Euro-Länder sollen Arbeitslosenversicherung bekommen

Dossier

Ratgeber "Arbeitslosengeld II" (ALG2) beim Jobcenter Kreis PinnebergWer durch Strukturreformen seinen Job verliert, soll zeitlich befristet Hilfe erhalten: Ein EU-Plan sieht eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für alle Euro-Länder vor. Die Finanzierung ist allerdings noch vage – und der Vorschlag birgt Probleme, zumindest aus deutscher Sicht. (…) Ein Versicherungssystem auf zentraler Ebene“ soll den Regierungen der Euro-Länder zusätzliche Anreize bieten, sich vertraglich zu verpflichten, verschleppte Strukturreformen anzugehen und wettbewerbsfähiger zu werden. (…) Alle Euro-Länder sollten sich gegenüber EU-Institutionen vertraglich verpflichten, dass sie sich der Schwachstellen etwa auf ihren nationalen Arbeitsmärkten annehmen und Wettbewerbshemmnisse abbauen…“ Artikel von Cerstin Gammelin in Süddeutsche Zeitung online vom 7. Dezember 2012 externer Link. Siehe dazu:

  • Doppelt hält besser: Warum wir eine europäische Arbeitslosenrückversicherung brauchen New
    „Die Idee einer Arbeitslosenrückversicherung für die Eurozone ist nicht neu – doch in der Corona-Krise ist sie so aktuell wie nie. Um dieses mutige Politikinstrument kreisen viele Mythen und falsche Annahmen. (…) Mythos 1: „Die Arbeitslosenrückversicherung führt zu ‚Umverteilung unter Armen‘.“ Das heute diskutierte Modell ist explizit das einer Rück-Versicherung, die die Arbeitslosenversicherungen der Mitgliedsstaaten nicht vergemeinschaftet, sondern durch eine europäische Stabilisierungsfazilität ergänzt. Eine solche Rückversicherung wird nicht durch die Beiträge der Beschäftigten zu deren nationalen Arbeitslosenversicherungen finanziert, sondern aus den allgemeinen Haushalten der Mitgliedsstaaten – oder durch gemeinsame europäische Anleihen, die die Europäische Kommission im Namen der Mitgliedsstaaten zu günstigen Konditionen an den Finanzmärkten aufnimmt. (…) Mythos 2: „Durch eine Arbeitslosenrückversicherung schaffen wir eine Transferunion durch die Hintertür.“ (…) Die dahinterstehende Annahme ist, dass manche Mitgliedsstaaten zu Nettozahlern und andere zu Nettoprofiteuren würden. Diese Befürchtung lässt sich jedoch empirisch widerlegen: Wie übereinstimmende umfangreiche Studien (der Bertelsmann-Stiftung und des Think-Tanks CEPS) zu den Langzeiteffekten einer transferbasierten Arbeitslosenrückversicherung zeigen, würden sich die erhaltenen Zuschüsse und die geleisteten Beiträge die Waage halten – und zwar für alle Mitgliedsstaaten, wenn man einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren betrachtet. (…) Mit der Einführung des SURE-Instruments (Support to Mitigate Unemployment Risks in an Emergency), das Kredite zur Finanzierung von Kurzarbeitsmaßnahmen an die Mitgliedsstaaten vergibt, hat die EU ein „window of opportunity“ geöffnet: Der Erfolg von SURE im Bereich der Beschäftigungssicherung hat deutlich gemacht, welches Potenzial in stabilisierenden Instrumenten auf EU-Ebene steckt, und verleiht der Arbeitslosenrückversicherung starken Aufwind. (…) Vielmehr könnten SURE und die Arbeitslosenrückversicherung gemeinsam ein „doppeltes Sicherheitsnetz“ schaffen, das nicht nur Beschäftigung schützt und fördert, sondern auch bei stark steigender Arbeitslosigkeit Sicherheit bietet. Dies setzt voraus, dass auch SURE zu einem dauerhaften Instrument wird und neben Kurzarbeitergeldern auch vorausschauende aktive Arbeitsmarktpolitiken finanziert. Die Arbeitslosenrückversicherung trägt darüber hinaus durch ihre nachfragestabilisierende Wirkung zur Koordinierung der Konjunkturzyklen bei, da sie Nachfrageeinbrüche infolge von Arbeitslosigkeit abfedert…“ Beitrag von Lukas Hochscheidt vom 7. Mai 2021 beim A&W-Blog externer Link des ÖGB – hier fehlt der Transfer von Reich zu Arm und riecht das Ganze sehr nach Entlastung der Unternehmen durch staatliche Beiträge… EU halt…
  • Von Null bis unendlich: So lange gibt es in Europa Arbeitslosengeld – DGB für Europäische Mindeststandards 
    „… Die Arbeitslosenzahlen in Europa steigen, zuletzt von 6,7 auf 9 Prozent. Das ist alarmierend: Wenn nicht gegengesteuert wird, wird dieser Anstieg zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung führen – und zwar in ganz Europa. Auffallend sind jedoch die großen regionalen Differenzen zwischen den einzelnen Mitgliedsländern. Sie sind auch auf die qualitative Unterschiede in den sozialen Sicherungssystemen zurückzuführen. Beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherungssysteme existieren in allen EU-Mitgliedstaaten und können nach bestimmten Anwartschaftszeiten in Anspruch genommen werden. In den meisten Fällen bemisst sich die Leistungshöhe nach Einkommenshöhe und Beschäftigungsdauer. Einige EU-Mitgliedstaaten bieten den Bürgerinnen und Bürgern nach Ablauf der Leistungsdauer zusätzlich eine Art Arbeitslosenhilfe an. Die Unterschiede in der Ausgestaltung der Arbeitslosensysteme zwischen den Mitgliedstaaten, wie etwa die Höhe der Leistungen und die Bezugsdauer, sind allerdings beachtlich. In der Slowakei zum Beispiel gab es nach einjähriger Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen (es mussten mindestens 2 Jahre Beiträge in einer Periode von 4 Jahren geleistet werden), während in Belgien die Dauer des Leistungsbezugs unbegrenzt ist. (…) Auch wenn die EU im Zuge der Corona-Pandemie zügig Hilfsprogramme und Sofort-Instrumente zur finanziellen Unterstützung in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vorgelegt hat, muss es nun darum gehen, Maßnahmen zu ergreifen, die langfristig Menschen sozial absichern – und zwar überall in Europa. Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger muss in Notlagen wie Arbeitslosigkeit ein Leben in Würde führen können. Überdies ist nachgewiesen, dass diejenigen EU-Mitgliedstaaten mit soliden sozialen Sicherungssysteme wirtschaftlich besser durch die Finanzkrise von 2008/2009 gekommen sind. (…) Es gibt also viele gute Gründe, um für stabile Arbeitslosensysteme überall in Europa zu sorgen. (…) Da man die nationalen Arbeitslosensysteme nicht auf europäischer Ebene harmonisieren kann – dafür sind sie historisch viel zu tief verwurzelt – schlägt der DGB die Einführung europäischer Mindeststandards vor. Man setzt also auf europäischer Ebene gewisse „Qualitätskriterien“ fest (angemessene Bezugsdauer und Leistungshöhe, Recht auf Weiterbildung usw.), die in keinem Mitgliedstaat unterschritten werden dürfen. Wie die Systeme ausgestaltet sind, bleibt aber weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen…“ DGB-Einblick vom 2. Dezember 2020 externer Link
  • Ist eine Europäische Arbeitslosenversicherung ein Fortschritt? 
    „Dass die gegenwärtige institutionelle Ausgestaltung der EU dysfunktional ist, ist weitgehend Konsens. Doch kann die von Olaf Scholz ins Gespräch gebrachte europaweite Arbeitslosenversicherung Abhilfe schaffen? (…) Ist sie ein sozialer Forschritt? Kann sie die EU wirklich krisenfester machen? Oder führt sie, wie Kritiker beklagen, zu einer weiteren Vergemeinschaftung von Risiken? (…) In meinem Buch Eurozone Dystopia: Groupthink and Denial on a Grand Scale habe ich solche Vorschläge als „Hybride“ bezeichnet. Einerseits wird mit ihnen anerkannt, dass die EU und insbesondere die Europäische Währungsunion (EWU) erhebliche Konstruktionsmängel auszeichnen, andererseits ist man jedoch nicht bereit, den Schritt hin zu einer vollständigen Fiskalunion zu machen. (…) Olaf Scholz machte deutlich, dass seine Unterstützung für eine europaweite Arbeitslosenversicherung davon abhängig ist, dass sie über einen Wirtschaftszyklus hinweg fiskalisch neutral ist und es zu keinen finanziellen Transfers zwischen den Mitgliedstaaten kommt. Die Ökonomen, die auf die Einführung eines solchen „Versicherungssystems“ drängen, wollen auch die ärmeren Länder stärker belasten als die reicheren und schränken damit selbst in guten Zeiten deren Fähigkeit zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen ein. Wenn europhile Cheerleader glauben, die Einführung eines solchen Systems stelle eine grundlegende Reform der EU/EWU dar, dann zeigen sie, wie weit sie sich inzwischen von der Realität verabschiedet haben.“ Beitrag von Bill Mitchell vom 24. Oktober 2018 bei Makroskop externer Link (Bill Mitchell ist Inhaber des Lehrstuhls für Ökonomie des Forschungszentrums „Centre of Full Employment“ der Universität in Newcastle, Australien und Honorarprofessor der Universität in Maastricht)
  • Europa sozialer machen: Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherung 
    „Erstmals seit zwanzig Jahren fand im November 2017 ein EU-Sozialgipfel statt. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten proklamierten feierlich die „Europäische Säule sozialer Rechte“. Die Erklärung ist symbolisch von großer Bedeutung, konkret verändert sie jedoch: nichts. Maßnahmen für eine tatsächliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen müssen nun folgen. (…) Arbeitslosengeld-Nettoersatzrate, Arbeitslosengeld-Anspruchsdauer und Arbeitslosengeld-Abdeckungsquote sollten die Schlüsselwerte für die Festlegung von Mindeststandards sein. Da Strukturwandel und fortschreitende Digitalisierung fortlaufende Weiterbildung erfordern, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können, sollte darüber hinaus auch ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung und auf Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung mit entsprechender Existenzsicherung als Mindeststandard definiert werden (…) Verbindliche Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherungssysteme der EU-Mitgliedstaaten wären ein konkreter Schritt in die richtige Richtung. Skepsis ist hingegen angebracht in Bezug auf die Einrichtung einer europäischen Arbeitslosenversicherung als Stabilisierungsmechanismus für die Eurozone.“ Beitrag von Sarah Bruckner vom 28. Dezember 2017 beim A&W blog externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=19381
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