„Cum-Ex-Files“: Angriff auf Europas Steuerzahler

Dossier

CORRECTIV: CumExFilesEs geht um mindestens 55 Milliarden Euro: Der organisierte Griff in die Steuerkasse durch „steuergetriebene Aktiengeschäfte“ ist viel größer als angenommen. (…) Und die Bundesregierung unterließ es über Jahre, ihre europäischen Partner zu warnen, obwohl sie längst von dem Raubzug wusste. (…) Im Interview bezeichnet der Insider die „steuergetriebenen Geschäfte“ als „organisierte Kriminalität in Nadelstreifen“. (…) Cum-Ex wird von der Bundesregierung als illegal eingestuft und ist Gegenstand zahlreicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren. (…) Fast alle großen Banken waren an den Aktiengeschäften auf Kosten des Steuerzahlers beteiligt. „Da können Sie sich eine aussuchen. Ich kenne kaum eine, die nicht dabei war“, so der Insider. Verdeckte Recherchen zeigen außerdem, dass die Geschäfte zulasten der europäischen Steuerzahler bis heute weitergehen…“ Beitrag von Manuel Daubenberger, Karsten Polke-Majewski, Felix Rohrbeck, Christian Salewski und Oliver Schröm vom 18. Oktober 2018 bei tagesschau.de externer Link, siehe dazu auch den ausführlichen Bericht von CORRECTIV „The Cumex Files“ vom Oktober 2018 externer Link und weiter dazu:

  • Cum-Ex-Skandal: Versteckspiel im Kanzleramt New
    „… Frühmorgens verschafften sich die Fahnder bei der Cum-Ex-Razzia im vergangenen Herbst Zugang zu Wohnungen des ehemaligen SPD-Spitzenpolitikers Johannes Kahrs. Der einstige haushaltspolitische Sprecher der SPD und frühere Vorsitzende des konservativen „Seeheimer Kreises“ steht im Verdacht, gemeinsam mit anderen der Hamburger Traditionsbank M.M. Warburg geholfen zu haben, dass sie 47 Millionen Euro Steuergeld aus illegalen Cum-Ex-Geschäften behalten durfte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln laufen bis heute – und bringen immer wieder neue Details ans Licht. So sicherten die Ermittler nach Recherchen des WDR bei der Razzia auf Kahrs‘ Computer unter anderem einen Kalendereintrag, der auf ein brisantes Treffen hinweisen könnte. Für den 30. August 2020 ist dort ein Treffen mit Olaf Scholz vermerkt. Hat dieses Treffen stattgefunden? Scholz hat es bislang nirgends erwähnt. Weder bei Antworten auf Kleine Anfragen noch vor dem Untersuchungsausschuss, der die Warburg-Affäre aufklären soll. Dabei könnte das Treffen am 30. August 2020 brisant sein: Scholz war damals Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat. Kahrs war zu diesem Zeitpunkt bereits von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Wenn das Treffen tatsächlich stattgefunden hat, wäre der Zeitpunkt bemerkenswert. Denn nur einen Tag später bekamen Scholz und Kahrs eine offizielle Anfrage von NDR, „Zeit“ und „Süddeutscher Zeitung“ zu Cum-Ex und der Warburg-Affäre auf den Tisch. Am 3. September 2020 veröffentlichten die Medien dann eine brisante Geschichte basierend auf Auszügen aus den Tagebüchern des Warburg-Eigentümers Christian Olearius. Die persönlichen Notizen des Bankiers rückten zwei Männer besonders ins Zentrum des Skandals: Olaf Scholz und Johannes Kahrs. (…) Angesichts des nun bei Kahrs neu aufgetauchten Kalendereintrages fragte der WDR gezielt nach einem Treffen am 30. August 2020 mit Kahrs. Das Kanzleramt fühlt sich für die Fragen nicht zuständig. Ein Regierungssprecher teilte schriftlich mit: „Der im Kanzleramt für den Bundeskanzler geführte Terminkalender beginnt mit dem 8. Dezember 2021. Daher ist keine Aussage zu einer Kalendereintragung davor möglich.“ An Scholz‘ früherer Wirkungsstätte, dem Finanzministerium, wiederum heißt es, eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche bestehe nicht. Eine umfassende Dokumentation sei nicht erfolgt. Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Sommer vergangenen Jahres hatte das Ministerium seinerzeit erklärt, ein Fachbeamter des Ministeriums habe Kahrs im September 2019 getroffen, um über das Bundesschuldenwesen zu sprechen. „Die Abfrage hat darüber hinaus keine Termine oder Besprechungen im Sinne der Fragestellung ergeben.“ Kahrs selbst antwortete gar nicht auf die WDR-Anfrage. Gab es wirklich keine Treffen zwischen Kahrs und Scholz, in denen auch über Cum-Ex gesprochen wurde? Die Frage scheint einfacher als eine klare Antwort.“ Beitrag von Massimo Bognanni vom 16. September 2022 bei tagesschau.de externer Link
  • Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz und die Hamburger SPD
    Eine True-Crime-Story: In Hamburg ereignet sich im Jahr 2016 ein spektakulärer Raub. Geraubt werden 47 Millionen Euro. Das Opfer des unfassbaren Raubs: Der ganz normale Hamburger Bürger. Und zwar jeder Hamburger und auch jede Hamburgerin, der oder die Steuern zahlt. Wie konnte es dazu kommen?Video des Beitrags in der Sendung extra 3 am 11.08.2022 externer Link
  • [Petition] CumEx: Transparenz statt Erinnerungslücken!
    Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, immer wieder kommen neue Erkenntnisse rund um den CumEx-Steuerraub in Hamburg ans Tageslicht. Mit jeder Veröffentlichung leidet das Vertrauen in die Politik, für das Sie als Bundeskanzler und Demokrat besondere Verantwortung tragen. Vor allem Ihr mangelnder Wille, Transparenz über die Vorwürfe zu schaffen und Konsequenzen daraus zu ziehen, nähren seit Jahren Politikverdrossenheit. Sie sollten einer lückenlosen Aufklärung der politischen Einflussnahme im CumEx-Skandal nicht länger im Weg stehen! Wir fordern Sie deshalb auf: Schaffen Sie endlich volle Transparenz, damit das Vertrauen in unseren Rechtsstaat wieder gestärkt wird!…“ Petition von Finanzwende externer Link
  • House of Kahrs: Der Kanzler könnte über einen Polit-Mafioso aus Hamburg stürzen 
    Bei Johannes Kahrs, SPD, wurden über 200.000 Euro gefunden. Steht das Geld mit der Warburg-Affäre und Olaf Scholz in Verbindung?
    Zwei Tage nach der Bundestagswahl fand beim SPD-Strippenzieher aus Hamburg, Johannes Kahrs, eine Razzia wegen der kriminellen Cum-ex-Geschäfte der Warburg-Bank statt. Cum-ex bezeichnet Aktiendeals, bei denen die mehrfache Rückerstattung von Kapitalertragssteuern beantragt wird, die jedoch nur einmal gezahlt wurden. Es ist wie eine Pfandflasche im Supermarkt abzugeben, dann den Pfandbon zu kopieren und an der Supermarktkasse abzukassieren. Mit dem Unterschied, dass die Supermarktkasse der Staat ist und es um Milliarden geht. Gefunden wurden bei der Razzia in der Privatwohnung des einflussreichen SPD-Politikers Kahrs von der konservativen Parteiströmung Seeheimer Kreis, der auch Bundeskanzler Olaf Scholz nahesteht, unter anderem der Mietvertrag für ein Bankschließfach bei der Hamburger Sparkasse, in dem sich über 200.000 Euro Bargeld befanden.
