DGB-Gewerkschaften und Leiharbeit: Mißstände bekämpfen, betriebliche Spaltung gestalten und Niedriglöhne tariflich veredeln

Niedriglohn per Tarifvertrag? Schluss damit!Ostern 2018 jubelt die IG Metall „Tariferhöhung in der Leiharbeit: Mehr Geld für Leihbeschäftigte“ und meint damit die nächste Stufe des Abschlusses von Ende 2016, mit der nun 9,49 Euro in der Stunde im Westen und 9,27 Euro im Osten fällig sind – weit unterhalb der Niedriglohnschwelle. Was wie ein verfrühter Aprilscherz erscheint, ist in Wirklichkeit eine Tragödie für die mittlerweile über eine Million Menschen in Leiharbeit. Dabei hätten sie von der ersten Einsatzminute an „equal Pay“, also gleiche Bezahlung und Arbeitsbedingungen wie die am Einsatzort Stammbeschäftigten haben können, wenn die DGB-Tarifgemeinschaft einfach die Finger vom Tarifvertrag gelassen hätte, wie es viele GewerkschafterInnen in einem Offenen Brief des LabourNet Germany erneut gefordert hatten. Es ist die alte Haltung der Gewerkschaften „Hauptsache mit uns“, die sie nicht zum ersten Mal dazu bewegt, die Öffnungsklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu nutzen, mit der Verschlechterung mit Tarif ermöglicht werden. Bereits 2003 schrieb ich in der jw (08.03.2003: Lieber ohne Tarif. Der DGB und das Arbeitsplatzwunder« namens Leiharbeit) (…) Nun soll die Hoffnung keinesfalls aufgegeben werden, weder die auf mehr Widerstand durch die LeiharbeiterInnen selbst noch die auf erfolgreichen Druck auf die DGB-Gewerkschaften. Doch bisweilen soll ein weiterer Weg ausprobiert werden, der juristische. Die in der Sendung Die Anstalt vom Mai 2017 vorgestellte Kampagne von Prof. Wolfgang Däubler und LabourNet Germany sucht LeiharbeiterInnen für Klagen auf equal pay bis vor den europäischen Gerichtshof, der die tarifliche Abweichung vom Gesetz für ungültig erklären soll. Es laufen bereits mindestens zwei Prozesse, für die über 10 Tausend Euro Spenden zur Verfügung stehen. Das Interesse ist also viel größer, als es die DGB-Tarifgemeinschaft glaubt.“ Artikel von Mag Wompel in der ungekürzten Fassung desjenigen in der 1. Mai-Beilage der jungen Welt vom 25.04.2018 externer Link: „Niedriglöhne veredelt. Die DGB-Gewerkschaften schließen lieber Tarifverträge für die Leiharbeit ab, statt sie grundsätzlich in Frage zu stellen“

DGB-Gewerkschaften und Leiharbeit:
Mißstände bekämpfen, betriebliche Spaltung gestalten und Niedriglöhne tariflich veredeln

Ostern 2018 jubelt die IG Metall „Tariferhöhung in der Leiharbeit: Mehr Geld für Leihbeschäftigte“ und meint damit die nächste Stufe des Abschlusses von Ende 2016, mit der nun 9,49 Euro in der Stunde im Westen und 9,27 Euro im Osten fällig sind – weit unterhalb der Niedriglohnschwelle. Was wie ein verfrühter Aprilscherz erscheint, ist in Wirklichkeit eine Tragödie für die mittlerweile über eine Million Menschen in Leiharbeit. Dabei hätten sie von der ersten Einsatzminute an „equal Pay“, also gleiche Bezahlung und Arbeitsbedingungen wie die am Einsatzort Stammbeschäftigten haben können, wenn die DGB-Tarifgemeinschaft einfach die Finger vom Tarifvertrag gelassen hätte, wie es viele GewerkschafterInnen in einem Offenen Brief des LabourNet Germany erneut gefordert hatten. Es ist die alte Haltung der Gewerkschaften „Hauptsache mit uns“, die sie nicht zum ersten Mal dazu bewegt, die Öffnungsklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu nutzen, mit der Verschlechterung mit Tarif ermöglicht werden.

Bereits 2003 schrieb ich in der jw (08.03.2003: Lieber ohne Tarif. Der DGB und das Arbeitsplatzwunder« namens Leiharbeit):  „Seit 1991 – nach einem zwischenzeitlichen Verbot der Leiharbeit 1982 – hat sich die Zahl der LeiharbeiterInnen verdreifacht. Sie erhalten rund 40% weniger Lohn und haben weniger Rechte. Aus diesen Gründen waren die Gewerkschaften schon immer gegen die Leiharbeit – um die LeiharbeiterInnen haben sie sich nicht gekümmert. Nun sind sie plötzlich für Leiharbeit, die seit Hartz als das neue Arbeitsplatzwunder gehandelt wird. Sie sind dafür – wenn sie tarifiert ist und damit niedriger bezahlt, als sie es ohne die Einmischung der Gewerkschaft sein müßte. Um die LeiharbeiterInnen werden sie sich trotzdem immer noch nicht kümmern. (…) Ohne Tarife hätte ab 1.1.2004 endlich die alte Gewerkschaftslosung gegolten. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. (…) „Ich verspreche Euch, daß es mit mir keinen Tarif unter „Equal pay“ geben wird – so dennoch der DGB-Verhandlungsführer Dombre vor Beginn der Verhandlungen, doch ohne nachvollziehbar zu machen, warum sie denn überhaupt stattfinden. Verhandlungen, die zudem auf Wunsch des DGB an einem geheimen Ort vollzogen wurden, weil zuvor bei den Verhandlungen in Hannover Demonstranten und in Frankfurt/Main „Anarchos“ diese durch Besetzung einer Leiharbeitsfirma gestört hätten…“

