letzte Änderung am 6. Nov. 2002

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Die Stadt als Profitcenter

Peter Bierl

Stand: November 2002

Am 9.November 2002 beginnt in Florenz das Treffen des Europäischen Sozialforums. Im Aufruf heißt es über das Selbstverständnis der OrganisatorInnen, man verstehe sich selbst als "Teil der weltweiten Bewegung gegen die Auswirkungen der neoliberalen Globalisierung und gegen die Unterwerfung der Welt unter die Logik der Konzerne". Leider scheinen die VeranstalterInnen sehr unkritisch gegenüber den politischen Ansichten mancher TeilnehmerInnen zu sein, die den in dem Aufruf skizzierten politischen Absichten entgegen gesetzt sind.

So befindet sich unter den aufrufenden Gruppen mit der ÖDP Rhein-Neckar eine Organisation aus dem rechten Spektrum der deutschen Ökologiebewegung. Die ÖDP steht programmatisch für die so genannte freie Marktwirtschaft samt EU, den Ausbau staatlicher Überwachungs- und Repressionsapparate, Militär und die Abschottung Europas vor Flüchtlingen.

Einer der deutschsprachigen Workshops, die in Florenz angeboten werden sollen, wird von einem gewissen Thomas Mayer veranstaltet. Der Mann ist Anthroposoph, also Anhänger einer esoterischen Weltanschauung mit rassistischen und antisemitischen Elementen. Vor über einem Jahr fand in München ein Bürgerentscheid unter dem Titel "München aus der Schuldenfalle" statt, den Mayer mit initiiert hatte. Er und seine Freunde wollten die Stadt mit diesem Plebiszit in ein Profitcenter verwandeln. Mayer kooperierte dafür mit dem faschistischen "Bund Freier Bürger" (BfB) und veröffentlichte rassistische Sparvorschläge. Er scheiterte daran, dass sich nicht genügend MünchnerInnen an der Abstimmung bezweifeln.

Das Bürgerbegehren sah vor, dass in einem "Ideenwettbewerb" Vorschläge erarbeiten würden, wie die Stadt sparen und Schulden abtragen könnte. 1997 veröffentlichte Mayer eine Broschüre mit "186 Bürgerideen gegen die Schuldenfalle";, die er aus Zuschriften gesammelt hatte: Sozialhilfeberechtigte sollten "für ökologische Aufgaben" eingesetzt und Eltern sollten Gebühren für den Kindergarten auch in den Ferien zahlen. Die Stadt möge in eine Spielbank statt in neue Straßenbahnen zu investieren, hieß es in der Broschüre. Anhänger der Sekte "Transzendentale Meditation" verlangten den Einsatz Yogischer Flieger über München.

Gefordert wurde außerdem die "konsequente Rückführung und Abschiebung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern" und die bescheidene Hilfe für Asylbewerber möge man unter die Lupe nehmen: "Was sollen z.B. diese vielen jungen Schwarzen die nicht gerade arm aussehen, erstklassig gekleidet sind und absolut nicht den Eindruck machen, als wären sie politisch verfolgt. (...) Sollten wir nicht erst einmal an unsere Deutschen denken."

Im "sozialen Wohnungsbereich" möge die Stadt sparen, weil "90 Prozent der Bezieher Ausländer sind."

Auf solche rassistischen Forderungen angesprochen, erklärte Mayer, es handele sich um "Spontanäußerungen". Manches fände er auch "nicht toll, aber so sind die Leute. Ich habe das einfach dokumentiert." Mayer betonte, die Broschüre sei "nur ein Arbeitspapier" gewesen und nur in einer Auflage von 200 Exemplaren erschienen. Allerdings konnte man die Vorschläge noch bis Anfang Dezember 2000 auf der Internet-Seite der von ihm geleiteten "Omnibus Gmbh" nachlesen.

Die ideale Stadt beschrieben Mayer und die übrigen VertreterInnen des Bürgerbegehren als ein Profitcenter. Den städtischen Einrichtungen fehle der Anreiz, "kostendeckend oder gar gewinnorientiert zu arbeiten", klagten die AutorInnen in einer anderen Broschüre. Auf der Omnibus-Homepage ersetzte Mayer die Sammlung von Bürgerideen durch eine Auswahl: Da heißt es unter anderem, Projekte, die Einsparungen oder mehr Einnahmen erbringen, sollten "sofort umgesetzt werden", alle Investitionen, die "in Zukunft nur weitere Mehrausgaben nach sich ziehen, sollten möglichst nicht mehr angepackt werden. Die Investitionsrendite muß Bestandteil jeder Vorlage bzw. jedes Haushaltsantrages sein."

Das Bürgerbegehren "München aus der Schuldenfalle" wurde zuerst von einem Bündnis getragen, dem der "Bund Junger Unternehmer" (BJU), die ÖDP, eine Rechtsabspaltung der Grünen, sowie der "Bund Freier Bürger" (BFB) angehörten. Am Ende unterstützten noch die Grüne Jugend und die ÖDP die Initiative. Der BfB löste sich zum Jahreswechsel 2001 auf. Mayer störte sich nicht an den Helfern vom BfB: "Die Leute, die ich kennengelernt habe, waren in Ordnung". Sie seien "rechtskonservativ" gewesen, womit er "kein Problem" habe.

Die Kleinpartei wurde von dem ehemaligen FDP-Politiker und EU-Kommissar Manfred Brunner gegründet. Der löste 1996 durch einen Eklat im Münchner Stadtrat die rechte Kampagne gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht aus, die in einem Aufmarsch von etwa 5000 Nazis gipfelte. Der BfB-Landesverband Bayern schloss mit der FPÖ Kärnten einen "Freundschaftsvertrag". Im Zwischenbericht 2000 des Verfassungsschutzes von Nordrhein-Westfalen tauchte der BfB unter der Rubrik rechtsextreme Parteien auf.

Kein Problem hatte Mayer auch mit der faschistischen Wochenzeitung "Junge Freiheit". Unter dem Titel "Des Volkes Wille" plädierte er im November 2000 in einem Leitartikel für eine bundesweite Volksabstimmung. Mayer sagte zu dem Beitrag: "Ich bin grundsätzlich liberal eingestellt und bediene erstmal prinzipiell jede Presseanfrage".

Wenn das Europäische Sozialforum seinen Ansprüchen gerecht werden will, haben Leute wie Thomas Mayer dort nichts zu suchen.

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