    Zuvor war bereits öffentlich geworden, dass eine Hamburger Finanzbeamtin, die der Warburg-Bank geraten hatte, sich wegen drohender Rückforderung geraubter Cum-ex-Millionen an die Politik zu wenden, damit prahlte, dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei und die Vorgesetzen in der Finanzbehörde (dem Hamburger Finanzministerium) zufrieden mit ihr seien. Diese Finanzbeamtin diente dem Kanzleramtschef von Olaf Scholz, Wolfgang Schmidt, kürzlich noch als glaubhafte Entlastungszeugin für Olaf Scholz in der Warburg-Affäre. Kahrs war derjenige, der laut den beschlagnahmten Tagebüchern des Cum-ex-Bankiers Olearius unter anderem den Kontakt zwischen Olearius und dem damaligen Ersten Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, herstellte. (…)
    Diese Enthüllungen haben das Potenzial für eine Staatskrise. Denn es geht längst nicht mehr nur darum, warum der Bundeskanzler auch mich persönlich am 4. März 2020 im Bundestag auf meine konkrete Nachfrage zu weiteren Treffen mit dem Warburg-Bankier Olearius, von denen damals erst eines bekannt war, belogen hat – nur um sich später auf Erinnerungslücken zu berufen! Es geht nicht nur darum, ob Politik organisierte Kriminalität, nichts anderes ist Cum-ex, geschützt hat und Einfluss auf ein Steuerverfahren genommen hat, um 2016 die Tatbeute in die steuerliche Verjährung laufen zu lassen. (…) Es geht auch darum, ob die Politik käuflich war! Der Vorsitzende des Warburg-Untersuchungsausschusses der Hamburger Bürgerschaft, Mathias Petersen (SPD), führte kürzlich im Spiegel aus: Der Gedanke lieg nahe, dass Kahrs „die Spenden (Anmerkung des Autors: gemeint ist der Warburg-Bank) als Gegenleistung für seinen Einsatz in der Steuersache Warburg eingeworben hat!“ Da Kahrs Engagement unter anderem in der Vermittlung von Gesprächen mit Olaf Scholz bestand, drängt sich daher die Frage auf, wie die SPD dann zu der Behauptung kommt, es habe keinen Einfluss auf das Steuerverfahren gegeben? Worin bestand denn sonst die Leistung von Kahrs? Und warum hat die SPD Hamburg bis heute die Cum-ex-Spenden nicht zurückgezahlt, die Warburg mutmaßlich noch steuermindernd absetzen konnte? Man kann nicht vom „House of Kahrs“ finanziell profitieren und ihn dann zum Einzeltäter abstempeln…“ Eine Analyse von Fabio De Masi vom 08.08.2022 in der Berliner Zeitung online externer Link
  • CumEx: Wie dein Steuergeld bei Millionären landete / Olaf Scholz und der „Anfangsverdacht“
    • CumEx: Wie dein Steuergeld bei Millionären landete
      Es ist der größte Steuerraub der deutschen Geschichte: CumEx. Schätzungen zufolge ist der deutsche Staat durch den CumEx-Steuerskandal um mehr als 12 Milliarden Euro betrogen worden. Steuergeld, das du bezahlt hast, etwa für Kitas, Schulen, Krankenhäuser oder den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Dieses Geld ist nun stattdessen in den Taschen von CumEx-Akteuren gelandet: Bankern, Beratern und Aktienhändlern.  Die haben sich Steuern erstatten lassen, die sie nie gezahlt haben. Ein Griff in die Staatskasse. Die CumEx-Akteure behaupteten stets, das sei legal gewesen. Dabei war CumEx schon immer verboten und strafbar. Dies wurde im Juli 2021 auch vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich bestätigt. 
      Fast drei Jahrzehnte lief der beispiellose Steuerraub, die Politik ließ es geschehen. Obwohl verdächtige CumEx-Geschäfte bereits in den 90er Jahren entdeckt wurden.
      WDR Investigativ und Süddeutsche Zeitung haben jahrelang zu CumEx recherchiert. In diesem Video zeigen wir, wie die Finanzminister in den vergangenen Jahren zu wenig gegen die CumEx-Industrie unternahmen. Einige von ihnen erklären, erst viel zu spät von CumEx erfahren zu haben.  Dass die CumEx-Akteure nicht davonkommen und unser Steuergeld nicht für immer verloren ist, ist keineswegs der Verdienst der Politik oder der Finanzbehörden – sondern der einer Kölner Staatsanwältin und ihres Teams. Anne Brorhilker und ihre Kollegen haben inzwischen 86 Verfahren gegen mehr als 1000 Beschuldigte eingeleitet. Sie wird vermutlich noch Jahrzehnte brauchen, um ihre Ermittlungen abzuschließen…“ Video des Beitrags des WDR Investigativ am 29.12.2021 bei youtube externer Link
    • Hamburg mauert bei Cum-Ex-Akten: Die Staatsanwaltschaft führte Vorermittlungen gegen Ex-Bürgermeister Scholz. Dessen Anwalt wusste Bescheid, der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss nicht
      Die Opposition im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft fühlt sich düpiert, weil ihr Akten der Staatsanwaltschaft vorenthalten wurden. Dabei geht es um Vorermittlungen gegen Olaf Scholz und Peter Tschentscher – der eine inzwischen Bundeskanzler, der andere Hamburger Bürgermeister. Scholz‘ Anwalt dagegen wusste Bescheid. Er verlangte, die Ermittlungen einzustellen, wie aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hervorgeht. (…) Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) versucht die Frage zu klären, ob die damalige Senatsspitze zugunsten von Warburg auf das Finanzamt eingewirkt hat. Dafür sprechen unter anderem zunächst verschwiegene Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz mit Vertretern der Warburg-Bank. Der Senat bestätigte Berichte des Manager Magazins sowie des ARD-Magazins Panorama, nach denen ab Februar 2020 insgesamt neun Strafanzeigen gegen Hamburger Entscheidungsträger dabei auch ausdrücklich gegen Scholz und Tschentscher gestellt wurden. Vorausgegangen waren Medienberichte über eine mögliche Hamburger Dimension des Skandals. „Erstattet wurden die Strafanzeigen wegen aller in Betracht kommender Delikte sowie zum Teil explizit wegen des Verdachts der Untreue“, heißt es in der Senatsantwort auf die CDU-Anfrage. (…) Die Staatsanwaltschaft stellte die Vorermittlungen am 7. September ein, drei Wochen vor der Bundestagswahl. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Einstellung am 29. November bestätigt. Die Akten seien dem Ausschuss auch deswegen nicht vorgelegt worden, weil die Untersuchungen noch liefen „und durch eine Bekanntgabe der Untersuchungszweck gefährdet würde“, teilte der Senat mit. Umso erstaunlicher ist, dass ein Anwalt von Olaf Scholz von den Ermittlungen erfuhr: „Am 17. März 2021 legitimierte sich im Verfahren 5700 Js 1/20 auf eigene Initiative ein Rechtsanwalt für Olaf Scholz“, heißt es in der Senatsantwort. Es folgten weitere Schriftsätze zum Gegenstand der Untersuchung und die Bitte, das Prüfverfahren sofort einzustellen...“ Artikel von Gernot Knödler vom 31.12.21 in der taz online externer Link, siehe dazu:

      • Eingestellt
        Ein Verfahren gegen den früheren Bundesfinanzminister Olaf Scholz wegen der Cum-Ex-Geschäfte bei Wirecard wurde eingestellt, weil es angeblich keinen „Anfangsverdacht“ gibt. – Das ist nachvollziehbar. Der Anfangsverdacht ist bei ihm längst fortgeschritten, seit er Bundeskanzler ist
        .“ Aus: Deutsche Einheit(z)-Textdienst 1/22
