Newsletter am Montag, 17. Juli 2017

Kurzer Überblick über die heutigen LabourNet Germany News:

Hier im (kostenlosen, aber spendenfähigen) Newsletter die WICHTIGSTEN der neu veröffentlichten Beiträge auf unserer Homepage

1. Internationales » Argentinien » Arbeitskämpfe

Besetztes Pepsi-Werk in Buenos Aires von der Polizei überfallen und nach stundenlangem Widerstand geräumt: Massenhafte Solidarität, trotz einer Gewerkschaft, die mobilisiert – zu den kommenden Wahlen

Heute früh räumten über 500 Polizist*innen die besetzte PepsiCo-Fabrik in der Provinz Buenos Aires in Argentinien. Dennoch wollen die Arbeiter*innen weiterkämpfen. Ihr Kampf für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze ist exemplarisch und ein Vorbild für alle Kämpfe gegen Entlassungen. Erst drei Stunden später war die Fabrik geräumt. Die Arbeiter*innen schafften es durchzusetzen, dass niemand von ihnen beim Verlassen der Fabrik verhaftet wurde. Insgesamt acht Aktivist*innen wurden festgenommen, aber die Arbeiter*innen und die anderen Unterstützer*innen setzten ihre Freilassung durch“ – so beginnt der Bericht „Solidarität mit den Arbeiter*innen von PepsiCo, die heute brutal von der Polizei angegriffen wurden!“ von Lilly Freitag am 13. Juli 2017 bei Klasse gegen Klasse externer Link, worin der stundenlange Kampf um die Fabrik – mit brennenden Barrikaden im Werk und Steinen von den Dächern auf die vermummten Frauenverprügler – ausführlich geschildert wird.

Siehe dazu weitere Beiträge über die Reaktionen auf den Polizeiüberfall, Solidaritätsstreiks der Eisenbahner und innergewerkschaftliche Auseinandersetzungen

2. Internationales » Südafrika » Arbeitsbedingungen

Metallgewerkschaft mobilisierte erfolgreich: Südafrikanisches Gericht bestätigt Verbot von Leiharbeit, die länger als 3 Monate dauert

Nach einer längeren Kampagne hat die südafrikanische Metallgewerkschaft NUMSA vor Gericht einen Erfolg erzielt, den sie weiter auszubauen gedenkt: Der Labour Appeals Court (LAC) – eine Art höchstinstanzliche Berufungskommission der Arbeitsgerichtsbarkeit, deren Mitglieder unter anderem vom Staatspräsidenten ernannt werden – behandelte den Fall des Zeitarbeit-Unternehmens Assign Services, das einen eigenen Weg zur Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen gefunden hatte. Da das Gesetz in Südafrika eine dreimonatige Obergrenze für Leiharbeit vorsieht, hatte das Unternehmen das Konstrukt „doppelte Beschäftigung“ entwickelt, demzufolge die Leiharbeiter sowohl bei ihm, als auch beim ausleihenden Unternehmen gleichzeitig beschäftigt seien – was der LAC nunmehr als ungesetzlich beurteilt hat und entsprechende Konsequenzen angeordnet. In dem Artikel „LAC contract workers ruling a victory for workers, says Jim“ am 15. Juli 2017 bei The Citizen externer Link wird der Generalsekretär der NUMSA, Irving Jim, mit seiner Aussage auf der anschließenden Pressekonferenz zitiert, dieses Urteil sei ein Sieg der ArbeiterInnen. Die NUMSA hatte den Gang zur Justiz mit einer massiven Kampagne begleitet, in der deutlich gemacht wurde, dass solcherart Konstruktionen das Gesetz umgehen – ein Gesetz, das die NUMSA bekämpft, weil sie grundsätzlich für das Verbot der Leiharbeit eintritt – und dass dies geschieht, weil eben dieses Leiharbeitsgesetz überhaupt erst die Möglichkeit eröffne, die zulässige Periode illegal zu verlängern…

