Der Kampf um eine demokratische Öffentlichkeit: Ein qualitativ besserer Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Quoten – und ein demokratiegeneigtes Gemeinnützigkeitsrecht

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.3.2019 – wir danken!

Der beitragsfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss endlich raus aus dem Weg des Abstiegs auf Grund eines ziemlich sinnlosen Rattenrennens (https://de.wiktionary.org/wiki/Rattenrennen externer Link) um die Quote – durch ein Verzicht auf das Werbefernsehen.

Gerade schrieb auch der Historiker Norbert Frei über unser ganzes Elend mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie sollen wir jetzt mit diesem tiefen kommunikations-kulturellen Einschnitt in den achtziger Jahren (vgl. das FRAG-Urteil des BVerfG von 1981: die bisherige Monopolstellung des Ö.R. Rundfunks ist angesichts der inzwischen verfügbaren Frequenzen nicht mehr aufrechtzuerhalten: https://www.telemedicus.info/urteile/Rundfunkrecht/Duale-Rundfunkordnung/82-BVerfG-Az-1-BvL-8987-3.-Rundfunkentscheidung-FRAG.html externer Link) umgehen, als es – durch das Verfassungsgericht zu der Einführung des dualen Rundfunksystems kam? (https://www.sueddeutsche.de/politik/ard-framing-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-1.4348753 externer Link)

Statt konsequent auf die ihnen mögliche Qualität zu setzen, begaben sich die Öffentlich-Rechtlichen – auf den Weg des Abstiegs – durch ein Rennen um die Quote. – Dabei hat z.B. die CSU bei der letzten Wahl in Bayern es „hautnah“ erleben dürfen, was es heißt, den auch rechten Stimmungen einfach nur hinterher zu laufen, um „auf Teufel komm`raus“ irgendwelche Mehrheiten zu erreichen – und diese gerade dadurch knallhart zu verfehlen.

Das wirft die jetzt noch bedeutender werdende Frage auf: Wieso verzichten die beitragsfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen (= rund 8 Milliarden Euro) nicht auf ihr ohnehin eng limitiertes Werbefernsehen (2017 rund 340 Millionen Euro) (https://www.sueddeutsche.de/politik/ard-framing-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-1.4348753 externer Link) – und den dadurch „induzierten“ – irgendwie marktgesteuerten – Realitäts- und damit auch Qualitätsverlust?

Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) hatte diesen Vorschlag vor ein paar Jahren schon durchgerechnet und vorgeschlagen – siehe den Sonderbericht „Verzicht auf Sponsoring und Werbung“ (https://kef-online.de/fileadmin/KEF/Dateien/Berichte/Sonderbericht_Verzicht_auf_Werbung_und_Sponsoring_2014_-_final.pdf externer Link pdf). Die Staatsferne ist bei diesem Modell des Rundfunks immer vorausgesetzt. (http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/medienpolitik/172237/unabhaengigkeit-und-staatsferne-ein-mythos externer Link und dazu noch die Position des Bundestages: https://www.bundestag.de/resource/blob/491782/8c8d23b7383fcfc5ba6c7471081e9538/wd-10-056-16-pdf-data.pdf externer Link pdf)

Aber dennoch (oder gerade deshalb) sind die Öffentlich-Rechtlichen unter Beschuss der Rechten. (AfD & Co.)

So könnte die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen, die auch den rechten Populisten ein Dorn im Auge ist (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ard-und-zdf-im-visier-der-afd-ein-afd-propagandaminister-wird-dann-die-sender-zentral-steuern/13340080-3.html externer Link), doch angesichts des gern fern der Realitäten agierenden Rechtspopulismus wieder eine klare journalistische Grundlage in den Fakten bekommen.

Siehe zu diesem nach rechts driftenden Kontext auch den neuen Reader „Zur rechten Zeit – Wider die Rückkehr zum Nationalismus“ von dem Historiker Norbert Frei u.a.: Verschiebungen in deutschen Gemütern. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5574097&s=DETLEV%2BCLAUSSEN&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Und dann noch eine demokratieschädliche Gemeinnützigkeit: Darf die Gemeinnützigkeit nicht die demokratische Zivilgesellschaft unterstützen?