  • CumEx-Files 2.0: Was eine globale Medienkooperation herausgefunden hat 
    Von Schweden nach Südafrika hat CORRECTIV investigative Journalistinnen und Journalisten zusammengebracht, und mit ihnen über die CumEx-Files 2.0 berichtet. Hier sammeln wir ihre Ergebnisse. Ein ernüchternder Einblick in die Schwierigkeiten – oder den Unwillen – der Politik, den Steuerbetrug einzudämmen, der uns schon mindestens 150 Milliarden Euro gekostet hat. Um weltweite Steuerhinterziehung aufzudecken, ist ein globales Team nötig. 16 Medien von allen fünf Kontinenten haben gemeinsam zu Cum-Ex und verwandten Geschäften recherchiert. Die Dimension des Schadens ist in jedem Land unterschiedlich. Unsere Übersicht zeigt, was sie eint: Fast alle Länder scheitern daran, den Steuerbetrug einzudämmen…“ Artikel von Olaya Argüeso , Sophia Stahl und Isabel Knippel vom 26. Oktober 2021 bei correctiv.org externer Link mit Infos zu vielen (zu vielen) Ländern
  • 150 Milliarden Euro Schaden: Das weltweite Geschäft mit Dividendenbetrug – Dem deutschen Fiskus sind durch Cum-ex-Deals 35 Milliarden Euro entgangen 
    Nach neuen Recherchen waren Cum-ex-Deals und ähnliche Betrügereien weiter verbreitet als angenommen. Dem deutschen Fiskus sind 35 Milliarden Euro entgangen. Die Schäden durch Betrügereien bei der Erstattung von Kapitalertragssteuer bei Dividenden sind offenbar noch höher als bisher angenommen. Nach einem Bericht eines internationalen Recherchenetzwerks, angeführt von der investigativen Organisation „Correctiv“, liegt der Verlust, den Staaten weltweit wegen Cum-ex-Geschäften und ähnlichen Betrugssystemen erlitten, bei etwa 150 Milliarden Euro – bisher lagen die Schätzungen bei etwa 55 Milliarden. Allein auf Deutschland entfallen 36 Milliarden – mehr als nach früheren Berechnungen des Mannheimer Ökonomen Christoph Spengel, die mit gut 31 Milliarden Euro beziffert wurden. In Frankreich belaufen sich demnach die Steuerausfälle in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf etwa 33 Milliarden Euro, in den Niederlanden waren es 27 Milliarden, in Spanien 19 Milliarden. Staaten, in denen die Finanzmarktaufsicht strenger ist oder wo der Gesetzgeber früher reagierte, kamen mit geringeren Verlusten davon, etwa die USA und Großbritannien…“ Artikel von Albert Funk vom 21.10.2021 beim Tagesspiegel online externer Link
  • Hintertür in Finanzgesetz: Gesetzesänderung verhindert Aufklärung des Cum-Ex-Skandals 
    „Versteckt in einem Gesetz zu Elektromobilität hat das Bundesfinanzministerium 2019 das Finanzverwaltungsgesetz ändern lassen. Ein neues Urteil zeigt jetzt, dass dadurch die Aufklärung von Steuer-Skandalen unmöglich gemacht wird. Die Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte sind der größte Steuerbetrug der deutschen Geschichte: Mindestens 32 Milliarden Euro hatten sich Finanzmarktakteure als Steuerrückerstattungen vom Staat auszahlen lassen, obwohl sie vorher keine entsprechenden Steuern gezahlt hatten. Auf den Milliardenbetrug folgte der zweite Skandal, nämlich die mangelnde Aufklärung des Steuerbetrugs von politischer Seite. Viele Forderungen gegen die Betrüger sind bereits verjährt, ein politischer Wille zur Aufklärung oder überhaupt zur ursprünglichen Verhinderung der Betrugsgeschäfte ist nicht erkennbar. (…) Um diesen Skandal im Skandal aufzuklären, hat Martin Modlinger von der Stiftung Erneuerbare Freiheit bei allen Landesfinanzbehörden Einsicht in die Akten zum Umgang mit den Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften beantragt. Er berief sich dabei auf die Informationsfreiheitsgesetze der Länder und des Bundes. Sämtliche Finanzministerien lehnten die Anträge ab. Sie argumentierten, Bund und Länder müssten sich darauf verlassen können, dass die Protokolle zu Cum-Ex-Beratungen geheim sind und bleiben. Ansonsten würde die Vertrauenswürdigkeit der Behörden nachhaltig Schaden nehmen. Modlinger sah das genau umgekehrt: Wenn die Finanzbehörden hier nicht transparent über ihr Handeln oder Nichthandeln informieren, nimmt deren Vertrauenswürdigkeit in der Öffentlichkeit irreparablen Schaden. Er klagte also gegen die Intransparenz. (…) Währenddessen arbeitete das Bundesfinanzministerium daran, die Informationsfreiheitsgesetze durch die Hintertür auszuhebeln, wie wir vor einem Jahr berichteten. Im E-Auto-Gesetz versteckte es eine Vorschrift, die Auskunftsansprüche ausschließen soll. Der Bundestag beschloss das Gesetz, ohne dass die Änderung zur Sprache kam. In § 21a Finanzverwaltungsgesetz, der die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Finanzverwaltung regelt, heißt es seither: „Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde. Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt entsprechendes.“ Unter Berufung auf diese Vorschrift hat das Verwaltungsrecht Bremen jetzt Modlingers Klage auf Herausgabe von Akten zum Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal abgewiesen: „Durch die Weitergabe dieser Informationen würde die Beklagte ihre Vertraulichkeitspflicht aus § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG verletzen“, so das Gericht in seinem Urteil vom 8. Februar. (…) David Werdermann von Thomas Rechtsanwälte kritisiert das Urteil des Bremer Verwaltungsgericht: „Wenn sich die Auffassung des Gerichts durchsetzen sollte, können sich Bund und Länder praktisch immer wechselseitig von den Transparenzpflichten der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze befreien. Das entspricht weder dem Grundrecht auf Informationsfreiheit noch dem Sinn und Zweck der föderalen Ordnung.“ Modlinger gibt sich mit dem Urteil nicht zufrieden und wird die Zulassung der Berufung beantragen. Sollte er damit scheitern, liegt die Aufklärung der Steuerskandale alleine in den Händen der Justiz und der Politik selbst – die daran allerdings kaum Interesse zu haben scheinen.“ Beitrag von Arne Semsrott vom 25. Februar 2021 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Protest gegen CumEx: Commerzbank-Filiale in Krankenhaus verwandelt – Attac und Verdi fordern, Cum-Ex-Milliarden zurückzuholen und ins Gesundheitssystem zu stecken 