3. Internationales » Türkei » Politik » Putschversuch im Juli 2016 und die Folgen

1 Jahr danach: Erdogan will mehr Blut sehen

„… Schon hier wurde klar, dass der Rechtsstaat ein lästiges Übel für Erdogan und seine Clique ist. Trotzdem erhielten sie weiter Zuspruch von jenen, die sie aus der Marginalisierung befreiten: den Religiösen, der anatolischen Landbevölkerung, den verarmten Schichten, deren Situation sich deutlich verbesserte. Für sie bedeutete die AKP tatsächlich ihrem Namen entsprechend „Gerechtigkeit und Fortschritt“.Endgültig kippte die Lage, als Erdogan im Sommer 2013 die Gezi-Proteste, die sich zu einem landesweiten Aufstand gegen seine Regierung ausweiteten, blutig niederschlagen ließ. Wenige Monate später wurde ein Korruptionsskandal publik, in den AKP-Politiker und Familienmitglieder Erdogans verstrickt waren. Er erstickte die Ermittlungen, indem er Ermittler und Staatsanwälte festnehmen ließ. Da er dahinter die Gülen-Bewegung vermutete, begann er, die Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers verfolgen zu lassen. Zugleich etablierte er einen nervösen Polizeistaat, der öffentlichen Protest unterdrückte, und zerrte regelmäßig Regierungskritiker vor Gericht. Die AKP zeigte sich zunehmend repressiv – aber es war kaum abzusehen, wie sehr die Lage noch eskalieren sollte“ – aus dem Beitrag „Türkei: Putschversuch als Neugründungs-Mythos“ von Gerrit Wustman am 15. Juli 2017 bei telepolis externer Link, worin die Bedeutung des, wie auch immer, nieder geschlagenen Putschversuchs kurz im Rahmen der Gesamtentwicklung des Landes in der Regierungszeit der AKP analysiert wird

Siehe dazu drei weitere aktuelle Beiträge und einen Hintergrundbeitrag zur Lage der Gewerkschaftsbewegung nach einem Jahr Ausnahmezustand

4. Internationales » Polen » Gewerkschaften

Zersplitterung der polnischen Gewerkschaften?

Außer dass es drei unterschiedliche Zentralen der Gewerkschaften gibt (Solidarnosc, OPZZ; Forum der Gewerkschaften), so haben sich in den einzelnen Branchen auch noch Berufsgruppen einzeln organisiert, wie beim Forum der Gewerkschaften neben den Krankenschwestern und Hebammen, die Rettungssanitäter, die Laboranten, Therapeuten. Die Berufsgruppen sind der Auffassung, dass sie ihre Interessen am besten vertreten können. Dazu kommt, dass in den entsprechenden Bereichen, wie z. B. in einer Klinik lt. Gesetz die Gewerkschaftsvertretung dominiert, die die meisten Mitglieder hat. Bei den Kliniken ist es also die der Krankenschwestern und Hebammen OPZZPiP. Ein anderes Problem – bisher waren die Gewerkschaften wie z. B. im Kohlebergbau bei den Konzernen registriert. Jetzt müssen sie sich bei den einzelnen Zechen registrieren lassen. Also eine weitere Zersplitterung. Bei den Konzernen war es auch eher möglich mit den anderen Gewerkschaften Absprachen zu treffen“ – aus dem Beitrag „Im Gespräch mit Boguslaw Zietek – Vorsitzender des Freien Gewerkschaftsverbandes August 80“ in der Ausgabe 116 der Polnischen Presseschau vom 03. Juni 2017 externer Link (bei SoZ Online)

5. Branchen » Automobilindustrie » Daimler » Allg./International

Werkverträge: Neue Klagewelle gegen Daimler

Daimler hat massive Probleme mit ehemaligen Mitarbeitern, die als externe Werkvertrags-Kräfte bei dem Autokonzern arbeiten. Nach WirtschaftsWoche-Informationen drohen Dutzende Klagen. Mehr als 30 Mitarbeiter des Dienstleisters ISS Automotive Services, die unter anderem in Stuttgart-Möhringen für den Autokonzern tätig sind, wollen sich nach WirtschaftsWoche-Informationen bei ihrem früheren Arbeitgeber einklagen und wieder Teil der Daimler-Stammbelegschaft werden. (…) Nach Auffassung ihrer Anwälte, der Stuttgarter Arbeitsrechtler Walter Törmer und Stefan Nägele, waren sie so eng in die internen Arbeits- und Weisungsstrukturen integriert, dass faktisch nicht ISS, sondern Daimler ihr Arbeitgeber ist. (…) Ein Konzernsprecher bestreitet den Vorwurf und erklärt auf Anfrage, „dass die Arbeitsverhältnisse werkvertragskonform sind“. Daimler beziffert die Zahl der Verfahren auf 24. Vier davon hat der Konzern in erster Instanz gewonnen, sie gehen in eine zweite Runde. Fünf neue Verfahren sollen am 25. Juli vor dem Arbeitsgericht Stuttgart verhandelt werden…“ Artikel von Harald Schumacher vom 16. Juli 2017 bei der Wirtschaftswoche online externer Link