Ich bin zwar kein versierter Fachmann des Gemeinnützigkeitsrechtes, aber aus Erfahrung ist mir geläufig, dass das jeweilige Finanzamt schon bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit einen großen Ermessens-Spielraum hat. So dass schon hier die Willkür beginnt: Hat man ein Finanzamt, das eher weit innerhalb seines Ermessensspielraums „urteilt“, hat man „Glück“…

Das heißt, schon die Definition der Gemeinnützigkeit nach geltendem Recht scheint bei der Gewährung durch die staatliche Behörde Finanzamt klare „Spielräume“ zu bieten, die von der Finanzverwaltung „beliebig“ (und nicht klar rechtsstaatlich geordnet) ausgeschöpft werden können.

Die gegenwärtige Politisierung des Gemeinnützigkeit an zwei prominenten Fällen – wie Attac und Umwelthilfe – muss als Chance genutzt werden, die Demokratie zu stärken (aber auch Pegida muss dann „mitgenommen“ werden…) (https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/ externer Link).

Deshalb sollte man den gegenwärtigen Fall von Attac – zusammen mit dem „Fall“ Umwelthilfe und der CDU – politisch doch wohl am besten dazu nutzen, hier von dem Gesetzgeber zu fordern, eine demokratiefreundliche Nutzung der Gemeinnützigkeit durchzusetzen. (Vgl. auch die Linke: https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/entscheidung-des-bundesfinanzhofs-gegen-attac-ein-fatales-signal/ externer Link)

Sie existiert – nach meinem bescheidenen Dafürhalten – einfach nicht. (https://www.fr.de/politik/urteil-gefaehrdet-tausende-vereine-stiftungen-11812234.html externer Link, zur allgemeinen Erweiterung dieser Debatte um die ausgrenzende Demokratiefeindlichkeit siehe auch den aktuellen Band von dem Historiker Norbert Frei zusammen mit anderen: „Zur rechten Zeit“ (http://www.dresden-erinnern.org/event/zur-rechten-zeit-wider-die-rueckkehr-des-nationalismus externer Link) sowie noch http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5574097&s=DETLEV%2BCLAUSSEN&SuchRahmen=Print/ externer Link)

So kommt auch der Rechtsexperte Stefan Diefenbach-Trommer zu dem Ergebnis, dass die Abgabenordnung diesbezüglich eine total veraltete Grundlage für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit darstellt. (https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/ externer Link)

Sorry, ein seriöses Gutachten eines – in dieser Hinsicht geneigten – Juristen zu dieser Frage kann da mehr bewirken – nach meiner sicher nicht umfassenden Einsicht – als die mehr „zerfleddernde“ Popularisierung über Soziale Medien, die meist wenig konstruktive, die Demokratie fördernde Zielrichtung haben. (https://www.fr.de/politik/urteil-gefaehrdet-tausende-vereine-stiftungen-11812234.html externer Link)

Als wunderbaren Beleg für diese Klarstellung kann man im Folgenden die klare Positionierung zur Gemeinnützigkeit im Urteil des Bundesfinanzhofes durch Heribert Prantl sich vornehmen.

So sende ich freundlichen Grüße – wobei ich natürlich in der Sache viel demokratie-mehrenden Erfolg wünsche:

Die verschiedenen Wege zum Erfolg für die Gemeinnützigkeit: Eine demokratischen Anforderungen entsprechende Rechtsprechung – oder…?

Den Weg dort hin wird recht unterschiedlich angepeilt – und so will es Attac selbst über eine demokratie-freundlichere Interpretation der bestehenden Abgabenordnung erreichen – jetzt eben – noch einmal – durch die Entscheidung durch das Finanzgericht Frankfurt (https://www.attac.de/kampagnen/jetzt-erst-recht/jetzt-erst-recht/ externer Link).

