G20-Proteste in Hamburg: Keine Ermittlungen gegen vermummte Polizisten – Beschwerde und Strafanzeige dagegen

Dossier

Französischer Polizeistaat gegen Demonstranten - Paris am 29.11.2015„... Die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund für Ermittlungen gegen verdeckte Ermittler bei einer linksautonomen Demonstration gegen den G20-Gipfel Anfang Juli 2017. »Wir haben das geprüft«, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach am Donnerstag. Polizeibeamte im Einsatz fielen nicht unter das Versammlungsgesetz. Das Vermummungsverbot, das Teil des Gesetzes ist, gelte für sie nicht. Darum sehe die Staatsanwaltschaft auch keinen Anlass, von Amts wegen zu ermitteln. Gegenüber dem »nd« kritisierte Juliane Nagel von der LINKEN die Auffassung der Hamburger Staatsanwaltschaft: »Die Entscheidung ist ein fatales Signal, es bedeutet, dass für zukünftige Demonstrationen immer die Gefahr besteht, dass politische Straftaten von Zivilpolizisten aus der Versammlung heraus begangen werden könnten«. (…) Nagel fordert nach den ausbleibenden Ermittlungen durch die Hamburger Staatsanwaltschaft gegenüber »nd« eine finale Klärung der juristischen Situation. »Wenn Polizisten in zivil in Demonstrationen agieren dürfen, ohne sich zu erkennen zugeben, höhlt das die Versammlungsfreiheit aus und schafft große Rechtsunsicherheit für Demonstrationsveranstalter und – teilnehmer«, so die Politikerin.“ Beitrag von Fabian Hillebrand vom 25. Mai 2018 in neues Deutschland online externer Link, siehe dazu weitere Informationen sowie Beschwerde und Strafanzeige von Armin Kammrad:

  • Hamburgische Bürgerschaft steht hinter Angriff auf das Versammlungsrecht New
    Mit seinem Schreiben vom 17.01.2019 hat mir nun der Eingabeausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft auf meine Beschwerde vom 22. Oktober 2018 „wegen des Umgangs der Hamburger Staatsanwaltschaft mit möglicherweise strafbarem Verhalten der Polizei anlässlich einer G20-Versammlung“ abschlägig geantwortet. Die Stellungnahme des Hamburger Senats wurde eingeholt. Darauf antworten möchte ich nicht mehr. Bereits im Schreiben vom 2. Oktober 2018 hatte mich die Oberstaatsanwaltschaft auf § 172 StPO (Ermittlungs- bzw. Klageerzwingung) als letzte juristische Möglichkeit verwiesen, die ich jedoch als nicht direkt Betroffener gar nicht wahrnehmen kann. Deshalb hier nur noch ein kurzer Kommentar zur Stellungnahme von Senat und Bürgerschaft. Dass der Senat ebenfalls „das Vorliegen eines Anfangsverdachtes“ verneint, kann nicht überraschen. Dass jedoch behauptet wird, die „Staatsanwaltschaft habe geprüft, ob ein Verstoß gegen das in 17a Abs. 2 Versammlungsgesetz (VersG) normierte Vermummungsverbot vorliegen (…) könne“, betrachte ich als pure Ignoranz meines Anliegens. Ging es mir beim strafbaren Verhalten nie darum, sondern um den Einsatz von vermummten Polizisten als Agent Provocateur und als Vorwand für polizeiliche Gewalt. Dies bestreitet der Senat und übernimmt die unbewiesene Behauptung vom ang. „Tatbeobachter“. (…) Dass man großen Wert darauf legt, besonders bestimmte linke Versammlungen als Sache „purer“, unpolitischer Gewalt der Öffentlichkeit zu verkaufen, zeigt sich auch in dem ganzen Bemühen von Politik, Staatsanwaltschaft und teilweise auch Gericht, selbst Demonstranten, die nachweislich überhaupt keine Gewalt ausübten, wegen Gewaltteilnahme zu bestrafen…“ Kommentar von Armin Kammrad vom 27. Januar 2019 zur Antwort auf seine Beschwerde, siehe dazu die Antwort der Hamburgischen Bürgerschaft vom 17.01.2019 auf die Beschwerde von Armin Kammrad vom 22. Oktober 2018
  • Generalstaatsanwaltschaft Hamburg lehnt Ermittlungen wegen heimlicher Vermummung von Polizisten ab: Beschwerde bei der Hamburgischen Bürgerschaft 
    Nach der Strafanzeige wegen des Verdachts der Rechtsbeugung, lehnt auch die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg Ermittlungen wegen heimlicher Vermummung von Polizisten in einer Versammlung ab, die wegen Vermummung gewaltsam aufgelöst wurde (siehe Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 2.10.2018 . Doch der Kampf muss weitergehen. Deshalb: Beschwerde bei der Hamburgischen Bürgerschaft  wegen des Umgangs der Hamburger Staatsanwaltschaft mit möglicherweise strafbarem Verhalten der Polizei anlässlich der G20-Versammlung („Wellcome to Hell“) am 6. Juli 2017 vom 22. Oktober 2018 von Armin Kammrad.