6. Branchen » Automobilindustrie » Daimler » Hamburg

Verschärfte Ausbeutung: Daimler zahlt unterschiedliche Nachtschichtzuschläge

„… In Hamburg wird nur 12,5 Prozent Nachtschichtzuschlag gezahlt. So schrieb ein Daimler-Kollege aus Hamburg an die Rote Fahne: „ … dass es in Hamburg als einziges Werk nur 12,5 Prozent Nachtschichtzuschlag gibt.“ Nach Rückfrage berichtet eine Daimler-Kollegin aus Sindelfingen: „Wir bekommen in der Spätschicht von 14 bis 19 Uhr 20 Prozent Schichtzuschläge und ab 20 Uhr zahlt Daimler 30 Prozent Zuschläge.“ Der Hamburger Kollege beschwert sich, dass Betriebsrat und die IG Metall wenig getan haben, das zu ändern. „Über das Thema wird nicht mal gesprochen, es wird verschwiegen. Die Hamburger Kollegen sind darüber sehr aufgebracht. Von Seiten des Betriebsrates kommt dann: ‚Das wird bei der nächsten Tarifrunde angesprochen.‘ Das finde ich eine bodenlose Frechheit. Es gibt ein Gerichtsurteil dafür, dass das, was Daimler in Hamburg macht, verfassungswidrig ist – und keiner redet darüber? … Wir fühlen uns verarscht!“…“ Beitrag von Gerd Pfisterer vom 12. Juli 2017 bei den Rote Fahne News externer Link

7. Branchen » Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst » Gastronomie- und Hotelgewerbe » Dossier: Tarifrunde Systemgastronomie 2017

[NGG] Neuer Tarifvertrag für McDonald’s, Burger King und Co. Hart erkämpft: Ab August gibt es mindestens neun Euro pro Stunde in der Systemgastronomie

„Es war spät in der Nacht, als die Tarifkommission aus NGG-Mitgliedern bei McDonald’s, Starbucks, Nordsee, Burger King, Tank und Rast und Autogrill endlich über das finale Ergebnis der Verhandlungen mit den Arbeitgebern der deutschen Systemgastronomie abstimmen konnten. Vorausgegangen waren vier ergebnislose Verhandlungstermine, deutschlandweite Warnstreiks, viele kleine und größere öffentlichkeitswirksame Aktionen und ein kräftezehrender Verhandlungsmarathon, der am Donnerstagmorgen, den 13. Juli begonnen hatte und erst weit nach Mitternacht endete. Das Verhandlungsergebnis sieht unter anderem Lohnerhöhungen zwischen 7,3 und 8,7 Prozent in den kommenden 29 Monaten und ein neues Einstiegsgehalt von mindestens 9 Euro pro Stunde ab dem 1. August 2017 vor…“ NGG-Tarifinfo vom 14. Juli 2017 externer Link mit detaillierter Tabelle zum ab 1. August geltenden Tarif nach Tarifgruppen

Siehe dazu:

  • Tarifeinigung in der Systemgastronomie: Neun Euro Einstiegslohn
    Es war ein langer Kampf. Starbucks, McDonald’s und Co. müssen jetzt neun Euro Einstiegslohn bezahlen, 16 Cents mehr als der Mindestlohn. Das ist das Ergebnis des Tarifkampfs. (…) Es war ein langer Kampf. Die NGG war mit einer Forderung von sechs Prozent mehr Geld für alle Beschäftigte und Einstiegslöhnen deutlich oberhalb des Mindestlohns von 8,84 in die Verhandlungen gegangen. Nach vier ergebnislosen Tarifverhandlungen hatten sich die Verhandlungspartner auf eine Schlichtung geeinigt, die nun zur Einigung führte. McDonald’s Deutschland begrüßte den Tarifabschluss…Meldung vom 14.07.2017 beim Tagesspiegel online externer Link

