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100.000 in Wien gegen den 12 Stunden-Arbeitstag, den die Rechtsregierung den Menschen aufzwingen will – ein guter Anfang, oder?

Anti_12Stunden_WienDie Regierung ist am Samstag erstmals seit ihrem Antritt mit echtem Widerstand konfrontiert worden. Der ÖGB mobilisierte trotz Ferienbeginns im Osten rund 100.000 Menschen, die gegen eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit anmarschierten. Präsident Wolfgang Katzian forderte die Regierung auf, das Volk zu dem Thema zu befragen. Das Wetter hatte es gut mit dem Gewerkschaftsbund gemeint, der in kurzer Zeit seine größte Demonstration seit den Protesten gegen die schwarz-blaue Pensionsreform im Jahr 2003 auf die Beine gestellt hatte. Strahlender Sonnenschein, aber keine zu hohen Temperaturen begleiteten die Kundgebungsteilnehmer bei deren Marsch vom Wiener Westbahnhof in die Innenstadt, was Christgewerkschafter Norbert Schnedl launig der Bischofskonferenz zuschrieb, die ja auch die Arbeitszeit-Pläne der Regierung vehement ablehnt. Laut Polizei kamen rund 80.000 Demonstranten, die Veranstalter zählten mehr als 100.000.  Machtvoll wirkte die Demonstration jedenfalls, vor allem die in gehöriger Mann- und Frauzahl erschienene Produktionsgewerkschaft pro-ge stach hervor, aber auch die „Sozialen Schwarzen“, die unter anderem den Tiroler AK-Präsidenten Erwin Zangerl in ihren Reihen hatten. (…) Von praktisch allen Rednern wurde Gesundheitsgefahr ebenso wie Freizeitverlust ins Spiel gebracht. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl meinte vielmehr, es sei nun Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung…“ – aus dem Bericht „Rund 100.000 demonstrierten in Wien gegen den 12-Stunden-Tag „  am 30. Juni 2018 im Standard externer Link (wobei auch die Kommentare dazu aus verschiedensten Gründen lesenswert sind). Zur Wiener Demonstration gegen Arbeitszeitverlängerung zwei  weitere aktuelle Beiträge, zwei Beiträge, die die Politik der Rechtsregierung im Dienst des Unternehmerverbandes deutlich machen, sowie drei Beiträge zur Entwicklung des Widerstandes dagegen – und der Hinweis auf den bisher letzten unserer Beiträge zum Thema:

„Die Großkundgebung gegen den 12-Stunden-Tag in Bildern“ von Florian Bayer ebenfalls am 30. Juni 2018 im Standard externer Link ist eine umfangreiche Video- und Fotosammlung vom Tage, die schon einen guten Eindruck von der (auch politischen) Vielfalt der Demonstration gibt.

„Auch der Abänderungsantrag ändert nichts daran: Der 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche werden von der raren Ausnahme zum Normalfall“ von Christoph Klein am 29. Juni 2018 im Blog Arbeit und Wirtschaft externer Link ist einerseits ein Beitrag, der deutlich macht, dass die hektischen Versuche der Rechtsregierung durch kosmetische Veränderungen am Gesetzesentwurf den Widerstand abzuschwächen nicht viel nützen werden, da die Substanz dieselbe bleibt: Länger arbeiten müssen. Andrerseits deutet die Überschrift bereits ein gewisses Dilemma eines Teils der Bewegungen gegen diese Attacke an – schließlich gab es „Ausnahmen“ auch bei der SPÖ…

