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Über das Zusammenwirken deutscher und griechischer Medien und Politiker – gegen die Wünsche der Mehrheit der GriechInnen

Athens Finanzminister Lieblingsfeind deutscher MedienDie Debatte um die demokratischen Rechte der GriechInnen geht weiter – mit der Auseinandersetzung um den Begriff „Putsch“ etwa, den der Kommentar eines Journalisten und Syriza-Abgeordneten hervorgerufen hat, den wir hiermit dokumentieren: In freundlicher, uns zur Verfügung gestellter Übersetzung der KommentarDie Substanz der Vereinbarung herausfiltern, den Putsch herunterschlucken“ von Stelios Kouloglou vom 02. März 2015

 Stelios Kouloglou ist ein bekannter unabhängiger investigativer Journalist und gründete 2010 die unabhängige Online-Plattform TVxs (TV ohne Grenzen). Seit Februar 2015 ist er als Nachrücker für SYRIZA im Europaparlament. In einem Kommentar analysiert er auf tvxs die Kampagnen von Spiegel und Bild und stellt sie in einen Zusammenhang mit den jüngsten ökonomischen Erpressungsversuchen in den Verhandlungen mit der Eurogroup. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass „im Stillen der erste postmoderne Putsch der Geschichte“ ablaufe, der durch samarastreue Journalisten, griechische Unternehmer und deutsche Medien gemeinsam mit den wirtschaftlichen Erpressungen durch Schäuble geplant wurde. Der „Spiegel“ reagierte auf seinen Kommentar unmittelbar mit einem Artikel von Giorgos Christides (04.03.2015) „Paranoia der griechischen Regierung: Intrigen, überall Intrigen“

Die Substanz der Vereinbarung herausfiltern, den Putsch herunterschlucken

Kommentar von Stelios Kouloglou
2.März 2015 (tvxs.gr )

Sicherlich war es ein Zugeständnis an die Demokratie, dass die griechischen Massenmedien, die politischen Parteien und SYRIZA offen über die Vor- und Nachteile der viermonatigen Waffenpause diskutierten, welche von der Regierung gerade mit den Kreditgebern vereinbart wurde. Doch vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, um über einen Putsch zu sprechen?

Denn in den letzten Tagen läuft ein Putsch im Stillen ab. Er zielt darauf ab, die Regierung, die sich nach den Wahlen am 25.Januar gebildet hat, zu kippen und durch ein Kabinett zu ersetzen, das die Befehle aus Berlin und der europäischen Oligarchie diszipliniert umsetzt. Es ist ein Plan, der in den Athener Salons von Unternehmern entwickelt wird, die ihr Geld bereits außerhalb Griechenlands angelegt haben und ihren abgebrühten und samarasfreundlichen Journalisten sowie vom Vorsitzenden der ND selbst. Doch ohne die aktive Teilnahme der deutschen Führung hat er keine Aussicht auf Erfolg.

Angefangen von Drohungen über offene Erpressungen sind die letzten Äußerungen von Schäuble beispiellos in der Geschichte der Europäischen Union und wahrscheinlich auch der gegenwärtigen Diplomatie: Sogar Henry Kissinger sorgte während der Epoche der amerikanischen Allmacht in den 60ern und 70ern Jahren dafür, seine Politik mit Wortgirlanden für die Demokratien des westlichen Typs auszuschmücken. Hier handelt es sich jedoch um einen Finanzminister, bei dem es ausreicht, wenn er die griechische Regierung nicht gerade öffentlich der Verantwortungslosigkeit bezichtigt oder seinen griechischen Amtskollegen ironisch ins Lächerlich zieht, wenn er erklärt, dass „wenn die erste Rückzahlung der Finanzhilfen nicht pünktlich eintrifft, es sich um das bekannte Kreditereignis handelt und dann möchte ich nicht an seiner Stelle (von Yanis Varoufakis) stehen und die Verantwortung dafür tragen, was in diesem Fall mit Griechenland geschieht.“

Wir stehen an einem historischen Wendepunkt. Wie schon 2010 besteht die Drohung in einem Zahlungsausfall und dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass diese Erpressung sich nicht nur die gleichen Medien sondern auch die gleichen Menschen zunutze macht, was übrigens auch in mafiösen Strukturen der Fall ist. Flaggschiff ist das Boulevardblatt „Bild“, das wie 2015 mit dem „Nein“ auch schon 2010 dabei war. Der stellvertretende Chefredakteur Nikolaus Blome schrieb damals: „Griechen raus… Nach den ersten Milliarden, werden noch weitere benötigt. Das kann nicht für immer so weiter gehen.“ 2011 gewann die „Bild“ den Preis der „europäischen Distel“ für ihre antigriechische Kampagne. Den Preis, der für jeden Journalisten eine Schmähung bedeutet, nahm Nikolaus Blome selbst entgegen und verteidigte bei diesem Anlass den Vorschlag von „Bild“ an Griechenland, die Inseln zu verkaufen und brüstete sich damit, dass seine Zeitung sogar Merkel beeinflusse.