8. Branchen » Landwirtschaft und Gartenbau » Dossier: Niedriglohn im botanischen Garten der Freien Universität Berlin

Hände weg vom Personalrat des Botanischen Gartens / Botanisches Museum Berlin

Am Botanischen Garten versucht die Freie Universität die Wiedereingliederung der Betriebsgesellschaft der ZE BGBM damit zu verknüpfen, sich des ortsansässigen Personalrats zu entledigen. Das Präsidium der Freien Universität hat kürzlich beschlossen, den Gemeinschaftsbetrieb und die Betriebsgesellschaft für den Botanischen Garten und das Botanische Museum aufzulösen und die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Freie Universität überzuleiten und einzugliedern. Erstmöglicher Zeitpunkt könnte der 01.01.2018 sein. (ver.di Pressemitteilung vom 09.05.2017). Dieses Insourcing wird von der ver.di sowie den Interessenvertretungen am Botanischen Garten ausdrücklich begrüßt. Die damit einhergehende Auflösung des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebes ist logische Konsequenz. Begleitend dazu gibt es allerdings die Bestrebung der Freien Universität Berlin, die Dienststelle Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum (ZE BGBM), durch Aufhebung des Gesetzes zur Eingliederung des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin-Dahlem durch den Berliner Senat aufzulösen und somit die betroffenen Beschäftigten in die Dienststelle Dahlem der Freien Universität Berlin einzugliedern, was unmittelbar zur Auflösung des seit ca. 1955 bestehenden Personalrats am Botanischen Garten führt…“ Meldung der Betriebsgruppe vom 14. Juli 2017 externer Link

9. Branchen » Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst » Gesundheitswesen » Konflikte und Arbeitskämpfe im Gesundheitswesen in diversen Kliniken » Charité Berlin » „Vitamin C“ – Das Betriebsflugblatt der Sozialistischen Arbeiterstimme an der Charité

Vitamin C vom 13. Juli 2017: G20 in Hamburg: Das war der Gipfel!

Darin u.a.: „Vorstand in Angst. Wie sehr der Vorstand der Charité sich davor fürchtet, dass die ach so wertgeschätzten Beschäftigten wirk-lich miteinander ins Gespräch kommen und sich dar-über vielleicht ihrer Gemeinsamkeiten bewusst werden, zeigt die Meldung des Fakultätspersonalrates. Die drei Personalräte der Charité wollten entsprechend dem Universitätsmedizingesetz zu einer gemeinsamen Personalversammlung einladen. Doch die Charité will dies nicht zulassen und verweigert die Anerkennung dieser gemeinsamen Personalversammlung als Arbeitszeit. Das Schlackern in den Knien der Chefs ist umso auffälliger, als es um ein recht unver-fängliches Thema gehen sollte, die VBL. Also Personalräte, für eine Personalversammlung mit dem Thema: Wie holen wir uns unsere Charité zurück? spenden wir gerne 2, 3 Stunden von unserer rotbeampelten Überstundenliste.“ Und weitere Beiträge in Vitamin C vom 13. Juli 2017 externer Link pdf

10. Branchen » Energiewirtschaft (und -politik) » Energie und Klima » Initiative: “Gewerkschafter*innen für Klimaschutz”

Treffen am 19. Juli in Wuppertal

Das nächste Treffen der Initiative findet statt am 19. Juli um 15 Uhr im Saal 1 bei ver.di in 42103 Wuppertal, Hoeftstr. 4.

Tagesordnungspunkte:

  1. Berichte,
  2. Workshop auf dem CK,
  3. Stand am 29. Juli in Grevenbroich,
  4. Weitere Aktivitäten Ende August,
  5. Flyer,
  6. Klimagipfel in Bonn,
  7. Verschiedenes

11. Politik » Gewerkschaften » Tarifpolitik » Allgemeine tarifpolitische Debatte » Tarifeinheit als Selbstzweck? » Dossier: Koalition hat ihre »Tarifeinheit« – bis zum BVG oder Generalstreik?: Bundesverfassungsgericht: „Das Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar“ – nun bleibt also nur der Streik?!

a) Tarifeinheit: Glückwunsch, Allen & Overy!