    Aktivist*innen von Attac und Verdi haben am heutigen Dienstag die Commerzbank-Filiale im Frankfurter Commerzbankturm symbolisch in ein Krankenhaus umgewandelt. Mit dieser Aktion machen sie auf den Cum-Ex-Skandal und die Verwicklung der Commerzbank aufmerksam. Das geraubte Steuergeld fehlt gerade in Corona-Zeiten für ein leistungsfähiges und gut ausgestattetes Gesundheitswesen, kritisieren die Aktivist*innen. Sie fordern von der Bundesregierung, die geraubten Cum-Milliarden konsequent zurückzuholen und in das Gesundheitssystem zu stecken. „Die Commerzbank steht für das, was in unserer Gesellschaft schiefläuft. 2008 mit Steuergeld gerettet, beteiligte sie sich kurz darauf am größten Steuerraub der deutschen Geschichte. Dadurch gingen allein Deutschland mindestens 31,8 Milliarden Euro verloren – Geld, das unsere Krankenhäuser gut gebrauchen könnten“, sagt Anne Schulze-Allen von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern. „Die Bundesregierung tut zu wenig, um die Cum-Ex-Milliarden zurückzuholen und Steuerraub zu verhindern, obwohl das Geld dringend nötig wäre für den Ausbau des öffentlichen Gesundheitssystems. Stattdessen fördert sie die Privatisierung. Krankenhäuser und Pflegeheime sind jedoch nicht dafür da, Profite für Finanzinvestoren und Aktionäre zu generieren.“ Uwe Richtmann, Personalratsvorsitzender des Uniklinikums Frankfurt und aktiv im Fachbereich Gesundheit und Soziales von Verdi Frankfurt am Main und Region ergänzt: „Kommerz macht krank, das gilt auch in den Kliniken. Seit der Einführung der Fallpauschalen ist jede Krankheit mit einem Preisschild versehen. Dadurch haben sich viele Krankenhäuser in Profitcenter verwandelt, mit denen sich hohe Renditen erwirtschaften lassen. Leidtragende davon sind sowohl die Patient*innen als auch Ärtzt*innen, Pflegekräfte und alle anderen Beschäftigte in den Krankenhäusern. Dieser Profitdruck und die Unterfinanzierung führen nicht nur zu mehr Stress und unerträglichen Arbeitsbedingungen. Sie sorgen auch dafür, dass immer mehr wohnortnahe Kliniken mit Grund- und Regelversorgung oder Geburts- und Kinderstationen aus Geldmangel schließen müssen. Darum fordern wir: Steuern eintreiben, Krankenhäuser retten!““ Pressemitteilung vom 8. September 2020 von Attac Deutschland und Verdi-Fachbereich Gesundheit und Soziales, Frankfurt am Main und Region, siehe auch die attac-Aktionsseite Commerzkrank externer Link
  • Neues Gesetz hilft Betrügern: Cum-Ex-Geld ist in vielen Fällen weg 
    „Ein neues Gesetz führt Medienberichten zufolge dazu, dass Cum-Ex-Steuerräuber das Geld wohl behalten können – eine Summe in Höhe von insgesamt mehreren Milliarden Euro. Denn viele Fälle sind steuerrechtlich verjährt. Mit „Cum-Ex“-Deals prellten Investoren und Banken den Staat über Jahre hinweg um Milliarden. Recherchen von „WDR“ und „Süddeutscher Zeitung“ zufolge könnten aber Steuergelder, die von Banken und anderen Beteiligten mithilfe von Cum-Ex-Betrugsmaschen erbeutet wurden, selbst nach einer gerichtlichen Verurteilung nicht zurückgefordert werden – sofern die Vorfälle steuerlich bereits verjährt sind. Hintergrund ist eine Gesetzesreform aus dem Bundesfinanzministerium, die kürzlich verabschiedet wurde. Lediglich für noch nicht verjährte Fälle solle damit eine Fristverlängerung möglich sein, hieß es. Die mögliche Verjährung war zuvor noch nicht klar geregelt und hochumstritten. Am Landgericht Bonn war im März der bundesweit erste Cum-Ex-Strafprozess zu Ende gegangen. Zwei britische Aktienhändler wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt, in diesem Fall wurden die Cum-Ex-Millionen auch eingezogen. Etliche weitere Anklagen und Prozesse werden dem Pilotprozess folgen. NRW-Justizminister Peter Biesenbach hat derweil die Gesetzesänderung scharf kritisiert, durch die im Cum-Ex-Skandal veruntreute Milliardengelder nicht mehr zurückgeholt werden könnten. „Ich halte es für unerträglich, wenn wir sagen, wir verurteilen zwar möglicherweise Personen zu Haftstrafen, aber das Geld ist weg, an das kommen wir nicht mehr ran. Hier muss eine Regelung gefunden werden, das können wir niemandem sonst erklären“, sagte der CDU-Politiker dem „Westdeutschen Rundfunk“. Biesenbach forderte eine Diskussion darüber, wie auch Altfälle noch erfasst werden könnten. „Hier geht es um Beträge, bei denen auch die Ermittler davon ausgehen, dass sie in die Milliarden hineingehen“, so der Minister…“ Meldung vom 16. Juli 2020 bei n-tv externer Link
  • Cum Ex – Staatsanwaltschaft bekam Hinweise zu spät [Wurden die Steuerdiebe bewusst geschützt?] 
    „Cum Ex – das steht für den wahrscheinlich größten Steuerdiebstahl in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn hatte schon länger eine Liste mit mehreren hundert potentiell verdächtigen Transaktionen darauf vorliegen, diese allerdings erst jetzt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.“ Audio des Beitrags von Arne Hell in der Sendung Profit vom 29. Juni 2020 beim WDR 5 externer Link Audio Datei (Audiolänge: 3:33 Min., verfügbar bis zum 29. Juni 2021). Siehe auch:

    • Cum-Ex: Eine verschollene Liste und viele Fragezeichen
      Zehn Jahre lang lag dem Bundeszentralamt für Steuern eine Liste mit Hunderten möglichen Cum-Ex-Steuerbetrügereien vor. Doch die Finanzbehörde hat nach Recherchen von WDR und SZ erst kürzlich die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft übersandt. Fälle könnten verjährt sein…“ Beitrag von Massimo Bognanni, WDR, vom 29.06.2020 bei tagesschau.de externer Link
  • Erster Cum-Ex-Strafprozess auf der Zielgeraden. Das Urteil vor dem Landgericht Bonn wird in den kommenden Wochen fallen 
    Vor dem Landgericht in Bonn wird seit September der erste Cum-Ex-Strafprozess verhandelt. Angeklagt sind dort die ehemaligen Aktienhändler Martin S. und Nicholas D., den alle nur Nick rufen. Beide waren zunächst bei der Hypovereinsbank (HVB) und später bei einer Finanzberatung namens Ballance tätig und sollen mit Cum-Ex-Geschäften zwischen 2006 und 2011 einen Schaden von mehr als 400 Millionen Euro angerichtet haben. So listet es die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage auf, die Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker im September erstmals vor einigen Dutzend Prozessbeobachtern, Bankern und Anwälten in Bonn vortrug…“ Artikel von Nils Wischmeyer vom 27. Februar 2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link, siehe auch:

  • Geschickt versteckte Gesetzesänderung: Bundesregierung erschwert die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals 
    Man will vertraulich beraten und Protokolle keinesfalls veröffentlichen: Dank einer Gesetzesänderung können Absprachen zwischen Finanzbehörden künftig noch besser verschleiert werden. Fast wäre es komplett unbemerkt geblieben. Im Rahmen eines Gesetzes, das sich überwiegend mit der steuerlichen Förderung der Elektromobilität externer Link befasst, befördert die Bundesregierung Hinterzimmerpolitik. Statt endlich Transparenz über den Einfluss von Lobbyisten auf Gesetze zu schaffen, verankert sie die Intransparenz. (…) Wie konnte es sein, dass sich Bund und Länder darauf verständigten, einen Vorschlag des Bankenverbands eins zu eins ins Gesetz zu übernehmen – woraufhin die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte erst richtig in Schwung kamen? Um das herauszufinden, muss man die Entscheidungsfindung zwischen Bund und Ländern nachvollziehen können. Aber genau das soll nun gesetzlich verhindert werden…“ Gastkommentar von Gerhard Schick vom 07.12.2019 beim Spiegel online externer Link
  • Endlich Anklage wegen eines Cum-Ex-Steuerbetrugs-Skandals 
    Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22.11.2019