    • Aus dem Text der Beschwerde: „Mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2018 (Az. 2 Zs 588/18) bestreitet die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg nun auch weiterhin das Fehlen den für eine Ermittlung erforderlichen Anfangsverdacht (vgl. Anl.). Da ich dem dort enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit nach § 172 StPO (Klageerzwingung) allein schon deshalb nicht nachkommen kann, weil ich kein Teilnehmer an der Versammlung war, bleibt nur noch dieser Weg, d.h. im Sinne von Art. 17 GG einer Beschwerde bei Ihnen. Ich fordere Sie deshalb hiermit auf, im Interesse des Rechtsstaates und seiner Akzeptanz, gegenüber der Staatsanwaltschaft Hamburg auf Ermittlungen in der Sache zu bestehen. (…) Wie sich (…) eindeutig zeigt, rechtfertigt die Begründung der Staatsanwaltschaft keinen Verzicht auf Ermittlung von Tatsachen. Im Gegenteil zeigt sich, dass selbst für eine verdeckte Polizeiarbeit keine Vermummung erforderlich war. Der Grund muss woanders liegen, wobei nur der Einsatz als „Agent Provocateur“ überhaupt einen logischen Sinn ergibt. Abschließend bitte ich um Verständnis, dass ich ein Interesse daran haben, zu wissen, ob der sich straffällig verhaltene Demonstrant nun auch wirklich ein Demonstrant und kein verkleideter Polizist ist. Dem steht es entgegen, wenn die Staatsanwaltschaft damit anfängt, bei heimlichem polizeilichen Verhalten das zu rechtfertigen, was „Normalbürgern“ untersagt ist. Leider sorgt die ganze Heimlichtuerei um den unaufgeklärten Vorgang so nur dafür, dass man den Eindruck hat, straffälliges Verhalten im Zusammenhang mit Versammlungen kann auch Resultat verdeckter polizeilicher Aktivität sein, um unliebsame Demonstrationen unbemerkt zu unterbinden…“
  • Keine Ermittlungen gegen vermummte Polizisten – Strafanzeige wegen des Verdachts der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) durch Staatsanwaltschaft Hamburg  
    Strafanzeige von Armin Kammrad vom 27. Juni 2018 , „wegen des Verdachts der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) durch die Ablehnung strafrechtlicher Ermittlung betreffs des Einsatzes als Straftäter verkleideter Polizisten in der Versammlung („Wellcome to Hell“) am Morgen des 7. Juli 2017 im Bereich der Straße Rondenbarg, die vermutlich als Agents Provocateurs eingesetzt wurden“. Aus der Begründung: „… Ich hatte zunächst am 31.05.2018 über den Weg einer Beschwerde versucht, die bezüglich des oben genannten Sachverhalts erforderliche strafrechtliche Ermittlung anzustoßen. Mit Antwortschreiben v. 08.06.2018 lehnt die Staatsanwaltschaft (unter Az.: 7320 AR 7 / 18) jedoch weiterhin eine Ermittlung ab und bestreitet, dass dafür „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ vorlägen (§ 152 Abs. 2 StPO). (…) Da – nach eigenen Angaben – von Seiten der Polizei, eindeutig kein Interesse bestand und besteht, alle verdeckt agierenden Polizeiaktivitäten zu offenbaren, liegt nicht nur ein Verstoß gegen Art. 8 GG vor (man kann so nämlich nicht mehr davon ausgehen, dass sich hinter einem sich rechtswidrig verhaltenen Demonstranten kein Polizist verbirgt). Wegen der Bedeutung einer Vermummung für die Durchführung der genehmigten Demonstration, war der Einsatz von vermummten Polizisten eine bewusste Provokation und ein subjektiv gewolltes Hindernis für die Versammlungsleitung, eine Versammlung ohne strafbare Handlungen durchzusetzen, also dem Aufruf der Polizei auf Beseitigung jeglicher Vermummung ausnahmslos Folge zu leisten. Insgesamt