es und es ist höchste Zeit! Die Fehler der Zersplitterung des betrieblichen Widerstandes durch die K-Gruppen dürfen nicht noch mal gemacht werden!

Dieter Wegner
(aktiv bei Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg)
März 2016

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=94719
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