  • Zeuge im Cum-Ex-Prozess: Wie Banker und Investoren die Staatskasse plünderten 
    Der Staat hat kein Geld für Kindergärten? Na und! Im ersten Cum-Ex-Prozess beschreibt ein Zeuge die Skrupellosigkeit der Täter. Und warum der Gesetzgeber die krummen Geschäfte weiter anfachte. Der Staat habe im Kampf gegen hoch umstrittene Cum-Ex-Steuerdeals krasse Fehler gemacht, so die Aussage eines zentral beteiligten Akteurs. Ein 2007 beschlossenes Gesetz habe die Geschäfte nicht trockengelegt, sondern erst richtig angefacht, sagte der 48-jährige Anwalt am Dienstag vor dem Bonner Landgericht, wo er als Zeuge im ersten Cum-Ex-Strafprozess auftrat (Az: 62 KLs 1/19). „Es war gedacht zur Eindämmung von Cum-Ex, aber es war ein Brandbeschleuniger.“ Die Akteure hätten ihre Geschäfte teilweise ins Ausland verlagert und danach stärker weitergemacht als zuvor. Erst 2010 hätten diese Geschäfte ihren Höhepunkt erreicht. (…) Nach Auskunft des Zeugen nahm die Banken- und Beraterlobby inklusive seiner Kanzlei erheblich Einfluss auf das Steuergesetz von 2007. Es sei ihnen gelungen, den Gesetzestext so verfassen zu lassen, dass er die Teilverlagerung der Deals ins Ausland ermöglicht habe – und dass danach der Fiskus trotz Gesetzesänderung weiterhin mehrfach Steuern erstattete. Nach intensiver Lobbyarbeit sei das Gesetz genau so übernommen worden wie von den Cum-Ex-Akteuren gewünscht – „eins zu eins, ohne dass ein Komma geändert wurde“, sagte der Zeuge. Damit sei wohl der Bock zum Gärtner gemacht worden, sagte der Vorsitzende Richter Roland Zickler. Nach Darstellung des Zeugen hielten die involvierten Banken und Kanzleien das Geschäftsmodell bis 2009 für juristisch wasserdicht. Cum-Ex sei „ein etabliertes Phänomen, ein industrielles Phänomen“ gewesen. (…) Die „Gier“ sei sehr groß gewesen, sowohl aufseiten der Banken und Berater als auch aufseiten der Anleger. Wussten Investoren überhaupt, was sie taten? Manche Privatanleger wohl nicht, viele sehr reiche Investoren hingegen schon, so der Zeuge. Wenn er nun lese, dass diese sich mitunter auf Unwissenheit beriefen, dann sei das hanebüchen, und er bekomme „Bauchkrämpfe“. Praktisch risikofreie Fonds hätten eine Rendite von 15 Prozent in drei, vier Monaten gebracht – „im Großen und Ganzen“ habe jeder gewusst, worum es gehe…“ Beitrag vom 29.10.2019 beim Spiegel online externer Link, siehe dazu auch:

    • Cum-Ex-Prozess: Der Kronzeuge packt aus
      Dieser Mann weiß fast alles über den größten Steuerraub der deutschen Geschichte. Denn er gehörte zum inneren Zirkel der Täter. Nun sagt er im Bonner Cum-Ex-Prozess aus. (…) Das Bonner Verfahren ist ein Musterprozess. Noch nie ist jemand strafrechtlich dafür belangt worden, dass er sich an Cum-Ex-Deals beteiligt hat. Sollten die beiden Aktienhändler verurteilt werden, wäre eine Grundlage dafür geschaffen, viele weitere Beschuldigte vor Gericht zu bringen. Staatsanwaltschaften in Frankfurt und München ermitteln ebenso wie die Staatsanwaltschaft Köln, die die beiden Aktienhändler vor Gericht gebracht hat. Die Aussage des Zeugen dürfte von zentraler Bedeutung für das Verfahren sein. Rund 14 Monate lang hat er der Staatsanwältin Brorhilker Rede und Antwort gestanden, hat Details aus dem innersten Zirkel der Steuerräuber berichtet. Und er ist bislang der Einzige aus diesem Kreis, der ausgesagt hat, dass die Beteiligten stets ein „Störgefühl“ gehabt hätten, weil von vornherein klar gewesen sei, dass sie ins „Steuersäckl“ griffen. Das ist deshalb wichtig, weil sich bislang alle mutmaßlichen Täter darauf zurückgezogen haben, sie hätten nicht gewusst, dass es falsch sei, was sie taten. (…) Der Zeuge geht mit seinem geplanten Auftritt vor Gericht ein erhebliches Risiko ein. Denn auch er ist Beschuldigter und könnte sich mit seinen Aussagen selbst massiv belasten. Er sagte in jenem Gespräch, er habe mit Cum-Ex ungefähr 50 Millionen Euro verdient. Sollte ein Gericht in einem späteren Prozess gegen ihn feststellen, dass dieses Geld aus Steuerhinterziehungen stammt, müsste er wohl ins Gefängnis, auch wenn er das Geld zurückzahlt. Es sei denn, er käme in den Genuss einer Kronzeugenregelung…“ Artikel von Karsten Polke-Majewski, Christian Salewski und Oliver Schröm vom 29. Oktober 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Wird die Bestrafung von Cum-Ex-Betrug zu einer Klassenfrage? 
    Dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um eine schwere Straftat handelt, ist eigentlich nicht zu übersehen. Die Komplexität des ganzen Ablaufs sowie das Fehlen von auf diesen Fall speziell zugeschnittenen Gesetzen, scheint jedoch häufig einen klaren Blick auf den strafrechtlich eindeutigen Tatbestand zu behindern. Doch bei der Frage nach der strafrechtlichen Relevanz des organisierten Steuerraubs in Milliardenhöhe durch Cum-Ex-Geschäfte die Frage möglicher Legalität überhaupt aufzuwerfen, ist bereits juristisch ein – wenn auch ungewolltes – Zugeständnis an die reichen Betrüger. Sobald nämlich feststeht, dass man „durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält“, um „sich oder einem Dritten“ aus Steuergelder „einen rechtwidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“, ist eigentlich der Tatbestand von § 263 StGB (Betrug) eindeutig erfüllt. Auch ist kein entlastender Verbotsirrtum (§ 17 StGB) möglich, sobald man ohne Gegenleistung eine Leistung (Steuerrückzahlung) erlangt und dies dem Täter bewusst war. Das von der Rechtsprechung für eine Strafbarkeit geforderte Bewusstsein über einen Verstoß gegen die rechtliche Ordnung, kann bei diesem bewusst kompliziert gestalteten Konstrukt zur persönlichen Bereichung aus Steuergeldern, nicht ernsthaft bestritten werden. Die Undurchsichtigkeit war ja gerade das Mittel für einen erfolgreichen Betrug. (…) Und es gibt sogar zum Erschleichen von Leistungen eine speziellen Paragrafen – nämlich § 265a StGB. Das Interessante daran ist nun, dass sich § 265a StGB u.a. auf Schwarzfahren oder Veranstaltungsbesuch ohne Entrichtung eines Eintrittsgeldes bezieht, also schwerpunktmäßig uns „kleinen Leute“ betrifft. Interessant ist allerdings auch, dass es zu dieser Erschleichung von Leistung eine sogar höchst-richterliche Rechtsprechung gibt, bei der allerdings – von der richterlichen Begründung her – nicht einzusehen wäre, warum sie auf die „großen“ Leistungsbetrüger nicht ebenso angewendet werden sollte. (…) Den Betrugstatbestand des § 263 StGB erfüllt somit jeder, der sich durch Cum-Ex-Betrug bereicherte. Dazu bedarf es keines Spezialgesetzes und sind die höchstrichterlichen Rechtsgrundsätze zu § 265a StGB indentisch. Eher wäre zu fragen, ob § 265a StGB nicht ersatzlos zu streichen ist, da er in der Regel nur den ärmeren Teil der Bevölkerung trifft, wogegen der Gesetzgeber für den reichen Betrüger angeblich nichts Passendes an Gesetz parat hat. Da freut sich der Anwalt des reichen Cum-Ex-Betrügers natürlich…“ Kommentar von Armin Kammrad vom 5. September 2019 – wir danken!