zeigt der ganze Vorgang, dass es nicht reicht, nur zu betonen, dass Polizisten keine Versammlungsteilnehmer sind und sich sogar als straffälliger Demonstrant verkleiden dürfen. Das Versammlungsrecht setzt dem geheimen Tun der Polizei Grenzen. Sie darf nicht selbst durch Provokationen an der Auflösung von Demonstrationen aktiv mitwirken. Aus dem genannten Zusammenhang ergibt sich für mich eindeutig der Verdacht, dass es der Polizei genau darum ging: Um die Legitimation eines Angriffs auf das Versammlungsrecht politisch unerwünschter Opposition. (…) Die Staatsanwaltschaft kann auf diesem Hintergrund nicht auf Ermittlungen verzichteten, will sie sich nicht dem Verdacht aussetzen, möglicherweise strafbares Verhalten von Polizisten zu ignorieren oder gar nachträglich umzudeuten. Ihre Aufgabe ist es Ereignisse ohne Ansehen der Person strafrechtlich zu werten. Sie muss auch die Grundrechte von Demonstranten vor polizeilicher Willkür schützen und auch bei Polizisten strafrechtlich relevantes Verhalten nach § 152 StPO verfolgen. Dem verweigert sich die Staatsanwaltschaft auch weiterhin, weshalb eine Anzeige wegen des Verdachts auf Rechtbeugung geboten ist.“
  • WD-Gutachten zu eingeschleusten Polizisten bei G20: Straffrei vermummt – aber nicht folgenlos 
    „… Für Zivil-Polizisten auf Demos gilt das Vermummungsverbot nicht. Sie dürfen durch ihr Verhalten aber keinen Grund für die Auflösung einer Versammlung liefern, zu diesem Ergebnis kommt ein knapp zehnseitiges Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) des Deutschen Bundestags. Außerdem müssten sich die in die Demo entsandten und vermummten Polizisten dem Versammlungsleiter zu erkennen geben, so das Gutachten. Diese juristische Einschätzung zum Einsatz von vermummten Polizisten bei der „Welcome to Hell“-Demo zum Hamburger G20-Gipfel 2017 hatte der Abgeordnete der Partei Die Linke im Bundestag Andrej Hunko in Auftrag gegeben. „Vermummte Polizisten haben die Auflösung einer Demonstration begünstigt oder sogar herbeigeführt. Das muss Konsequenzen haben“, sagte Hunko gegenüber LTO. „Faktisch haben sie sich dabei als agents provocateurs betätigt. Hier spricht das Gutachten eine klare Sprache.“ Zwar dürfen sich nach dem Gutachten vermummte Polizisten straffrei unter eine Demo mischen – allerdings betont das Dokument auch: „Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung einer Vermummung von Polizisten darf der Staat jedoch in keinem Fall unmittelbar durch seine Beamten oder mittelbar durch sie als agents provocateurs einen Grund für die Auflösung einer Versammlung schaffen.“ Tatsächlich war Vermummung der Grund, warum die Polizei am 6. Juli 2017 die Spitze der Demo am Hamburger Fischmarkt stürmte und schließlich die Versammlung auflöste. (…) Die Einschätzung des Gutachtens könnte damit zu folgender Konsequenz führen: Die Polizei darf vermummte und derart getarnte Beamte in eine Demo schicken – sie wird dann aber womöglich eine Auflösung der Demo nicht auf Verstöße gegen das Vermummungsverbot stützen können, ohne die Rechtmäßigkeit der Auflösung zu riskieren. Es käme danach entscheidend darauf an, ob die vermummten Undercover-Polizisten durch ihr Verhalten andere Demonstrationsteilnehmer dazu motiviert haben, sich ebenfalls zu vermummen…“ Beitrag von Markus Sehl vom 14. Juni 2018 bei Legal Tribune Online externer Link, dieser Beitrag basiert auf die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 181/18 vom 12. Juni 2018 des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags externer Link
