Ruinöser Steuerwettbewerb – als „Autoimmunkrankheit der Globalisierung“. Trump (USA) ist mit „seinem“ Steuerdumping auf der europäischen Bühne eingetroffen

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 14.12.1016

Peter Bofinger: „Manche Ökonomen sind einfach schlechte Verlierer“ – und die National-Staaten können eine mögliche gemeinsame Perspektive durch einen ruinösen Steuerwettbeweb zu Grunde richten. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/montagsinterview-manche-oekonomen-sind-einfach-schlechte-verlierer-1.3289444?reduced=true externer Link) So gehörte es bei mir zu den Vergnügungen in den letzten Tagen an einem Morgen nach dem Aufstehen erst einmal dieses Interview mit Alexander Hagelüken in der Süddeutschen zu lesen. (wer dieses Vergnügern nicht haben kann, weil es im Netz dieses Interview nicht gibt, der kann ja schauen, ob er noch an ein Exemplar dieser Süddeutschen kommen kann)

Oder man kann zum Ersatz in dieses Wirken von Peter Bofinger im „Sachverständigenrat für Wirtschaft“ („Wirtschaftsweise“) auch schon einmal hier ein wenig einsteigen: „Sachverständigenrat doch einmal im Kreuzfeuer der Kritik: Ohne eine Basis in der wirtschaftlichen Realität bleibt der Sachverständigenrat Wirtschaft in seinen alten ideologischen Gräben einfach nur stecken“ (https://www.labournet.de/?p=106557). Zur wachsenden Ungleichheit, die jetzt auch noch die Perspektive unseres Parteiensystems durcheinander wirbelt, und warum der Sachverständigenrat das nicht begreifen will, siehe dort den Abschnitt: „Gerechtigkeit in Deutschland ist laut diesem SVR schon längst vollendet: Deshalb ist für den SVR eine Diskussion über Verteilung – wie heftig sie auch ansonsten geführt werden mag, – einfach überflüssig.“ (dortselbst auf der Seite 3 f.)

Peter Bofinger, der selbst 40 Minderheitsvoten zu diesem Sachverständigenrat verfasst hat (= siehe dieses eingangs erwähnte Interview), verfügt damit über ein gewaltiges Werk – immer zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung -, das jedoch nicht zwischen zwei Buchdeckel steckt, sondern vor allem im Netz zugänglich ist. Um dieses umfangreiche Werk angemessen würdigen zu können, gebührt ihm also eine Erwähnung auch in einer aktuellen Literaturschau: Während andere bei ihrer Literaturschau Bofinger außer Acht lassen, finde ich – auch für die Diskussion zu Europa – das Auslassen von Peter Bofinger eine recht fahrlässige Vernachlässigung. „Die deutsche Wirtschaftsideologie des „Ordoliberalismus“ tut der Weltwirtschaftskrise, die immer wieder Ausgangspunkt der Überlegungen zur Überwindung der Eurokrise ist, einfach die Gewalt des Prokrustes an.“ (Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt auf der Seite 3 in derr Mitte bei https://www.labournet.de/?p=106977)

Der zerstörerische Kampf des Steuerwettbewerbs auf den Grund „als Autoimmunkrankheit der Globalisierung“ (Bofinger).

Nur diesen einen Gedanken möchte ich aus diesem Interview mit Peter Bofinger vom 12.Dezember 2016 noch herausgreifen, da er gerade von Oxfam – auch mit einer Kampagne (https://act.oxfam.org/deutschland/steueroasen-trockenlegen?utm_source=20160118_ox_startseite&utm_medium=buehne&utm_term=steueroasen-trockenlegen&utm_campaign=20160118_ox_startseite externer Link) angefeuert wird – Kurz und bündig benennt Bofinger in diesem Interview das alle weiteren Perspektiven zerstörende Problem dieses Steuerwettbewerbs um die jeweils niedrigsten Steuern: „Das größte Problem ist der Wettlauf um niedrigere Steuern, den Donald Trump und Theresa May jetzt lostreten. Dieser Steuerwettbewerb ist wie eine Autoimmunkrankheit der Globalisierung.“

Wenn man die Verlierer (der Globalisierung), also die „vergessenen Mäner und Frauen“, kompensieren will, braucht der Staat mehr Einnahmen. Dieser Steuerwettbewerb – nach unten – bewirkt jedoch genau das Gegenteil! So hat die Globalisierung keine Zukunft! Und zusätzlich: Die schwarze Null schadet dem Land und Europa!