„2-Stunden-Tag: Was Strache seinen Fans erzählt – und was wirklich stimmt“ von Valentin Schwarz am 22. Juni 2018 im Mosaik Blog externer Link ist ein Beitrag über die „Fluchtversuche“ der Rechten angesichts der Proteste bis tief in die eigenen Reihen, worin es unter anderem zur Bezahlung von Überstunden heißt: „Überstunden werden prinzipiell mit Zuschlägen abgegolten, also mit höherer Bezahlung oder mehr Zeitausgleich. In der Praxis ist das aber oft nicht der Fall. Rund eine Million Menschen in Österreich arbeiten Gleitzeit. Das bedeutet: Sie haben keine fix vorgeschriebenen Arbeitszeiten wie 9 bis 17 Uhr. Stattdessen gibt es eine Kernarbeitszeit von einigen Stunden, in der sie anwesend sein müssen. Ihre restliche Arbeitszeit können sie „gleiten“, also davor und danach anhängen. Was nach Selbstbestimmtheit klingt, führt oft dazu, dass diese Menschen schon jetzt um ihre Überstunden-Zuschläge umfallen. Arbeiten sie zehn statt acht Stunden, machen sie keine Überstunden, sondern bauen ein Polster auf, das sie später – eben per Gleitzeit – wieder abbauen. Anders ist es, wenn jemand elf oder zwölf Stunden arbeitet, wie das in Ausnahmefällen bereits möglich ist. Diese Stunden müssen laut Gesetz mit 50 Prozent Zuschlag abgegolten werden. In der Praxis ist der Zuschlag oft sogar noch höher. Denn 12-Stunden-Tage sind nur mit Zustimmung der BetriebsrätInnen erlaubt. Die verlangen oft eine höhere Gegenleistung für die Beschäftigten. Mit dem neuen Gesetz würde dieser Bonus für die Stunden elf und zwölf wegfallen. Es kippt den Zuschlag von 50 Prozent. Auch die Zustimmung der BetriebsrätInnen ist nicht mehr nötig, also können sie auch keine Extras ausverhandeln. „Dadurch verschiebt sich das Machtgleichgewicht weg von den Arbeitnehmern“, sagt Arbeitsrechts-Professor Martin Risak. Kurzum: Wenn du in Zukunft 12 Stunden arbeitest, bekommst du nichts dafür, außer dass du die Extrastunden an einem anderen Tag eins-zu-eins abbauen darfst…“.

„SPÖ stellt eine Anfrage zur Arbeitszeit“ am 29. Juni 2018 bei der Wiener Zeitung externer Link berichtet von den parteipolitischen parlamentarischen Aktivitäten, die auch die jeweiligen Probleme aufscheinen lassen: „Überhaupt wird seitens der SPÖ darauf verwiesen, dass es zahlreiche Ausnahmebestimmungen gebe, wo unter verpflichtender Mitbestimmung des Betriebsrats ein vorübergehender 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche zugelassen werden – und das über 24 Wochen im Arbeitsjahr. Das ändert freilich nichts daran, dass die Sozialdemokraten den gesetzlichen Ausbau der Maximal-Arbeitszeit verdammen, der ihrer Ansicht nach bloß die Wünsche einer „mächtigen Unternehmerlobby“ bedienen soll, die den Wahlkampf der Volkspartei gesponsert habe. Gefragt wird Kurz dann auch, was er Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) versprochen habe, damit er der Arbeitszeitverlängerung zustimme. Auch wird beim Kanzler um Auskunft ersucht, wie oft er sich seit seiner Wahl mit Großunternehmern bzw. mit AK und ÖGB getroffen hat. Die Arbeitnehmer-Organisationen hatten ja wiederholt beklagt, dass die Regierung jeglichen Dialog mit ihnen verweigere. Genüsslich wird in der Begründung der Anfrage immer wieder auf kritische Stellungnahmen von ÖVP-dominierten Organisationen wie den Arbeiterkammern Tirols und Vorarlbergs verwiesen. Auch die Forderung der Bischofskonferenz, mit dem Heiligen Stuhl Kontakt aufzunehmen, um das im Konkordat völkerrechtlich geforderte Einvernehmen in Bezug auf die geplante Einschränkung der Wochenend- und Feiertagsruhe herbeizuführen, wird aufgenommen. Konkret soll der Kanzler ausführen, ob er „dieser völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommen wird“…“.