Bundesverfassungsgericht fördert rechtliche Verwirrung. Prozesshanselei und Überlastung der Arbeitsgerichte werden zunehmen
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz vom 11. Juli 2017 dokumentiert eine tiefe Zerissenheit. Die alten Zeiten, als sich “die Gewerkschaften” und “die Arbeitgeber” in Elefantenrunden gegenüber saßen, sind nicht nur auf Gewerkschaftsseite passé. Anstelle von Arbeitgeberverbänden hat ein juristisch-betriebswirtschaftlicher Komplex die Führung übernommen. Neben Unternehmensberatern (McKinsey, Boston Consulting, Kienbaum, Roland Berger) und Wirtschaftsprüfern (PWC, KMPG, Deloitte) gehören dazu große Wirtschaftskanzleien und deren Arbeitsrechtsabteilungen. Sie dürfen sich über das jüngste Urteil zur Tarifeinheit freuen. Ihr Leitwolf in Sachen Streikverhinderung hatte das Tarifeinheitsgesetz nach Kräften voran getrieben. (…) Die Versuche, jede Streikbewegung gerichtlich zu unterbinden, werden aller Voraussicht nach weiter zunehmen, da das jüngste Urteil widersprüchlich und unklar ist.
..“ Ein Kommentar von Elmar Wigand veröffentlicht am 16. Juli 2017 bei Arbeitsunrecht externer Link

b) [unter_bau] Kommentar zur Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum Tarifeinheitsgesetz

„Das durch die Rechtsprechung vergleichsweise restriktiv ausgelegte deutsche Streikrecht wurde mit dem Tarifeinheitsgesetz weiter gesetzlich beschnitten. (…) Überdenkenswert ist schließlich auch das generelle Koalitions- und Streikverständnis des BVerfG. Im deutschen arbeitsrechtlichen Diskurs fehlt generell jegliches über das Tarifsystem hinausgehende Verständnis der Koalitionsfreiheit, die zudem in ihrem demokratietheoretischen Gehalt verkannt wird. Denn Streiks und die Organisierung der Lohnabhängigen sind auch als demokratisch-solidarische Praktiken zu deuten, die sich nicht auf ihre Funktionalität für die Tarifpolitik beschränken lassen. Vielmehr eröffnen gewerkschaftliche Praktiken potentiell Räume, in denen individuelle und kollektive Autonomieausbildung praktisch möglich wird…“ Beitrag von Marie Diekmann vom 12. Juli 2017 bei unter_bau externer Link

12. Politik » Gewerkschaften » Gewerkschaften in Deutschland » ver.di » Dossier: ver.di-Umstrukturierung: Ist die Auflösung der Matrix die Lösung aller Probleme?

Verdi wird umgekrempelt: Der Bundesvorstand schlägt vor, die Struktur der Gewerkschaft drastisch zu ändern. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus

„An Diskussionen mangelt es in Verdi derzeit nicht. Wohl die spannendste unter ihnen: Wie geht es mit der Organisation weiter? Seitdem der Bundesvorstand des Verbands Ende Juni ein Positionspapier zur »Zukunft der Fachbereiche in Verdi« vorlegte, wird darüber in etlichen ehrenamtlichen Gremien gesprochen. Denn der Vorschlag der Verdi-Leitung ist weitreichend (…). »Verdi wird zu einem stinknormalen Versicherungskonzern umgebaut«, meint Hans Dölzer. Das Vorstandsmitglied des Bezirksfachbereichs Medien Rhein-Neckar (…). Hinter dem Vorschlag des Bundesvorstands vermutet er die Absicht, »die kämpferischen Teile der Gewerkschaft durch Zentralisation zu eliminieren«. Die Betreuung der Belegschaften würde durch die Fusionen überdies weiter ausgedünnt, so Dölzer. So eindeutig sind die Haltungen zum Vorschlag in den meisten ehrenamtlichen Gremien noch nicht. In ihnen hat die Diskussion erst begonnen. Viele Organe fühlen sich noch zu schlecht informiert, um für oder gegen die Vorlage Stellung zu beziehen. Andere sehen in dem Zusammenschluss die Möglichkeit, Skurrilitäten im bisherigen Verdi-Aufbau zu beseitigen: Derzeit kann es vorkommen, dass dieselbe Berufsgruppe über verschiedene Fachbereiche verstreut ist.“ Artikel von Johannes Supe und Andrea Walter in der jungen Welt vom 15. Juli 2017 externer Link

