Verdacht auf rechte Vergangenheit: Bundespolizei prüft Biographie eines Professors für Sicherheitspolitik an der eigenen Hochschule

Dossier

Aiko Kempen: Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen PolizeiEr wollte, dass sich die Bundeswehr auf „ethnische Konflikte“ im Inneren einstellt. Dass „Demographie als Waffe” begriffen wird. Dass es einen Volksstaat für Weiße in Südafrika gibt. Er hat die wichtigste Denkfabrik der Neuen Rechten mitgegründet. Und dann ist er aus der Öffentlichkeit verschwunden. Bis jetzt. Ippen Investigativ hat ihn gefunden – als Professor an der Hochschule der Bundespolizei. Ein Ausbilder an der Bundespolizeiakademie hat eine rechte Vergangenheit. Die Bundespolizei war darüber bislang nicht informiert, trotz Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz. Sein Name: Stephan Maninger. Seit 2019 ist Maninger Professor für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes, Fachbereich: Bundespolizei. Maninger gilt innerhalb der Behörde als Sicherheitsexperte und unterrichtet auch Spezialeinheiten. (…) Die Recherchen von Ippen Investigativ würden nun zum Anlass für eine eingehende Prüfung genommen, so eine Sprecherin der Bundespolizei…“ Umfangreiche Recherche von Aiko Kempen und Marcus Engert vom 5. August 2021 bei BuzzFeed News externer Link, siehe dazu:

  • Bundespolizeiakademie: Verfassungsschutz überprüft Professor Stephan Maninger New
    „Hintergrund sind frühere Texte des Dozenten, die einen Rechtsextremismus-Verdacht nahelegen könnten (…) Unterrichten darf Stephan Maninger als Professor für Sicherheitspolitik an der Bundespolizeiakademie schon seit Längerem nicht mehr, nachdem eine Recherche von „Ippen Investigativ“ Maningers Vergangenheit im Sommer 2021 öffentlich gemacht hatte. (…) Maningers Name findet sich auch in den NSU-Akten: als Redner auf einer Veranstaltung, an der auch Unterstützer aus dem NSU-Umfeld teilnahmen. Und er war Sprecher der „Afrikaaner Volksfront“, einer separatistischen Bewegung in Südafrika, die sich für einen Volksstaat für Weiße einsetzte. Hinzu kommen Dutzende Texte in der rechten Zeitschrift „Junge Freiheit“. Maninger schrieb von einem „Zeitalter der ethnischen Konflikte“ und einem drohenden „Ethnosuizid“. Die Bundeswehr müsse sich auf die Lösung von „ethnischen Konfliktszenarien“ auch im Inneren einstellen. Europäischen Städten drohten Afrikanisierung und Islamisierung. Maninger warf Fragen nach der „Einsatzfähigkeit von Frauen in Kampfeinheiten“ auf, warnte: „Die ‚Problemkinder‘ eines multikulturellen Deutschlands heißen am Anfang des nächsten Jahrtausends ‚Mehmet‘ und ‚Kaplan'“ – und er forderte in einem Interview mit dem rechten Verleger Götz Kubitschek, es sei „dringend an der Zeit, dass die westliche Welt die Demographie als Waffe“ begreife. (…) Die Bundespolizei hatte damals erklärt, von all dem nichts gewusst zu haben, trotz Sicherheitsüberprüfung. Auch nicht, dass Maninger im Unterricht und vor Polizeischülern zur gleichgeschlechtlichen Ehe sinngemäß gesagt hatte, in Deutschland verstünde man unter Ehe den Bund zwischen Mann und Frau – vielleicht könne man jetzt ja auch bald sein Hausschwein heiraten. (…) Nach Maningers Entlastung durch die Bundespolizei begannen zwei Politikwissenschaftler, sich mit seinen Veröffentlichungen intensiver auseinanderzusetzen: Daniel Peters und Matthias Lemke. Peters ist ebenfalls Dozent am Fachbereich Bundespolizei. Lemke wurde 2021 von dort entlassen. Die Behörde begründete das damit, dass Lemke sich dort mit Forschung und Drittmitteln beschäftigt habe, statt zu unterrichten. Im renommierten „Jahrbuch Öffentliche Sicherheit“ veröffentlichten beide im Herbst 2022 eine umfangreiche Studie. Darin auch: weitere Textfunde, in denen der Professor an der Hochschule des Bundes unter anderem vom Staat als „Handlungseunuchen“ schreibt, der sich angesichts des Verbots von Folter und Todesstrafe fragen müsse, ob im Bereich der Terrorbekämpfung „nicht nur das Risiko von zu viel Gewalt besteht, sondern auch das Risiko von zu wenig.