  • Cum-Ex: Im Irrgarten des Geldes. Die ersten Angeklagten im Cum-Ex-Skandal stehen vor Gericht
    “ Im Prozess geht es nicht nur um die Aufklärung des größten Steuerraubs aller Zeiten. Es geht auch um die Frage, ob der Rechtsstaat der Komplexität von Finanzmärkten gewachsen ist. (…) Kommende Woche beginnt am Landgericht Bonn ein Prozess, der das auf eindrucksvolle Art belegen wird. Es geht um Cum-Ex, den größten und kompliziertesten Steuerraub aller Zeiten. Zum ersten Mal werden sich zwei Angeklagte wegen solcher Fälle vor Gericht verantworten müssen, Martin S. und Nickolas D., zwei ehemalige Aktienhändler der HypoVereinsbank. Ihre Geschäfte sollen den Staat um 447 Millionen Euro erleichtert haben. Schon das ist eine gewaltige Summe. Aber es geht um mehr. (…) Viele große Banken haben mitgemacht. Hunderte von Beschuldigten könnten vor Gericht kommen. In Bonn wird der Musterprozess geführt um die Frage, wer diese Schlacht gewinnt: der Staat oder die Steuerräuber? (…) Die Komplexität war die schärfste Waffe der Steuerräuber gegen den Staat. Nun versuchen sie, sich hinter ihr zu verschanzen. Als Journalist, der über Cum-Ex berichtet, erhält man Schreiben von ihren Anwälten, die einen, kurz gesagt, für zu doof erklären, die Deals zu begreifen. Aber auch ausgebuffte Investoren wie der Drogeriekönig Erwin Müller oder der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer behaupten, sie hätten selbst gar nicht kapiert, in was sie da investierten, seien also (auch moralisch) unschuldig. Viele Banken geben zwar zu, in der ein oder anderen Form an den Deals beteiligt gewesen zu sein, sehen bei sich selbst aber keinen Rechtsverstoß. Es ist wie bei einem hochgradig arbeitsteilig organisierten Überfall: Einer finanziert ihn, einer hält die Tür zum Tresor auf, einer fährt den Fluchtwagen. Aber hinterher will kaum einer gewusst haben, woran er da mitwirkte. Die Argumentation vieler Steuerräuber: Die Märkte hätten das Ganze organisiert, nicht sie selbst. (…) So oder so wird es Jahre dauern, bis Cum-Ex juristisch aufgearbeitet ist…“ Eine Analyse von Felix Rohrbeck und Christian Salewski vom 28. August 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Eckart Seith: Deutscher Anwalt beim Cum-Ex-Prozess in den meisten Punkten freigesprochen 
    Für die Schweizer Justiz ist er kein Spion, aber ein Verbrecher: Am Dienstagmorgen verurteilte das Zürcher Bezirksgericht den deutschen Anwalt Eckart Seith zu einer Geldstrafe in sechsstelligen Höhe, weil er einen Ex-Mitarbeiter der Schweizer Bank Sarasin zur Weitergabe von geheimen Bankdaten angestiftet haben soll. Vom Anklagepunkt der Wirtschaftsspionage wurde Seith dagegen freigesprochen. Der mitangeklagte Ex-Mitarbeiter der Bank Sarasin hat sich dagegen nach Ansicht des Gerichts auch der Wirtschaftsspionage schuldig gemacht, indem er interne Unterlagen an einen deutschen Journalisten weitergab. Der Ex-Banker wurde zu einer Haftstrafe von 13 Monaten sowie einer Geldstrafe verurteilt. Gegen einen weiteren Deutschen, der als Mittelsmann fungiert haben soll, wurde eine Geldstrafe verhängt. Sämtliche Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Seith legte umgehend Berufung gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Er sprach nach der Urteilsverkündung von einem „schmutzigen Urteil nach einem schmutzigen Verfahren“…“ Artikel von Michael Brächer vom 11.04.2019 beim Handelsblatt online externer Link, siehe dazu:

    • „… Unmittelbar nach der Urteilsverkündung gab er mit zorniger Stimme zu Protokoll: „Das ist ein schmutziges Urteil in einem schmutzigen Verfahren.“ Die Staatsanwaltschaft habe fünf Jahre in eine falsche Richtung ermittelt. „Sie hat die Finanzmarktkriminalität geschützt und wollte sie unter Artenschutz stellen.“ Unschuldige Menschen seien in Haft genommen worden. Und dafür habe das Gericht keine Entschädigung zahlen wollen. „Die Staatskasse sollte nicht belastet werden. An den Angeklagten sollte ein Makel hängenbleiben, das war das Ziel.“…“ Aus dem Artikel von Johannes Ritter vom 11.04.2019 bei der FAZ online externer Link: Urteil im Cum-Ex-Skandal: „Ein schmutziges Urteil in einem schmutzigen Verfahren“ – siehe weiter unten: Spion oder Held? / Appell: Solidarität mit Eckart Seith
  • Cum-Ex-Geschäfte: Im größten Steuerskandal der Bundesgeschichte fehlen Fahnder, Verjährung droht 
    Die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals gerät ins Stocken, die Ermittler kämpfen gegen die Zeit, weil Insidern zufolge viele Fälle verjähren könnten. Das Land NRW setzt offenbar zu wenige Ermittler ein, um dem Umfang und der Komplexität des größten Steuerskandals der Bundesgeschichte gerecht zu werden. Insider bemängeln auch, es fehle den Steuerfahndern am nötigen Expertenwissen…“ Artikel von von Jan Willmroth vom 24. März 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Ermittlungen gegen Correctiv wegen „Cum-Ex“-Recherchen: „Man muss verdammt gute Anwälte bezahlen“ 
    David Schraven von Correctiv im Gespräch mit Isabelle Klein am 25. März 2019 beim Deutschlandfunk externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 5 Min., hörbar bis zum 19. Januar 2038): „…Die laufenden Ermittlungen gegen Correctiv stellten eine „große finanzielle Belastung“ dar, so Schraven. „Man muss verdammt gute Anwälte bezahlen, dass man nicht an die Wand genagelt wird.“ Bei Correctiv hoffe man zwar  darauf, dass das gesamte Verfahren eingestellt wird, „weil die Staatsanwaltschaft einsieht, dass sie da Unfug gemacht hat“. Allerdings wisse man nicht, was am Ende herauskommen werde. Schraven bezeichnete im Gespräch mit @mediasres die Ermittlungen als „empörend“. Grundsätzlich dürften Medien natürlich „nicht einfach irgendwelche Geheimnisse verraten“, Unternehmen hätten ein berechtiges Interesse daran, dass Interna geheim bleiben. Doch wenn Geheimhaltung dazu genutzt werde, „kriminelle Handlungen zu begehen oder, wie in dem Fall, Milliarden von uns allen zu stehlen“, habe dieses Geheimhaltungsinteresse zurückzutreten, findet Schraven. (…) Die Staatsanwaltschaft Köln soll den Recherchen zufolge zwar gut 50 Cum-Ex-Verfahren eingeleitet haben, dem stünden nach Behördenkreisen in NRW jedoch nur bis zu 20 Fahnder gegenüber. Nach Angaben des Bundes deutscher Kriminalbeamter ist das jedoch nicht genug: Man bräuchte 30 bis 40 zusätzliche Spezialisten, um die „Cum-Ex“-Fälle vernünftig aufarbeiten zu können. Es drohe sogar die Verjährung von bisher nicht ermittelten Fällen. Die betroffenen Ministerien in Düsseldorf weisen die Kritik der Ermittler von sich.“
  • Spion oder Held? / Appell: Solidarität mit Eckart Seith 