„Neun Gründe, warum der 12-Stunden-Tag unsere bisher beste Chance gegen Schwarz-Blau ist“ von Martin Konecny, Lukas Oberndorfer und Sandra Stern am 26. Juni 2018 bei Mosaik externer Link ist ein Kommentar vor der Demonstration, der auf einige Besonderheiten dieses Protestes abzielt (unter anderem die Posse der Rechtsregierung, sie sei sozial) – darunter etwa zum Charakter der Bewegung: „Oben wird entschieden, unten ausgeführt: So hierarchisch läuft Politik in Österreich in der Regel ab. Das gilt gerade auch für SPÖ und Gewerkschaften. Die unteren Ränge warten, bis ihnen gesagt wird, was sie wann zu tun haben, anstatt Druck auf die Führungsriege zu machen. Auch die Linke pflegt gerne ihre zahnlosen Rituale: eine Demo hier, die alten wütenden Parolen dort. Einen Konflikt tatsächlich gewinnen? Daran glaubt niemand so recht. Mit dieser Kultur des Verlierens müssen wir brechen. Lassen wir den Verantwortlichen für dieses Gesetz mit Aktionen keine Ruhe. Schaffen wir Räume, in denen wir über Arbeitsdruck und die Schwierigkeit diskutieren, Familie, Beruf und die eigenen Interessen zu vereinbaren. Durchbrechen wir eingefahrene Muster und greifen wir ein: mit Sitzblockaden, Menschenketten und Familien-Flashmobs gegen den Zwölf-Stunden-Tag vor der ÖVP-Zentrale. Auch Streiks sollen nicht nur Druck ausüben, sondern uns auch lernen lassen, Verantwortung für uns selbst und einander zu übernehmen. Erst, wenn Menschen für ihre eigenen Interessen und auch die Anliegen anderer aufstehen, kann eine Dynamik entstehen, die nachhaltig ist. Und dafür braucht es nicht zuletzt auch gute Stimmung. Denn Menschen bleiben nur dann politisch aktiv, wenn sie nach der Demo oder Aktion mit einem Lächeln nach Hause gehen. Wie das gehen kann, zeigten vor einer Woche engagierte Betriebsrät_innen, Gewerkschafter_innen und linke Aktivist_innen: Sie besuchten spontan das Sommerfest der Industriellenvereinigung. Mit geringen Mitteln – Facebook-Veranstaltung, Blogbeiträge, E-Mail- und Messenger-Ketten – gelang es in weniger als 48 Stunden, 400 Menschen zu mobilisieren. Nach Abschluss der Kundgebung zogen sie spontan weiter zur Hinterseite des Kursalons Hübner, um die dort auf einer Terrasse feiernden Industriellen mit Pfiffen und Sprechchören zu konfrontieren…“.

„Machtprobe 12h-Tag“ am 29. Juni 2018 bei Selbstbestimmtes Österreich externer Link ist ein Interview mit Johann Linsmaier, ehemaliger Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats der Voest Alpine Linz, über den 12h-Tag und den Versuch der Industrie die Arbeitnehmerrechte weiter einzuschränken. Eine Machtprobe mit den Gewerkschaften steht bevor…

„Kämpfen statt Abwarten!“ von Irene Mötzl am 27. Juni 2018 bei der Sozialistischen Linkspartei externer Link ist ein Beitrag, der – stellvertretend für eine ganze Reihe solcher Bestrebungen bei verschiedenen linken Organisationen  – darauf orientiert, die Abwartehaltung des ÖGB, was die weitere Aktivität betrifft, zu überwinden: „Mit der Kampagne: „ÖGB aufrütteln – Wir können und wollen nicht mehr abwarten“ haben sich kämpferische BetriebsrätInnen/PersonalvertreterInnen und aktive Beschäftigte zusammengeschlossen, um den ÖGB daran zu erinnern was er ist: Eine Kampforganisation aller lohnabhängigen Menschen in Österreich! In einem Initiativantrag für den ÖGB-Kongress im Juni fordern wir wirksame gewerkschaftliche Aktivitäten gegen die geplanten Angriffe. Verhandlungen im Sinne einer Sozialpartnerschaft zählen hier nicht dazu. Sie zwingen zu Kompromissen, was angesichts der Aggressivität der Regierung immer noch katastrophal wäre! Statt Geheimverhandlungen der Gewerkschaftsspitzen müssen alle Beschäftigten einbezogen werden. Dazu brauchen wir: Information und Diskussion in den Betrieben und branchenübergreifend. In BetriebsrätInnen- und AktivistInnenkonferenzen können Aktionen beraten und beschlossen werden. Österreichweite Aktions- und Arbeitskampftage wären ein erster sinnvoller Schritt einer Eskalationsstrategie, um die geplanten Angriffe zurückzuschlagen. Unsere Initiative hat zum Ziel, kämpferische BetriebsrätInnen/PersonalvertreterInnen, aktive Beschäftigte, gewerkschaftliche Basisinitiativen, aber auch antirassistische und feministische Initiativen zusammenbringen, und über den ÖGB Bundeskongress hinaus eine kämpferische Vernetzung aufzubauen…“.

Zum Projekt Arbeitszeitverlängerung der Wiener Rechtsregierung zuletzt: „Gewerkschaftliche Kritik an der Arbeitszeitverlängerung der Wiener Rechtsregierung: Folgt jetzt entsprechende Mobilisierung“ am 25. Juni 2018 im LabourNet Germany (dort auch Hinweise auf frühere Beiträge zum Thema)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=134026
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