Zum Tarifabschluss bei der Post

Arbeiten zum Hungerlohn? Wehrt Euch!Die jährlichen Leistungsbeurteilungen mit ihren oftmals nicht nachvollziehbaren und willkürlich anmutenden Benotungen werden abgeschafft. Das ist zweifelsohne ein erfreuliches Resultat der aktuellen Tarifauseinandersetzungen beim Gelben Riesen. Trotzdem muss das Ergebnis der gewerkschaftlichen Mitgliederbefragung überraschen: Über 50.000 bei ver.di organisierte Postlerinnen und Postler beteiligten sich. Gut zwei Drittel von ihnen akzeptierten das Tarifangebot der Unternehmensseite. Dabei sieht es nur bescheidene Lohnerhöhungen vor. Konkret: Die Entgelte der Tarifbeschäftigten steigen im Oktober 2018 um drei und ein Jahr danach um weitere 2,1 Prozent. Die Laufzeit des neuen Vertrags beträgt 28 Monate. Die Lohnforderung, mit der ver.di Anfang des Jahres die Verhandlungen eröffnet hatte, klang deutlich sympathischer: Sechs Prozent für zwölf Monate. Das Tarifergebnis vermag weder „makroökonomisch“ noch „mikroökonomisch“ zu überzeugen. (…) Außerdem dürfte das magere Lohnplus wohl nicht ausreichen, um zu entschädigen für das steigende „Arbeitsleid“, d. h. für den steigenden Leistungsdruck beim Sortieren und Zustellen von Paketen und Briefen. Warum stimmten trotzdem über zwei Drittel zu? Vermutlich wegen des „Wahlmodells“. (…) Vor allzu viel Optimismus sei mit Blick auf das Wahlmodell aber gewarnt. Es wird das Arbeiten bei der Post nicht radikal demokratisieren und humanisieren. Ein Grund: Die Ergebnisse der diesjährigen Tarifrunde gelten nicht für die wachsende Zahl der Postlerinnen und Postler, die bei der 2015 gegründeten DHL Delivery arbeitet…“ Kommentar von Geert Naber (Oldenburg) vom April 2018 – wir danken!

Zum Tarifabschluss bei der Post

Die jährlichen Leistungsbeurteilungen mit ihren oftmals nicht nachvollziehbaren und willkürlich anmutenden Benotungen werden abgeschafft. Das ist zweifelsohne ein erfreuliches Resultat der aktuellen Tarifauseinandersetzungen beim Gelben Riesen. Trotzdem muss das Ergebnis der gewerkschaftlichen Mitgliederbefragung überraschen: Über 50.000 bei ver.di organisierte Postlerinnen und Postler beteiligten sich. Gut zwei Drittel von ihnen akzeptierten das Tarifangebot der Unternehmensseite. Dabei sieht es nur bescheidene Lohnerhöhungen vor. Konkret: Die Entgelte der Tarifbeschäftigten steigen im Oktober 2018 um drei und ein Jahr danach um weitere 2,1 Prozent. Die Laufzeit des neuen Vertrags beträgt 28 Monate. Die Lohnforderung, mit der ver.di Anfang des Jahres die Verhandlungen eröffnet hatte, klang deutlich sympathischer: Sechs Prozent für zwölf Monate.

Das Tarifergebnis vermag weder „makroökonomisch“ noch „mikroökonomisch“ zu überzeugen. Makroökonomisch nicht, weil es keinen Beitrag zur viel beschworenen Stärkung der Massenkaufkraft leistet. Mikroökonomisch nicht, weil die kargen Lohnzuwächse der einzelnen Postlerin/dem einzelnen Postler wenig Nutzen bringen. Ihre/seine finanziellen Handlungsmöglichkeiten werden sich kaum erhöhen. Außerdem dürfte das magere Lohnplus wohl nicht ausreichen, um zu entschädigen für das steigende „Arbeitsleid“, d. h. für den steigenden Leistungsdruck beim Sortieren und Zustellen von Paketen und Briefen.

Warum stimmten trotzdem über zwei Drittel zu? Vermutlich wegen des „Wahlmodells“. Das Tarifangebot des Konzerns nahm die gewerkschaftliche Forderung nach mehr Wahlmöglichkeiten für die Beschäftigten auf. Was zur Folge hat, dass die Postlerinnen und Postler demnächst zwischen mehr Geld und mehr Freizeit auswählen können: Statt der ersten Tariferhöhung können sie 60 Stunden Entlastungszeit im Jahr wählen, statt der zweiten 42 Stunden. Zu hoffen ist, dass diese Regelung im betrieblichen Alltag im Sinne der Gewerkschaften funktioniert und den Beschäftigten tatsächlich ein besseres Vereinbaren von Beruf, Familie und Freizeit ermöglicht.

Vor allzu viel Optimismus sei mit Blick auf das Wahlmodell aber gewarnt. Es wird das Arbeiten bei der Post nicht radikal demokratisieren und humanisieren. Ein Grund: Die Ergebnisse der diesjährigen Tarifrunde gelten nicht für die wachsende Zahl der Postlerinnen und Postler, die bei der 2015 gegründeten DHL Delivery arbeitet. Dieses Subunternehmen, das in der Paketlogistik des Gelben Riesen eine immer wichtigere Rolle spielt, fällt nämlich nicht unter den Haustarifvertrag der Deutschen Post. Für DHL Delivery gelten die Niedrigstandard-Tarifverträge der Transportbranche. Bei der Post lässt sich folglich eine Zwei-Klassen-Belegschaft beobachten: Hier arbeitet die – schrumpfende – Gruppe der Altbeschäftigten, für die weiterhin der Haustarifvertrag gilt, Seite an Seite mit immer mehr „Deliveries“. Mit Kolleginnen und Kollegen also, die in puncto Löhne und Arbeitszeiten gewiss nicht zu beneiden sind.

Die Strategie der Post, durch Lohndumping à la DHL Delivery profitabler zu werden, löst im Übrigen ein grundsätzliches Problem nicht: Der Gelbe Riese ist ein kapitalistisches Unternehmen, das zwar momentan große Gewinne erzielt, aber sicherlich auch wieder Zeiten erleben wird, in denen es mit dem Profitmachen nicht so gut läuft. Spätestens dann wird die Konzernspitze wieder verstärkt „Klassenkampf von oben“ betreiben und in dem Zusammenhang auch den Haustarifvertrag attackieren. Die Postlerinnen und Postler dürfen sich deshalb durch die „harmonische“ Tarifrunde 2018 nicht einlullen lassen. Sie müssen auf ihre zukünftige Konflikt- und Streikfähigkeit achten.

Geert Naber (Oldenburg), April 2018    

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130693
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