Schließlich veröffentlichte der „Spiegel“ in der vergangenen Woche einen Artikel über die „gequälte Beziehung zwischen Varoufakis und Schäuble“. So wie es in der letzten Zeit häufig der Fall im „Spiegel“ ist, beinhaltet der Artikel offensichtlich erfundene Verzerrungen. Um beispielsweise darzustellen, dass Schäuble Varoufakis‘ Kleidung nicht stört, schreibt der Spiegel, dass er auch kein Problem mit dem schwedischen Finanzminister hat, der mit einem „Haarzopf zu den Verhandlungen der Eurogroup“ kam. Detail: Schweden ist kein Mitglied der Eurozone und nimmt folglich nicht an den Zusammenkünften der Eurogroup teil.

Der Artikel präsentiert Schäuble als Sisyphos, der traurig ist, weil Griechenland es wahrscheinlich nicht schaffen wird und aus dem Euro ausscheiden wird. Der Mythos von Sisyphos wird nicht erklärt, aber dass hat seinen Grund: Einer der drei Redakteure ist Nikolaus Blome, der mit der Auszeichnung der Distel am Halsband die Versetzung vom Boulevardblatt Bild zum seriös erscheinenden Spiegel erhielt!

Die besondere Bedeutung des Artikels besteht darin, dass er die Gründe für Schäubles Antipathie gegenüber Varoufakis erklärt: Er wiederholt, dass Varoufakis versucht hat, Deutschland zu isolieren, etwas das nie hätte passieren dürfen, seitdem Sisyphos (besser der Gott der Austerität) Schäuble die richtige Politik umgesetzt hat. So wie es von vielen Seiten festgestellt wurde, ist der Grund für die unerbittliche Haltung Berlins gegenüber Athen nicht ökonomisch sondern politisch begründet: Wenn 1973 durch die Regierung Allende in Chile ganz Lateinamerika nach Links zu driften drohte, dann droht mit der SYRIZA Regierung in Europa des Jahres 2015 ebenfalls eine Kursänderung. Und deshalb muss sie mit allen Mitteln gekippt werden.

Die Frage ist, wie wir auf den ersten postmodernen Putsch der Geschichte reagieren können, in dem anstelle von Panzern ökonomische Maßnahmen zum Einsatz kommen.

Erstens, muss die öffentliche Meinung in Griechenland über den Plan des Regierungsumsturzes informiert werden, zumal über die Aushandlung der Übereinkunft im wahrsten Sinne des Wortes erschöpfend berichtet wurde. Und die Öffentlichkeit muss mobilisiert werden, um die nationale Souveränität zu verteidigen, und nicht um irgendeine Stimme zu bekommen oder um sich zu revanchieren, so wie die bemitleidenswerte KKE fordert.

Zweitens, muss ein Appell an die Heimatliebe der Griechen ergehen, die sich als stolze Menschen empfinden und zur aktiven Mitarbeit bereit sind: Sie müssen ihre Geldeinlagen nach Griechenland und auf die griechischen Banken zurücküberweisen.

Drittens, müssen auch die Auslandsgriechen entsprechende Bemühungen machen, besonders die in Deutschland lebenden Griechen – indem sie die öffentliche Meinung über die griechische Realität informieren, welche auch der Mehrheit der Deutschen unbekannt ist.

Viertens, wir müssen auch das lesen, was der deutsche Journalist Thorsten Denkler in der seriösen „Süddeutschen Zeitung“ in seinem Artikel mit dem Titel „Mätzchen eines Machtlosen“ geschrieben hat. Der „Machtlose“ dabei ist Schäuble, denn „nicht helfen ist schon aus Selbstschutzgründen keine Option“ für das deutsche Bankensystem. „Darum darf sich der Gedanke, Griechenland könne ja vielleicht auch fallengelassen werden, gar nicht erst festsetzen.“ Es ist eine Frage des Selbstschutzes der deutschen Eliten. Nun müssen wir den Verfasser des Artikels nicht wortwörtlich nehmen, aber im Kampf darum, dass die Erpressung nicht durchkommt, sollten wir ihn sehr ernst nehmen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=76625
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