  • Keine Ermittlungen gegen vermummte Polizisten – Beschwerde wegen Verstoß der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen § 152 Abs.2 StPO 
    Nach § 152 Abs.2 StPO ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, „wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“. Bezüglich der vier vermummt („mit bis unter Nase hochgezogenem Tuch und dunkler Kleidung“) in die oben genannte Versammlung unerkannt sich einreihender Polizisten, entspricht die verantwortliche Staatsanwaltschaft nicht der gesetzlichen Verpflichtung, wenn sie jegliche Ermittlung ablehnt. „Man habe das geprüft“, erklärte letzte Woche Oberstaatsanwältin Nana Frombach gegenüber der Presse. „Das Versammlungsgesetz und somit auch das Vermummungsverbot gelte nicht für Polizeibeamte im Einsatz“. Doch gerade weil Polizisten im Einsatz keine Versammlungsteilnehmer im Sinne von § 1 VersG sind, ist hier nach § 160 StPO zu ermitteln. (…) Als besonders schwerwiegendes Indiz möglicherweise strafbarer Handlung muss die Vermummung der vier Polizisten betrachtet werden, die sich selbst dann nicht rechtfertigen lässt, wenn man eine verdeckte Teilnahme akzeptiert (warum überhaupt vermummt?). (…) Erschwerend kommt die, mit einer Vermummung verbundene Ausstrahlung auf andere Ver-sammlungsteilnehmer, hinzu. Ich teile in diesem Punkt die Ansicht von RA Jasper Prigge, der die Begründung der Staatsanwaltschaft als einen „Freifahrtschein“ für verdeckt ermittelnde Polizisten betrachtet, als „Agent Provocateur aufzutreten…“ Beschwerde von Armin Kammrad vom 31. Mai 2018 an Leitende Oberstaatsanwaltschaft Hamburg
  • Dieser Anwalt erklärt, warum verdeckte Polizisten bei G20 Straftaten begangen haben könnten
    „… Man habe das geprüft, sagte die Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Das Versammlungsgesetz und somit auch das Vermummungsverbot gelte nicht für Polizeibeamte im Einsatz. Der Rechtsanwalt Jasper Prigge sieht das anders. Als Verwaltungsrechtler ist er Experte auf dem Gebiet des Versammlungsrechts, das für jede Demo in Deutschland gilt. Für ihn klingt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft wie ein Freifahrtschein für verdeckte Polizisten, Demonstrierende zu Straftaten anzustiften: (…) Grundsätzlich müssen sich Polizisten, die in eine Versammlung entsandt werden, nach Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes dem Versammlungsleiter zu erkennen geben. Das heißt, verdeckte Ermittler sind im Ausgangspunkt versammlungsrechtlich nicht zulässig. (…) Wenn man sagen würde, der Straftatbestand des Vermummungsverbotes gilt bei Versammlungen für verdeckt ermittelnde Polizisten nicht, wäre das ein Freibrief dafür, als Agent Provocateur aufzutreten. Einzelne Beamte könnten ohne große Angst vor rechtlichen Konsequenzen mit ihren Straftaten andere dazu verleiten, sich ebenfalls zu vermummen. Das halte ich für problematisch. (…) Als Versammlungsteilnehmer muss ich sicher sein können, dass neben mir kein Polizeibeamter steht und mich bespitzelt. Nur so ist eine unbefangene Ausübung meines Grundrechts möglich und aus diesem Grund gibt es ja im Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes die Pflicht, sich als Polizeibeamter, der in eine Versammlung entsandt wird, zu legitimieren. Und auch verdeckte Ermittler werden in eine Versammlung entsandt…“ Tim Geyer im Gespräch mit Jasper Prigge bei vice.com vom 25. Mai 2018 externer Link

 

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