Seitdem läuft regelmäßig das gleiche Prozedere ab – mittlerweile leider ohne Proteste bei den Verhandlungen – und verhindert immer wieder aufs Neue das gesetzliche Gebot – und uralte gewerkschaftliche Forderung! Der innergewerkschaftliche Widerstand hält sich auch deshalb in Grenzen, weil einerseits die LeiharbeitnehmerInnen kaum organisiert sind – warum wohl? – und andererseits viele, wenn nicht gar ein Großteil der Stammbelegschaften, LeiharbeiterInnen als willkommene Puffer ihrer eigenen Arbeitsplatzsicherheit sehen.

So verwundert es kaum, wenn die DGB-Gewerkschaften noch über den Tarifvertrag hinaus der boomenden Leiharbeitsbranche entgegen kommen, v.a. ver.di und IG Metall. So hat letztere, fast zeitgleich mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen“ am 1. April 2017, das eine schon überlange 18monatigige Höchstüberlassungsdauer von Leiharbeitern vorsieht, als erste Branche bis zu 48 Monate in der Metall- und Elektroindustrie vereinbart, das Gesetz also noch weiter verschlechtert.

In ver.di ist es die Zusammenstellung der über Tarifverträge der Leihbranche entscheidenden Bundestarifkommission, die Kritik hervorruft, weil diese zu ca 1/3 mit Disponenten besetzt wird. Wegen ihrer Vorgesetztenfunktion fallen Disponenten nicht unter den Wirkungsbereich der DGB-Tarife in der Leiharbeit und ihre Teilnahme in der Tarifkommission ist mit der Tarifrichtlinie unvereinbar. Während ver.di betont, es fänden sich nicht genug Leiharbeitnehmende, werden einer mündlichen Aussage einer Funktionärin zu Folge allerdings LeiharbeierInnen oft fälschlicherweise im Fachbereich ihres Entleihbetriebes zugeordnet, statt im zuständigen Fachbereich 13.

Hinzu kommt ein unerklärlich fahrlässiger Umgang der gesamten DGB-Tarifgemeinschaft mit dem Manteltarifvertrag (MTV) Leiharbeit. Als 2016 die erneuten Tarifverhandlungen zwischen der DGB-TG und den beiden Verbänden iGZ und BAP anstanden, gab es bereits breite Kritik daran, dass lediglich der Entgelttarifverttag gekündigt – und auch noch neu verhandelt werden sollte. Der wichtigere MTV mit Regelungen über Urlaubsanspruch und Höhe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Wochenarbeitszeit und  Arbeitszeitkonten blieb ungekündigt, womit der Ausstieg aus dem Lohndumping mit Tarif verschlossen blieb.

Besonders der Umgang mit den Arbeitszeitkonten – fast der einzige Unterschied in den Tarifen mit iGZ und BAP – ist besonders umstritten. Hierzu gab es am 16.04.2014 ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (5 AZR 483/12), das die beliebte Praxis, in Verleihfreienzeiten das Arbeitszeitkonto  abzubauen, also auf diesem Wege des Beschäftigungsrisiko  abzuwälzen. Viele Juristen erachten diesbezügliche Passage im MTV mit der iGZ als nicht rechtskonform – es bleibt schleierhaft, warum die DGB-Tarifgemeinschaft es seit dem unterließ, den MTV in diesem wichtigen Punkt zu ändern…

Nun soll die Hoffnung keinesfalls aufgegeben werden, weder die auf mehr Widerstand durch die LeiharbeiterInnen selbst noch die auf erfolgreichen Druck auf die DGB-Gewerkschaften. Doch bisweilen soll ein weiterer Weg ausprobiert werden, der juristische. Die in der Sendung Die Anstalt vom Mai 2017 vorgestellte Kampagne von Prof. Wolfgang Däubler und LabourNet Germany sucht LeiharbeiterInnen für Klagen auf equal pay bis vor den europäischen Gerichtshof, der die tarifliche Abweichung vom Gesetz für ungültig erklären soll. Es laufen bereits mindestens zwei Prozesse, für die über 10 Tausend Euro Spenden zur Verfügung stehen. Das Interesse ist also viel größer, als es die DGB-Tarifgemeinschaft glaubt.

Mag Wompel

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=131315
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