    Ein deutscher Anwalt half, einen großen Steuerraub aufzudecken. In der Schweiz wird er nun wegen Spionage angeklagt. Renommierte Strafrechtler halten ihn für unschuldig. Darf man geheime Dokumente an Staatsanwälte und Steuerfahnder weitergeben, wenn sie dazu beitragen, den größten Steuerraub der deutschen Geschichte aufzudecken? An einem aktuellen Fall ist gut abzulesen, dass über diese Frage in Deutschland und der Schweiz große Uneinigkeit herrscht. In Deutschland lautet die Antwort auf die Frage in der Regel ja. Ermittler haben sogar schon CDs von Informanten gekauft, auf denen sich vertrauliche Bankinformationen von mutmaßlichen Steuerhinterziehern befanden. Und so wird auch der Stuttgarter Rechtsanwalt Eckart Seith hierzulande von Staatsanwälten und Steuerfahndern hoch geschätzt, weil er ihnen brisante Akten übergab, die er über mutmaßlich illegale Cum-Ex-Geschäfte gesammelt hatte. (…) In der Schweiz sehen die Strafverfolger das ganz anders. Sie wollen Seith und zwei Mitangeklagten in der kommenden Woche vor dem Bezirksgericht Zürich den Prozess machen. Die Staatsanwaltschaft Zürich hat Seith wegen Geheimnisverrats und Wirtschaftsspionage angeklagt. Ihm drohen drei Jahre und sechs Monate Gefängnis…“ Artikel von Karsten Polke-Majewski vom 19. März 2019 bei der Zeit online externer Link – siehe dazu den Appell:

    • Appell: Solidarität mit Eckart Seith
      Eckart Seith hat entscheidend zur Aufklärung des Milliardenraubs CumEx beigetragen und steht dafür in der Schweiz vor Gericht. Er deckte im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit Struktur, Funktionsweise und Hintermänner hinter dem betrügerischen Geschäftsmodel auf und leitete diese an die zuständigen deutschen Behörden weiter. Anstatt gegen das Agieren der beteiligten Bank Sarasin vorzugehen, erhebt die Staatsanwaltschaft Zürich Anklage gegen Seith. Ihm drohen bis zu 3,5 Jahre Haft. Seith hat wesentlich dazu beigetragen, die kriminellen CumEx-Akteure zur Verantwortung zu ziehen und damit Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen. Jetzt sollten wir ihn nicht hängenlassen, wenn diese Akteure mit Hilfe der Schweizer Justiz zurückschlagen. Deshalb: Das Bundesverdienstkreuz für Eckart Seith als klares Zeichen, dass die ehrlichen Menschen hinter ihm stehen! Unterzeichnen Sie unseren Appell! (…) Nicht der Einsatz gegen Finanzmarktkriminalität ist ein Verbrechen, sondern die Finanzkriminalität selbst. Doch in Zürich steht in wenigen Tagen, am 26. März, jemand vor Gericht, weil er ganz wesentlich zur Aufklärung von Finanzkriminalität beigetragen hat: Eckart Seith hat Belege zu den kriminellen CumEx-Geschäften, die er im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit erhielt, an die zuständigen Behörden in der Schweiz und in Deutschland weitergeleitet und so die Ermittlungen gegen die CumEx-Täter in Gang gesetzt. Seith drohen nun bis zu 3,5 Jahre Haft – wegen angeblicher Wirtschaftsspionage. Angezeigt hat ihn die Bank Sarasin, die an den CumEx-Geschäften beteiligt war. Wir meinen: Eckart Seith darf in dieser Auseinandersetzung gegen die CumEx-Bank Sarasin nicht alleine stehen. Im Gegenteil: Er verdient als Anerkennung für seinen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Finanzkriminalität das Bundesverdienstkreuz. Unterzeichnen Sie unseren Appell und setzen Sie ein Zeichen der Solidarität mit Eckart Seith!Appell an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Bürgerbewegung Finanzwende externer Link
  • Cum-Ex: Bundesregierung überwacht Aktienhandel nicht auf verdächtige Geschäfte 
    „Die Bundesregierung sagt, dem Staat entstehe aus steuergetriebenen Aktiengeschäften kein Schaden mehr. Doch die Finanzaufsicht prüft den Handel gar nicht systematisch. Drei Monate, nachdem der größte Steuerraub in Europa öffentlich geworden ist, gesteht die Bundesregierung nun zum ersten Mal ein, dass sie europäische Partnerländer erst Jahre später über Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland informiert hat. Obwohl das Bundesfinanzministerium schon seit 2002 von dieser Praxis wusste und bereits 2009 erste Versuche unternahm, dagegen vorzugehen, berichtete man erst 2015 den Partnern von dem Betrug. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktionen der Grünen und der Linken im Bundestag hervor, die ZEIT ONLINE und dem ARD-Magazin Panorama vorliegt. (…) 2012 wurden klassische Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland verboten. 2016 wurden dann Regeln eingeführt, mit denen auch Cum-Cum-Geschäfte unterbunden werden sollen. Experten wie der Mannheimer Steuerprofessor Christoph Spengel gehen jedoch davon aus, dass Cum-Cum-Gestaltungen weiter möglich sind. Die Bundesregierung widerspricht dieser Annahme. Sie sieht in den neuen Regeln ein „wirkungsvolles Instrument zur Verhinderung von Cum-Cum-Gestaltungen“, schreibt sie. Allerdings überprüft das Bundesfinanzministerium nicht, ob diese Geschäfte tatsächlich verhindert werden. In ihrer Antwort schreibt die Bundesregierung: „Zum Aufgriff von Cum-Cum-Fallgestaltungen durch die Steuerbehörden des Bundes und der Länder liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.“ Sie hat ihre europäischen Partner bis 2018 auch nicht über Cum-Cum-Geschäfte informiert…“ Beitrag von Karsten Polke-Majewski und Christian Salewski vom 17. Januar 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Cum-Ex: Die Umverteilung von unten nach oben muss enden 
    „Es ist der größte Steuerskandal Deutschlands. Doch die große Koalition ist unfähig oder nicht willens, die betrügerischen Geschäfte mit Cum-Ex, Cum-Cum oder Cum-Fake effektiv zu unterbinden. Das kostet die SteuerzahlerInnen Milliarden und nutzt nur einer kleinen Elite. Dabei wäre es leicht, deren dubiose Machenschaften zu stoppen. (…) Zur Bekämpfung brauchen wir deutliche Verbesserungen sowohl bei den Steuerbehörden als auch der Finanzaufsicht. (…) Bezeichnend ist, dass die Steuerbehörden und Staatsanwälte alle entscheidenden Hinweise zur Aufdeckung von Cum-Ex und jetzt auch Cum-Fake – wie auch bei allen anderen großen Steuerskandalen wie Panama Papers und Luxleaks – von Informanten kamen. Dies zeigt, wie wichtig diese mutigen Menschen im Kampf gegen die Kriminalität sind. Um sie zu unterstützen und zu ermutigen, den zuständigen Behörden oder der Öffentlichkeit Informationen über kriminelle Aktivitäten zur Verfügung zu stellen, benötigen wir viel bessere Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebern. Im aktuellen EU-Gesetzgebungsverfahren für ein Whistleblower-Gesetz setzt die Bundesregierung sich grotesker Weise dafür ein, dass Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Beamte von dem nötigen Schutz ausgenommen werden. Die Koalition stellt sich also schon wieder gegen sinnvolle Mechanismen, Kriminellen in der Zukunft das Handwerk legen zu können. Die finanziellen und gesellschaftlichen Kosten durch Steuertricks am Finanzmarkt sind zu hoch, um die Augen geschlossen zu halten. Unsere Gesellschaft sollte sich den Luxus nicht leisten, diese Umverteilung von unten nach oben schulterzuckend hinzunehmen.“ Kommentar von Gerhard Schick vom 5. Dezember 2018 bei der DGB-Gegenblende externer Link. Anm.: Was uns wundert: Das nur als „gewöhnliche“ Umverteilung von unten nach oben zu sehen, verharmlost eigentlich die Legalisierung kriminellen Verhaltens, was auch dann als strafbar verstanden werden müsste, wenn man ang. von nichts wusste. Solche Sichtweise lässt sich sogar aus der Rechtsprechung zu § 265a StGB „Erschleichen von Leistungen“ vom Schwarzfahren auf Steuerdiebstahl durchaus übertragen.