Mit großer und altbewährter Wortgewalt stößt Heribert Prantl in das gleiche Horn – mit der Hoffnung auf die jetzt kommende Entscheidung des Frankfurter Gerichts: „Der entscheidende Satz des Anti-Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes lautet: „Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck.“

Man muss diesen strohtrockenen Satz zwei-, dreimal lesen, dann beginnt er gefährlich zu knistern. In diesem Satz steckt nämlich eine vordemokratische Botschaft: Politisches Engagement, wie es der Bundespräsident landauf landab von den BürgerInnen verlangt, ist angeblich steuerlich nichts wert. Es ist angeblich weniger relevant für Gemeinnutz und Gemeinwohl als das Werkeln in einem Verein für Modellflug (= die würden nie die jeweilige Macht in frage stellen!), Amatuerfunk, Kleingärtner oder Hundesport. Das alles ist nämlich in Paragraf 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig und förderungswürdig aufgelistet. Diese sich streng an die Auflistung des Gesetzes haltenden Bundesfinanzrichter kann man mit den alten Griechen auch als „Idiotie“ bezeichnen (https://de.wikipedia.org/wiki/Idiotes externer Link sowie auch https://www.wer-weiss-was.de/t/idiot-was-bedeutet-das-wirklich/1577474/2 externer Link), meint Heribert Prantl.

Bei den alten Griechen war eben der ein Idiot, der sich nicht in die allgemeinen Angelegenheiten mischt, sondern nur für sich als Privatmann agiert. Deshalb nannte man im alten Griechenland den Menschen, der sich nur in „seine“ privaten Dinge zurückzieht „Idiotä“ (natürlich in griechischen Buchstaben)(https://www.sueddeutsche.de/politik/attac-prantl-kolumne-1.4350337 externer Link).

Die „verborgene“ Philosophie dieses Urteils ist die alleinige Förderung der Politik durch Großkonzerne – und gerade möglichst nicht durch demokratische „Querschüsse“ aus der „Zivilgesellschaft“. (http://www.ard.de/home/radio/Marktkonforme_Demokratie/4729562/index.html externer Link) Jetzt also wird höchstrichterlich eine Vervollkommnung des neoliberalen Menschenbildes festgelegt: Ist das endgültig der Mensch der die Märkte als quasi heilig verehren soll und in dieser „marktgerechten Demokratie“ nicht widerständig werden darf? (https://german.stackexchange.com/questions/27791/was-ist-der-ursprung-von-marktgerechte-demokratie-oder-marktkonforme-demokrat externer Link)

Nun ist die Schadenfreude bei Teilen von Union, FDP und AfD aber groß. (http://www.taz.de/!5574073/ externer Link)

Lobbying zahlt sich wohl nur für große Konzerne aus: Die Daimler AG kann ihre jeweils 100.000 Euro Spenden an CDU und SPD weiterhin von der Steuer absetzen – wer jedoch Attac als Gegengewicht unterstützen will kann das nicht. (http://www.taz.de/!5574073/ externer Link)

Die Umwelthilfe – brauche sich im Gegensatz zu Attac – keine Sorgen machen, denn der Umweltschutz ist im Paragraf 52 der Abgabenordnung ausdrücklich erwähnt, meint Ingo Arzt und Christian Rath. (http://www.taz.de/!5574073/ externer Link) Aber wenn – wie Prantl erklärt – ein derart restriktiver Politik-Begriff (alles „Politische“ ist gerade nicht föderungswürdig) angewendet wird, könnte es dennoch der Umwelthilfe eventuell nichts nützen – mit der Folge, dass „ihr“ – dezidiert politisches – Umweltschutzverständnis doch nicht mehr förderungswürdig ist.

Vielleicht gibt es bald wieder einen Kanzler oder Kanzlerin, der /die dieses Ideal eines neoliberalen Menschenbildes, der keinesfalls der wirtschaftsfreundlichen Machtausübung in die Quere kommen darf, als „alternativlos“ (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/sprachkritik-alternativlos-ist-das-unwort-des-jahres-a-740096.html externer Link) zu bezeichnen beliebt?

„Volksbildung“ darf nur ja nicht konkret, sondern nur möglichst allgemein sein.

So muss sie zur Quelle des Populismus werden, Aber für Attac muss jedoch die Förderungsmöglichkeit als gemeinnützig „zerrinnen“.

Aber Heribert Prantl findet nach dieser Einordnung des für unsere Gesellschaft „idealen“ Menschen hinaus auch noch, dass die Richter einfach auch keine Lust hatten, Begriffe der Abgabenordnung wie „Volksbildung“ aufklärerisch auszulegen. Die Volksbildung, so meinen die Finanzrichter, soll, wenn sie schon politisch ist, möglichst allgemein und unkonkret sein. (Frage: Ist das nicht die beste Grundlage für alle „Fake News“? Und damit auch für den aktuell grassierenden Populismus?)