Beim Steuerwettbewerb – allein zum Nutzen der Konzerne – setzt jetzt eben gerade Oxfam mit seiner Studie an (http://www.onvista.de/news/oxfam-liste-nennt-15-steueroasen-49761219 externer Link), denn die Steueroasen stehen im Zentrum dieses ruinösen Steuerwettlaufs. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/steueroasen-wettlauf-um-niedrigste-tarife,1472780,35004900.html externer Link, das Original der Studie ist auf englisch: https://www.oxfam.org/en/research/tax-battles-dangerous-global-race-bottom-corporate-tax externer Link) Da die soziale Ungleichheit einen Höchststand erreicht hat, gilt es jetzt Steueroasen trocken zu legen, findet daher Oxfam (https://act.oxfam.org/deutschland/steueroasen-trockenlegen?utm_source=20160118_ox_startseite&utm_medium=buehne&utm_term=steueroasen-trockenlegen&utm_campaign=20160118_ox_startseite externer Link)

Nur Deutschland verschärft erst noch einmal diesen Steuerwerttbewerb (mit einer erweiterten Verlustabrechnung)

Lorernz Jarass hat in seiner Stellungnahme (mündliche Ausführungen) zur Anhörung des Finanzausschusses des Deutsche Bundestages zur geplanten erweiterten Verlustabrechnung feststellen müssen, dass diese „Reform“ Steuerausfälle bis zu 150 Milliarden Euro ergeben würde – und damit das Steuerdumping weiter angeheizt wird. (http://www.jarass.com/home/de/steuern/anhoerungen-und-vortraege/1305-gesetzentwurf-erleichtert-steuergestaltungen-und-behindert-eine-erfolgreiche-unternehmensentwicklung-steuerliche-verlustverrechnung-bei-koerperschaften-nicht-erweitern-sondern-staerker-beschraenken externer Link)

Mit dieser weiteren Verschärfung des gegenseitigen Steuerdumpings ist die Auswirkung der US-Präsidentschaft von Donald Trump auch bei uns eingetroffen.

Dazu schreibt Cerstin Gammelin in der SZ, Donald Trump ist schneller als erwartet in Deutschland angekommen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-der-kampf-ist-eroeffnet-1.3261034 externer Link)

Während es bisher schon als erwiesen galt, dass die Zeit der Steuersenkungen hinter uns liegen (vgl. Sarah Godar, Achim Truger, „Die Rückkehr der progressiven Steuerpolitik?“ – Steuerpolitische Trends seit der Krise (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12709-20160921.pdf externer Link pdf), muss es inzwischen wieder als ausgemacht gelten, dass der internationale Run auf immer billigere Steuern zwischen den Staaten wieder eröffnet ist. Jedenfalls der deutsche Finanzminister hat – laut Carstin Gammelin – sich am Dienstag, den 22.11.2016 von dem Vorhaben verabschiedet, Steuern wieder ein wenig gerechter zu gestalten – eine klare Reaktion auf Trump, der Unternehmen wieder mit niedrigen Abgaben belohnen will.

Hat Europa noch die Kraft gemeinsam für gerechtere Steuern zu kämpfen?

Nun ist also Deutschland gefordert sich zu positionieren – und das hieße, dass Europa – die 26 EU-Staaten zusammen – für gerechtere Steuern kämpfen – oder alle zusammen treten in diesen gegenseitigen Wettbewerb der Nationalstaaten wieder ein. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-der-kampf-ist-eroeffnet-1.3261034 externer Link)

Der Fall Apple lässt für den gemeinsamen Kampf für ein gerechteres Steuersystem nichts Gutes ahnen. Jedoch dieser gegenseitige Kampf um die niedrigsten Steuern ist auch ein Wettbewerb um das richtige gesellschaftliche Konzept. So wollen die Regierungen in Washington und London damit Unternehmen ins Land holen, um zu beweisen, dass es richtig ist, sich ins Nationale wieder zurückzuziehen.

Nur statt Deutschland – wieder weiter – zum Steuerparadies auszubauen, sollten die Pläne in den USA die Europäer motivieren, sich endlich auf eine einheitliche Grundlage zur Besteuerung von Unternehmen zu einigen. Das wäre der wichtige Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit! Und die Politik könnte wieder glaubwürdig werden.

Rudolf Hickel sieht in diesen Niedrigsteuerplänen aus den USA deshalb eine Verzweiflungstat, die nur zur zunehmenden Konkurrenz zwischen den Staaten führt. (http://www.taz.de/!5365425/ externer Link) Hickel sieht diesen Kampf um niedrige Steuern auch als kontraproduktiv an, wenn die Folge eine weiter zerfallende Infrastruktur und schlechte Bildungssysteme sind. Das ist kein Anreiz für Unternehmen.
Schon die Praxis der Schröder-Regierung mit ihren Steuersenkungen für Unternehmen ist ein Beleg dafür, erklärt Hickel. Der erwartete Wachstumsimpuls und damit die zusätzlichen Steuereinnahmen, die die Verluste durch den niedrigeren Steuersatz kompensieren sollten, fielen aus. (http://www.taz.de/!5365425/ externer Link)

Das hat Reagan in den USA auch schon probiert. Die Folge war eine Steigerung der Staatsschulden durch Steuersatzsenkungen – einfach neoliberaler Wahnsinn!

Europa steht also mit der Auseinandersetzung um Steuersenkungen an einen Scheideweg – bei dieser Entscheidung könnte jedoch auch ein gemeinsames Europa auf der Strecke bleiben.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=108724
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