“ Das Fazit der Studie: Maningers Publikationen wiesen seit Ende der 1990er-Jahre kontinuierlich neurechte Positionen auf, die mit den Kernelementen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien. Der Anwalt von Stephan Maninger, Ralf Höcker, wirft einem der Studienautoren daraufhin auf Anfrage vor, ein „linksradikaler Aktivist“ zu sein, der einen „Privatkrieg“ gegen seinen Mandanten führe. (…) Im Innenministerium – in das nur wenige Wochen nach Vorlage des Abschlussberichts in der Causa Maninger eine neue Ministerin eingezogen war – entschied man sich nun, sich den eigenen Professor doch noch einmal genauer anzusehen. „Derzeit erfolgt eine ergänzende Überprüfung der jüngeren Schriften von S. M. Über die bereits genannten umfassenden Untersuchungen hinaus wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz zu den bekannten Schriften des S. M. eingebunden“, so das Innenministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Zu spät, kritisiert Martina Renner von der Linkspartei: Schließlich habe das Innenministerium auch die Rechts- und Fachaufsicht über die Polizeihochschule. Wer sich dort ausbilden lasse, erwarte „eine Polizeiausbildung auf dem Boden des Grundgesetzes und keine Verschwörungstheorien der Neuen Rechten“, so Renner auf NDR-Anfrage… „ Exklusivbeitrag von Marcus Engert von 15. Februar 2023 bei tagesschau.de externer Link
  • Neue Kritik an rechtslastigem Professor. Bundespolizei lernt Muslim-Phobie: Die Lübecker Bundespolizeiakademie hatte den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit weggewischt. Nun legen Kollegen mit einer Studie nach  
    „Wir sind in Gefahr, nur wissen wir es noch nicht. Bedroht ist, wenn man einem Professor an der Lübecker Bundespolizei-Hochschule glauben darf, unsere ethnische Identität. Und die Aggressoren sind Zuwanderer, besonders aus muslimischen Ländern: „Die Mischung aus Technologie, Migration und demografischem Wandel“ ermögliche „die Evolution des Terrorismus zur existenziellen Bedrohung westlicher Gesellschaften“, schreibt der Entwicklungswissenschaftler und Sicherheitsexperte Stephan Maninger in einem Aufsatz von 2019. Eine Ursache sei „der geringe Entscheidungsspielraum der staatlichen Akteure“, wodurch „in Staaten mit signifikanten muslimischen Bevölkerungssegmenten“ Terrorszenarien und eine „Balkanisierung“ drohen. Seit einem Vierteljahrhundert warnt Maninger in seinen Schriften vor der Gefahr von Konflikten bis hin zum Bürgerkrieg. Seit 2001 arbeitet er an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, seit 2009 als Dozent am Fachbereich Bundespolizei. 2016 wurde er dort Professor für Sicherheitspolitik. In Lübeck werden Polizistinnen und Polizisten für den höheren Dienst und für Sondereinsatzkommandos in der Terrorismusbekämpfung ausgebildet. Seine Publikationen und seine Vita wären Maninger fast schon einmal auf die Füße gefallen. Im August 2021 veröffentlichten die Medien der „Ippen Media“ mehrere Artikel, die eine Vergangenheit des Professors im rechten bis ultrarechten Milieu belegen. Neben zahlreichen Artikeln unter anderem in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, hat er rechtsnationale oder ethno-pluralistische Gruppen unterstützt, darunter die separatistische „Afrikaner Volksfront“ in Südafrika als Pressesprecher. Er war Mitbegründer des Thinktanks „Institut für Staatspolitik“, den das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall führt. (…) Nach der Ippen-Publikation stellte die Bundespolizeiakademie Maninger von der Lehre frei und untersuchte den Fall in einer Innenrevision. Das Ergebnis: Maningers Vergangenheit und der fremdenfeindliche Gehalt einiger seiner Publikationen werden nicht geleugnet. (…) Also alles Geschichte? Die beiden Politikwissenschaftler Daniel Peters und Matthias Lemke sind überzeugt, dass das so nicht stimmt. Der eine ist ein Kollege Maningers an der Polizeihochschule, der andere wurde dort nach Bekanntwerden des Eklats um Maninger 2021 entlassen, offiziell wegen Fehlverhaltens bei der Akquise von Drittmitteln. Seitdem haben sie sich intensiv mit Maningers Schriften beschäftigt und in der vergangenen Woche eine Studie vorgelegt, um zu beweisen, dass der Professor nach wie vor der Neuen Rechten zugeordnet werden kann. (…) Auf Anfrage teilt die Polizeihochschule mit, frühere Publikationen Maningers seien „umfangreich untersucht worden“, und es konnte darin „kein straf- und/oder disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten festgestellt werden“. Die „jüngste Veröffentlichung“, also die Studie von Peters und Lemke, sei „bekannt und wird derzeit geprüft. Dies umfasst insbesondere die jüngeren Schriften von Dr. M.“. Maninger selbst hatte schon im Vorfeld der Veröffentlichung reagiert: Über seinen Anwalt Ralf Höcker schickte er einen Brief an die Autoren, in dem er kritisiert, er habe keine Gelegenheit bekommen, sich zu den „Verdachtsmomenten“ in der Studie zu äußern. Zu den Inhalten seiner Zitate äußert er sich nicht.“ Artikel von Friederike Grabitz vom 22. November 2022 in der taz online externer Link
  • Interner Untersuchungsbericht: Wie unkritisch die Bundespolizei die rechte Vergangenheit eines Polizeiprofessors bewertet 