Wenn das Engagement aber konkret wird – wie z.B. bei der Finanztransaktionssteuer (https://stephanschulmeister.wifo-pens.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/FTT_Diplo_12_14.pdf externer Link pdf) u.a. dann wird das Engagement von Attac angeblich für diese Finanzrichter heikel. Mit der Folge, dass dann einfach für Attac die Förderungswürdigkeit zerrinnt. (https://www.sueddeutsche.de/politik/attac-prantl-kolumne-1.4350337 externer Link)

Die fehlende geistige Offenheit, die das Bundesfinanzgericht Attac vorwirft, muss es erst einmal gegen sich selbst gelten lassen.

Fehlende geistige Offenheit hat der Bundesfinanzhof jetzt Attac vorgeworfen. Das ist zunächst eine Hohl-, Leer- und damit Vernichtungsformel. Den Vorwurf kann man nämlch jeder Ansicht machen, die einem nicht passt. Fehlt denn die geistige Offenheit, wenn man den „ausbeuterischen und spekulativen Absichten auf den Finanzmärkten“ per Transaktionssteuer den Riegel vorschieben will? Das Zitat stammt nicht von Attac, sondern vom Papst Franziskus. (https://www.sueddeutsche.de/politik/attac-prantl-kolumne-1.4350337 externer Link)

Das Steuerecht darf also kein Mittel sein, um unliebsamen Organisationen über den Entzug der Förderungswürdigkeit den Garaus zu machen. Eines freilich geht nicht: Grundrechtsfeindlichkeit und Gemeinnutz. Wer also Rassissmus propagiert, wer gegen Minderheiten hetzt, der kann das nicht mit steuerlicher Förderung tun. (https://www.sueddeutsche.de/politik/attac-prantl-kolumne-1.4350337 externer Link)

Zu einer Vertiefung der historischen Debatte in dem gegenwärtigen Rechtsruck mit seinen möglichst andere ausgrenzendem Nation- und Heimat-Verständnis der Rechten siehe auch den aktuellen Band „Zur rechten Zeit“ (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5574097&s=DETLEV%2BCLAUSSEN&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Der Weg zur demokratiefreundlichen Gemeinnützigkeit über eine gesetzgeberische Reform der Abgabenordnung.

Das ist im aktuellen Koalitionsvertrag schon richtig angelegt. Noch einmal zurück zu dem Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, Stefan Tiefenbach- Trommer: Ihm geht das Urteil des Bundesfinanzgerichtes einfach in die falsche Richtung. (http://www.taz.de/!5577159/ externer Link)

Zwar geht das Urteil eindeutig in die falsche Richtung, aber es soll jetzt keine Richterschelte betrieben werden. Man könnte auch sagen, der Bundesfinanzhof hat die Schwächen des geltenden Gemeinnützigkeitsrechts schonungslos offengelegt. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Die Regeln der Gemeinnützigkeit müssen endlich – und eindeutig – modernisiert werden. (https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/bundestag-muss-neue-zwecke-ins-gesetz-schreiben/ externer Link)

Dafür gibt der Koalitionsvertrag dieser Regierung durchaus die Möglichkeit. Dort heißt es nämlich: Man wolle das Gemeinnützigkeitsrecht verbessern, um die Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements zu fördern. Das ist zwar allgemein formuliert, aber es passt.

Es ist zwar traurig wenn – wie die CDU bei der Umwelthilfe – zivilgesellschaftliches Engagement nach einer politischen Freund-Feind-Logik bewertet wird – allerdings mit seinen eindeutigen Grenzen in einem grundrechts- und demokratiefeindlichem Bestreben. Gewürdigt werden sollte eher, dass gerade Protestbewegungen oft Fachwissen und unterbelichtete Perspektiven einbringen. Sie nerven zwar – aktuell, aber oft zeigt sich später, dass sie recht hatten. (http://www.taz.de/!5577159/ externer Link)

Unterstützt wird dieses Anliegen – in beide Richtungen, d.h. sowohl über eine Korrektur der Rechtssprechung des Bundesfinanzgerichts als auch durch eine Änderung der gesetlichen Grundlagen in der Abgabenordnung – noch durch Campact: https://aktion.campact.de/gemeinnuetzigkeit/appell/teilnehmen externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=145336
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