Bayern ist Spitze: Bei der Abschaffung von Grundrechten. Wegen Terror und Gefährdern (auch des Eigentums)

Solidarität mit dem Gefangenenstreik in den USA am 9.9.2016 - hier in New YorkDer Freistaat Bayern weitet die Rechte der Polizei gewaltig aus. Am Mittwoch beschloss das Parlament eines der schärfsten Gesetze zur Überwachung von gefährlichen Personen. Dabei geht es um Personen, die keine Straftat begangen haben, aber im Verdacht stehen, dies zu tun – wie sogenannte Gefährder. In Bayern können sie in Zukunft sogleich bis zu drei Monate präventiv in Gewahrsam genommen werden. Bisher galt eine Höchstdauer von zwei Wochen, die nun völlig aufgehoben ist. Alle drei Monate muss die Haft von einem Richter überprüft werden. Theoretisch können Betroffene so jahrelang im Gefängnis sitzen, ohne ein Urteil“ – so beginnt der Artikel „Gefährder-Gesetz verschärft“ von Lisa Schnell am 19. Juli 2017 in der SZ Online externer Link, worin die übliche Logik Thema ist, eine angebliche Verteidigung der „Freiheit“ durch ihre Abschaffung zu garantieren. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge – auch zu Gefährdern des Eigentums:

  • Ein nächster Schritt in Richtung Guantánamo New
    „«Meine Damen und Herren, wir sind in der Tat eine offene Gesellschaft, aber zum Schutz dieser offenen Gesellschaft braucht es einen starken Staat, der bestmöglich für die Sicherheit und Freiheit der Menschen einsteht.» Das sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann am 19. Juli 2017 in der Landtagsdebatte (…). Einen Tag, bevor sich das Parlament des Freistaates in die Sommerpause davon machte, hat es noch schnell Geschichte geschrieben. Es verabschiedete in zweiter und dritter Lesung eine Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (…) (PAG), mit der das Bundesland einmal mehr demonstriert, dass ihm in Sachen Härte der Sicherheitsgesetzgebung kein anderes den Rang ablaufen kann: Bei «drohenden Gefahren» kann die Bayerische Polizei in Zukunft nicht nur schweres Geschütz zur Überwachung, nämlich Staatstrojaner, einsetzen. Sie kann die Freiheit von Personen einschränken, indem sie ihren Aufenthalt per «elektronischer Fußfessel» überwacht. Und sie kann Menschen diese Freiheit – präventiv – gleich ganz entziehen. Das alles muss jeweils ein Richter oder eine Richterin genehmigen. (…) Die Polizei entscheidet, wann eine solche Gefahr drohen könnte und wann sie an den zuständigen Amtsrichter oder die Amtsrichterin herantritt, um sich entsprechende Maßnahmen genehmigen zu lassen – vom Trojanereinsatz bis hin zur «Unendlichkeitshaft» (…). Und die Erfahrung lehrt: Je grösser die beschworene Gefahr, desto eher werden die Richter*innen dem polizeilichen Ansinnen folgen. Im Unterschied zum BKA-Gesetz setzt das bayerische PAG aber nicht nur an drohenden terroristischen Gefahren an, sondern bereits bei möglichen Schädigungen «erheblicher Eigentumspositionen» oder «Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt»…“ Kommentar von Heiner Busch vom 28. Juli 2017 beim Grundrechtekomittee externer Link
  • „Bayern führt die Unendlichkeitshaft ein“ am 20. Juli 2017 in der SZ Online externer Link ist ein Kommentar von Heribert Prantl zu diesem neuen Gesetzesmonstrum, in dem es unter anderem heißt: „Bisher konnte die Vorbeugehaft in Bayern bis zu 14 Tage dauern, länger als anderswo. Künftig aber, nach der Reform des Polizeiaufgabengesetzes, können diese 14 Tage ewig dauern; es gibt keine Höchstfrist mehr; und die richterliche Kontrolle ist sehr unzureichend. Das alles ist eigentlich unvorstellbar; bei diesem Gesetz „zur Überwachung gefährlicher Personen“ denkt man an Guantanamo, Erdogan oder die Entrechtsstaatlichung in Polen. Die Haft ad infinitum wurde aber im Münchner Landtag beschlossen. Die CSU sollte sich schämen; die Opposition, deren Aufstand nicht einmal ein Sturm im Wasserglas war, auch“.
  • „Unbefristete Haft für „Gefährder““ von Dominik Baur am 20. Juli 2017 in der taz externer Link, worin auch darauf verwiesen wird, dass selbst aus Kreisen von „Fachleuten“ Bedenken geäußert wurden – und dass es keineswegs nur um „Terroristen“ geht, sondern auch beispielsweise um das heilige Eigentum: „Bei einer Expertenanhörung im Landtag haben sich Richter und Rechtsanwälte bereits im Mai kritisch zu dem Gesetz geäußert. Während ihm mehrere Professoren verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigten, meldeten die Praktiker Bedenken an. „Wir befinden uns damit in einem Graubereich des Rechtsstaats, in den hineinzugeraten man niemandem wünschen kann“, monierte etwa Hartmut Wächtler von der Rechtsanwaltskammer München. In der Tat gehen die Maßnahmen, die das Gesetz ermöglicht, über das Ziel der Terrorbekämpfung hinaus. So sollen polizeiliche Maßnahmen auch dann greifen, wenn „bedeutenden Rechtsgütern“ wie etwa „erheblichen Eigentumspositionen“ oder der „sexuellen Selbstbestimmung“ eine Gefahr drohen könnte. Damit, so Wächtler, sei auch der „Alltagsstörer“ im Fokus des Gesetzes“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=119117
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