    „… Bei der Bundespolizei konnte ein Mann trotz belegbar rechter Vergangenheit es bis zum Professor für Sicherheitspolitik bringen. Dies machte im August 2021 eine Recherche von Ippen Investigativ öffentlich. Die Bundespolizei untersuchte daraufhin den Fall ihres hochrangigen Ausbilders. Wir veröffentlichen hier den internen Abschlussbericht der Innenrevision. Das als „vertrauliche Personalsache“ deklarierte Dokument gibt einen Einblick davon, wie die Bundespolizei mit dem kritischen Fall umgegangen ist. Und der Bericht wirft an manchen Stellen mehr Fragen auf als er Antworten gibt. (…) Seit mehr als einem Jahrzehnt bildet der Politikwissenschaftler Stephan Maninger angehende Bundespolizist:innen aus, darunter auch Mitglieder der wohl bekanntesten deutschen Spezialeinheit: der GSG9. 2019 berief ihn das Bundesinnenministerium als Professor für Sicherheitspolitik an den Fachbereich Polizei der Hochschule des Bundes am Standort Lübeck. Was Maninger vor seiner Zeit als Polizeihochschullehrer getrieben hatte, machte im Sommer 2021 eine umfangreiche Recherche von Ippen Investigativ öffentlich: So hatte Maninger den neurechten Think Tank „Institut für Staatspolitik“ mitbegründet, der seit 2020 vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet wird. Um die Jahrtausendwende veröffentlichte er Dutzende Texte in neurechten Medien wie der „Jungen Freiheit”, dem “Ostpreußenblatt” oder den „Blättern der Deutschen Gildenschaft”, in denen er beispielsweise vor einem „Ethnosuizid“ warnte und forderte, man müsse „Demographie als Waffe begreifen“. Maningers damalige Forderungen widersprächen „den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Ordnung, dem Prinzip der Menschenwürde, dem Prinzip der Demokratie und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit“, kommentierte der Politikwissenschaftler Hajo Funke. In den Neunziger Jahren trat Maninger in Südafrika als Pressesprecher der „Afrikaaner Volksfront“ in Erscheinung, einer separatistischen Koalition, die einen eigenen Volksstaat für Weiße in Südafrika forderte und in Teilen bereit war, diesen auch mit Gewalt zu erstreiten. Und er sprach 1998 als Redner auf der Veranstaltung eines rechtsextremen Vereins, bei der auch engste Unterstützer:innen der Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) anwesend waren. Maningers Name findet sich deshalb auch in den Ermittlungsakten zum NSU. (…) Die Innenrevision der Bundespolizei bestätigt in ihrem Bericht die zentralen Aspekte der Ippen Investigativ-Recherche über die rechte Vergangenheit von Polizeiprofessor Stephan Maninger. Allerdings wertet die Bundespolizei diese Zusammenhänge als weitestgehend unproblematisch…“ Beitrag vom 21. Juni 2022 von und bei FragDenStaat externer Link mit Links zum Untersuchungsbericht der Innenrevision, zur Recherche von Ippen Investigativ und zur Anlehnung von Maningers Klage auf Unterlassung beim LG und OLG Köln
  • Bundespolizei-Professor mit rechter Vergangenheit: Bundestag fordert Aufklärung – bis auf weiteres unterrichtet Stephan Maninger nicht mehr 
    „Nachdem durch Recherchen von Ippen Investigativ die rechte Vergangenheit eines Professors für Sicherheitspolitik an der Hochschule der Bundespolizei öffentlich wurde fordern SPD, Linke und Grüne im Bundestag Aufklärung von der Bundespolizei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Biographie des Mannes bislang unbekannt gewesen sei. (…) Ippen Investigativ* hatte zuvor über die bislang geheimgehaltene Vergangenheit Maningers berichtet: Dieser hatte unter anderem das Institut für Staatspolitik mitgegründet, das als wichtigste Denkfabrik der Neuen Rechten gilt und vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Davor hatte Maninger zahlreiche Texte in diversen rechten Publikationen veröffentlicht. Darin schrieb er von einem „Ethnosuizid“ und forderte unter anderem, dass die Bundeswehr sich auf „ethnische Konflikte“ im Inneren einstellen solle und dass „Demographie als Waffe“ begriffen werden müsse. In den Neunzigern hatte er sich zudem in Südafrika für eine Partei eingesetzt, die einen Volksstaat für Weiße erreichen wollte. Zudem soll er im Unterricht die gleichgeschlechtliche Ehe mit einer Ehe mit einem Hausschwein verglichen haben. In den letzten Jahren verschwand sein Name immer mehr aus öffentlichen Quellen, Archiven und dem Internet. Heute bildet Stephan Maninger in Lübeck künftige Bundespolizisten aus, darunter auch Angehörige der Eliteeinheit GSG 9. Zudem gilt er in der Bundespolizei als Experte für Sicherheitsfragen…“ Artikel von Aiko Kempen und Marcus Engert vom 28. August 2021 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=192987
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