  • [Kultur] Rendite vom Staat: Das Hamburger Lichthof Theater klärt unterhaltsam auf, wie Cum-Ex-Steuerdeals funktionieren 
    „Theater darf das, eine Aussage nehmen, aufgreifen, weiterführen. Auf dass das Geschehen in anderem Licht erscheint – und dadurch verständlich wird. Mitte Oktober machten neue Enthüllungen zu den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Steuerdeals Schlagzeilen. Cum was? Wer an eine bestimmte englische Bedeutung des Wortes denkt, liegt falsch. Aber obszön kann man es dennoch nennen. Mindestens 55 Milliarden Euro sollen zwischen 2001 und 2016 aus europäischen Staatshaushalten an Superreiche geflossen sein. Zusammen mit Berater_innen, Steuerberater_innen und Investmentbanker_innen ließen sie sich mit dubiosen Aktiendeals rund um den Dividendenstichtag die Kapitalertragssteuer gleich mehrfach zurückerstatten. Die Beute wurde geteilt. Der deutsche Staat wusste davon, unternahm aber lange nichts. (…) Was in dem dokumentarischen Stück gezeigt wird (und durch ältere Recherchen ebenfalls belegt ist), ist teils unfassbar. Als Finanzminister Peer Steinbrück 2007 eine Gesetzesänderung erließ, wurde diese in großen Teilen wortwörtlich vom Bankenverband übernommen. Dieser hatte fünf Jahre zuvor auf das Problem der doppelten Auszahlung der Steuer hingewiesen, die sich daraus ergebe, dass eine Aktie zwei Eigentümer haben könne: einen wirtschaftlichen und einen juristischen. Einen Lösungsvorschlag lieferte der Bankenverband gleich mit. Dieser wurde seinerzeit den Finanzministerien der Länder zur Prüfung vorgelegt: In NRW nahm eine Beamtin Stellung: »Mit den komplizierten Regelungen soll offenbar lediglich die bisherige Bankenpraxis, die m. E. ohne zivilrechtliche Rechtsgrundlage ist, legalisiert werden.« (…) Selten war Theater so dicht an der (Tages-)politik – und damit gesellschaftlich so relevant. Und wer hätte das gedacht: Aus dieser trockenen Materie kann man tolles Theater machen.“ Artikel von Guido Speckmann aus ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 643 vom 13. November 2018 externer Link
  • Häufige Fragen zu den CumEx-Files
    „Welche Konsequenzen haben die CumEx-Files? Wie lassen sich Steuerraubzüge verhindern? Auf diese Fragen und mehr antworten wir hier. (…) Cum-Cum-Geschäfte fanden in Deutschland, Frankreich oder Italien bereits seit den 90er-Jahren statt. Cum-Ex-Geschäfte gab es seit 2001 in Deutschland, seit 2006 in der Schweiz und seit 2012 in Dänemark. Auch die Behörden der Länder reagierten unterschiedlich. Während die Schweiz Cum-Ex-Geschäfte 2008 unterband, gelang Deutschland das erst 2012 weitgehend – wobei die CumEx-Files belegt haben, dass auch heute noch „steuergetriebene“ Geschäfte betrieben werden. In Dänemark reichen die untersuchten Fälle bis 2017. Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte sind auch unter dem englischen Oberbegriff Dividendstripping bekannt. (…) Juristen, die an den Steuergeschäften als Gutachter beteiligt waren, argumentieren, dass alles, was nicht explizit verboten ist, erlaubt ist. Andererseits widerspricht so eine formaljuristische Auslegung dem Geist des Gesetzes. Demnach ist es unrechtmäßig, sich etwas erstatten zu lassen, was man nicht bezahlt hat. Die Bundesregierung spricht von steuerlichem Gestaltungsmissbrauch. Der Initiator des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses, Gerhard Schick, beschreibt eine konstruierte Scheinlegalität über Steuergutachten, die wiederum von der Finanzindustrie bezahlt wurden. Die Lücke, die Cum-Ex ermöglichte, wurde 2012 technisch geschlossen, diejenige für Cum-Cum 2016. Die Argumentation einiger Akteure ist zumindest zweifelhaft…“ Erläuterungen von Ruth Fend vom 23. Oktober 2018 bei CORRECTIV externer Link (mit Video)
  • So bestehlen uns Superreiche: eine Anleitung in 6 Schritten 
    „Aktionäre haben sich jahrelang Steuern zurück erstatten lassen, die sie nie bezahlt haben. Wir erklären, wie der Trick mit „Cum-Ex“ und „Cum-Cum“ funktioniert. (…) Rund um diesen Stichtag, wird die Aktie schnell zwischen Banken, Investoren und Fonds hin und her geschoben. Das Ziel: Verwirrung schaffen. Durch den schnellen Handel mit den Aktien kann das Finanzamt nur schwer verfolgen, wer sie eigentlich wirklich besaß. Das Ergebnis: Das Finanzamt stellt gleich mehrere Steuerbescheide aus und die Investoren lassen sich die Steuern gleich mehrfach zurück erstatten, obwohl sie teils kein einziges Mal ein Anrecht darauf hatten. (…) An diesen Deals sollen auch eine Reihe prominenter Investoren beteiligt gewesen sein. Ganz vorne mit dabei: Carsten Maschmeyer. Laut Unterlagen, die dem Stern vorliegen, soll er einmalig fünf Millionen Euro investiert haben. Weitere 40 Millionen Euro seien von seinem „Familienkonto“ abgegangen. Hier steckte wohl auch Geld seiner Verlobten, der Schauspielerin Veronica Ferres und von seinem Kumpel, dem Fußballtrainer Mirko Slomka mit drin. Aber auch Schake-Boss Clemens Tönnies und der Hamburger Prominenten-Anwalt Matthias Prinz sollen in die Ex-Cum-Geschäfte verwickelt sein. Bis jetzt wurde aber keiner der mutmaßlichen Betrüger verurteilt…“ Beitrag von Svana Kühn vom 19. Oktober 2018 in Orange by Handelsblatt externer Link

Siehe zum Thema zuvor im LabourNet:

  • Große Koalition opfert Demokratie dem Finanzkapital – Cum-Ex-Skandal und der Bundestag
    “… Der Fisch stinkt vom Kopf her, wenn “unser” Staat bei der Steuerkriminalität einfach wegtauchen darf  – und so bleibt diese Großkoalitionäre Regierung erstaunlich “dement” bei diesem Melken des Staates durch die Reichen bei den Steuern…” Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 25.6.2017

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=138781
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