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Der offene Brief der inhaftierten chinesischen VW-Leiharbeiter an den Konzern (und, neu, auch an die Betriebsräte) in deutscher Sprache

Solidarität mit VW-Leiharbeitern in ChinaDer offene Brief der Sprecher der bei VW in China protestierenden Leiharbeiter – von denen einer immer noch im Gefängnis sitzen muss –  über den wir am 16. Juli berichtet hatten, liegt nun ins Deutsche übersetzt vor. Mit dem Brief hatten sie VW aufgefordert, ihre chinesische Dependance dazu zu bewegen, chinesische Gesetze zu befolgen – die sie, was die Leiharbeit betrifft, mit Konstruktionen von vier Leiharbeitsfirmen, von denen zumindest eine Werksangehörigen gehört, systematisch und langfristig umgehen. (Machen sie halt nicht nur bei Diesel). Jetzt wurde dieser Brief ins deutsche übersetzt – und aus der Übersetzung wird deutlich, dass er eben auch an Welt- und Europa-Betriebsrat gerichtet ist, die beide zu entsprechendem solidarischen Handeln aufgerufen werden – auf der VW-Seite der IG Metall war das jedenfalls am 20. Juli noch nicht „angekommen“.  Siehe dazu die Übersetzung „Schlichtungsantrag der LeiharbeiterInnen bei FAW-Volkswagen (Changchun, China)“ vom 19. Juli 2017 (Original vom 15. Juli) und nun tatsächlich eine Antwort vom 25. August 2017 vom EBR und Weltkonzernbetriebsrat von VW:

EBR und Weltkonzernbetriebsrat von VW haben den inhaftierten chinesischen VW-Leiharbeitern geantwortet – besser, sie hätten es nicht getan! New

Die uns nun erst vorliegende Antwort vom 25. August bezieht sich zwar auf den offenen Brief der VW-Leiharbeiter aus China vom 18.7., doch offenbar bedurfte es ihres Nachdrucks, um „ihre“ Interessensvertretung zum Handeln zu bewegen – siehe unseren Beitrag vom 18. August 2017: Offener Brief der VW Arbeiter aus China von Unternehmen und Betriebsrat seit einem Monat: Unbeantwortet – deswegen ein neuer Vorstoß mit „Brief 2 aus Changchun“.
Vom „Handeln“ kann bei dieser Antwort, unterzeichnet durch Bernd Osterloh (Präsident) und Frank Patta (Generalsekretär) vom Europäischen und Weltkonzernbetriebsrat des Volkswagenkonzerns, auch nicht die Rede sein.
Erstens verweisen die beiden Autoren darauf, daß bei dem Joint-Venture FAW-VW die Personalhochheit  beim chinesischen Mehrheitseigner liege… „Nichts desto trotz nehmen wir Ihr Schreiben sehr ernst“ deutet vor diesem Hintergrund daraufhin, dass man sich nicht zuständig fühlt. Wir haben es auf die schnelle in unseren zig Seiten zu VW nicht gefunden, aber können uns dunkel an eine Selbstverpflichtung erinnern, auf deren Durchsetzung bei VW der WBR mal sehr stolz gewesen war – kann uns jemand einen Hinweis liefern?
Zweitens allerdings können sich die chinesischen KollegInnen aber wohl über die Unzuständigkeit freuen. Erdreisten sich doch die beiden obersten Gewerkschafter bei VW, den – wegen ihrer Proteste gegen skandalöse Arbeitsbedingung inhaftierten! – KollegInnen das Hinweisgebersystem von VW zu nutzen (also doch zuständig?) bzw. ihr Anliegen „der chinesischen Gesetzeslage entsprechend bei den hierfür zuständigen Stellen in China zu artikulieren“! Es handelt sich wohlgemerkt um diejenige chinesische Gesetzeslage, die ihre Verhaftung ermöglicht. Aber, wir erinnern, es handelt sich ja um Leiharbeiter, und da ist die IG Metall auch bei uns sehr gesetzesgläubig… Wer uns all dies nicht glauben sollte, siehe das Schreiben vom 25. August 2017  – die chinesische Version liegt uns ebenfalls vor und kann angefordert werden

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Schlichtungsantrag der LeiharbeiterInnen bei FAW-Volkswagen (Changchun, China)

Sehr geehrter Europäischer Konzernbetriebsrat, sehr geehrter Weltkonzernbetriebsrat, sehr geehrte Konzernleitung von Volkswagen,

Wir sind LeiharbeiterInnen bei FAW-Volkswagen in Changchun, China. Seit langer Zeit werden LeiharbeiterInnen bei FAW-Volkswagen schonungslos ausgebeutet. Der Lohnunterschied zwischen uns und den bei FAW-Volkswagen fest angestellten ArbeiterInnen ist enorm groß.

Um unsere legitimen Ansprüche zu wahren, haben wir uns als LeiharbeiterInnen organisiert und begonnen für unsere Rechte zu kämpfen.

Unser Anliegen traf jedoch auf zahlreiche Schwierigkeiten. FAW-Volkswagen hat unsere angemessenen und legitimen Forderungen von Anfang an weder anerkannt noch darauf reagiert, sondern sich stattdessen abscheulich verhalten! Zudem hat FAW-Volkswagen im Verlauf der Auseinandersetzung von schmutzigen Tricks Gebrauch gemacht und mit den zuständigen Regierungsbehörden dafür gesorgt, dass unsere Vertreter auf Basis von falschen und erfundenen Vorwürfen verhaftet werden.

Fu Tianbo, einer unserer Vertreter, befindet sich wegen des Verdachts auf „Aufruf zur Versammlung und Störung öffentlicher Ordnung“ bereits seit zwei Monaten in polizeilichem Gewahrsam! Ai Zhenyu und Wang Shuai, zwei weitere Vertreter, wurden von der Polizei sieben Tage lang festgehalten und mittlerweile wieder freigelassen.

Unsere Anwälte haben FAW-Volkswagen am 29. Juni 2017 ihre Rechtsauffassung übermittelt. Dabei wurde das Unternehmen aufgefordert, uns für die entgangenen Löhne bei gleicher Arbeit zu entschädigen, weitere entsprechende Kompensationszahlungen zu tätigen und uns innerhalb von zehn Werktagen zu antworten. Bis dato haben wir jedoch keine Antwort erhalten, was zu einem Scheitern der Schlichtungsbemühungen zwischen den beiden Parteien führte.

Das Verhalten von FAW-Volkswagen stellt eine schwerwiegende Verletzung der in China bestehenden Gesetze und Verordnungen dar! Darüber hinaus verstößt das Verhalten gegen zahlreiche Grundsätze und Inhalte der „Charta der Zeitarbeit im Volkswagen-Konzern“.

Wir alle, die bei FAW-Volkswagen unsere Rechte und Interessen eintretenden KollegInnen, fordern den Europäischen Konzernbetriebsrat, den Weltkonzernbetriebsrat sowie die Konzernleitung von Volkswagen mit Nachdruck auf, die Rechte von LeiharbeiterInnen voll und ganz zu respektieren und unseren Arbeitskonflikt mit FAW-Volkswagen gemäß den Vorschriften der „Charta derZeitarbeit im Volkswagen-Konzern“ zu lösen.

Mit freundlichen Grüßen, Die Vertreter der Antragssteller
Fu Tianbo (unterzeichnet i.V. Ehefrau Zou Hanxiao), Ai Zhenyu, Wang Shuai

(Falls Bedarf besteht, können wir gerne den chinesischen Originaltext zusenden)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=119093
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