Kolonialismus auf Samtpfoten. Die Handelspolitik der Europäischen Union

Soll später niemand behaupten, man hätte es nicht gewusst: Wird das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien tatsächlich abgeschlossen – im Juni findet eine weitere Gesprächsrunde statt –, droht der indische Milchsektor durch subventioniertes Milchpulver und Butterfett aus der EU niederkonkurriert zu werden – mit verheerenden Folgen für die schätzungsweise 90 Millionen Menschen, die in diesem Wirtschaftszweig arbeiten. Dabei hatte gerade dieser Sektor bereits 1999 die fatalen Folgen von Handelsliberalisierungen zu spüren bekommen: In jenem Jahr öffnete die indische Regierung den durch hohe Zölle geschützten Milchsektor für Importe aus anderen Staaten. Die Konsequenz: Der Milchpreis fiel ins Bodenlose und gefährdete die Existenz von Millionen Kleinbauern. Nach massiven Protesten musste die indische Regierung die Zölle wieder einführen. Auch dem indischen Einzelhandel, mit 37 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitsmarkt, drohen bei Abschluss des EU-Indien-Freihandelsabkommens extreme soziale Verwerfungen. Zwölf Millionen kleinere Einzelhändler könnten einer Studie zufolge ihre Existenzgrundlage verlieren. Wenn aber schon ein aufstrebender Schwellenstaat wie Indien einige seiner Wirtschaftssektoren nicht vor den dramatischen ökonomischen und sozialen Folgen des Freihandels schützen kann, wie steht es dann erst um Länder, die wirtschaftlich weitaus schwächer sind – wie etwa die sogenannten Entwicklungsländer der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-Staaten)?...“ Artikel von Guido Speckmann in „Blätter für deutsche und internationale Politik“ von Juni 2013 externer Link

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