13. Politik » Wirtschaftspolitik » Gesundheitspolitik » Gesundheit und Armut

Nationale Armutskonferenz stellt Positionen zu Armut und Gesundheit vor

„Mit ihrem Positionspapier Armut und Gesundheit wendet sich die Nationale Armutskonferenz im Vorfeld der Bundestagswahl an Verantwortliche in Politik und Gesellschaft. Neben den Grundsatzforderungen beleuchtet das Positionspapier die Situation von verschiedenen Gruppen, etwa den Empfänger*innen von Hartz IV und Sozialhilfe, Asylsuchenden, Geflüchteten und wohnungslosen Menschen….“ Pressemitteilung der Nationalen Armutskonferenz (nak) vom 13. Juli 2017 externer Link

Zu den Positionen und Forderungen der nak zu Armut und Gesundheit siehe das „Positionspapier der Nationalen Armutskonferenz“ externer Link pdf vom Juli 2017

14. Politik » Wirtschaftspolitik » Globalisierung und Weltökonomie

Afrika-Konferenzen, zwischen Berlin und Hamburg: 130 Jahre dasselbe Ziel

Wer weiß, ob zeitgenössischen Beobachter_innen der Berliner Afrika-Konferenz im Winter 1884/85 die Tragweite der damals in der sog. Kongoakte festgehaltenen Beschlüsse klar war. Wer hat damals schon vermutet, dass die Konferenz noch über hundert Jahre später als zentrales Ereignis und Symbol des Kolonialismus und Imperialismus bewertet werden würde? Auch auf der damaligen Afrika-Konferenz wurde um den Freihandel gerungen und auch damals wurden Ansprüche der „zivilisierten“ Staaten humanitär verbrämt, etwa wenn im Abschlussdokument die „Hebung der sittlichen und materiellen Wohlfahrt der eingeborenen Völkerschaften“ in Aussicht gestellt wurde…“ – so beginnt der Beitrag „G20 und Afrika“ von Christoph Marischka am 13. Juli 2017 bei IMI-Online externer Link (IMI-Analyse 32 von 2017), der dann endet: „So oder so ist gut, dass es, anders als beim Afrikagipfel 1884/85, nennenswerte und sichtbare Proteste gab – und im Übrigen ein Maß an Repression, das des Kaiserreichs würdig gewesen wäre

15. Interventionen » Kampf um Grundrechte » allgemeine Grundrechte » Demonstrationsrecht » Dossier: Kommst Du mit ins Gefahrengebiet? Hamburg: Gipfel der G20 7./8. Juli 2017

a) Bilanz der G20-Proteste: ›Feindbild Demonstrant‹

Während der G20-Proteste in der vergangenen Woche haben staatliche Stellen systematisch Grundrechte verletzt und rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt. Eine erste Bilanz offenbart mit einigen Tagen Abstand in der Summe, die weitgehende Missachtung von Bürger*innenrechten bei gleichzeitiger Dominanz repressiven polizeilichen Handelns. Es bedarf daher einer rückhaltlosen und genauen Aufklärung aller Sachverhalte. (…) Gleichzeitig ist es unerträglich, wie Politik und Polizei im Nachhinein mit dem Geschehen umgehen: Statt einer offenen und selbstkritischen Aufarbeitung des schon im Grundsatz autoritär-repressiven Vorgehens gegen die Proteste und der Gewaltexzesse mancher Polizeieinheiten, findet reflexartig eine bedingungslose Verteidigung und gar Glorifizierung der Polizeiarbeit statt. Die vollständige Abwesenheit einer Fehlerkultur bestätigt nicht nur die Polizist*innen in ihrem rechtswidrigen und strafbaren Vorgehen. Das nun faktisch bestehende Verbot, Kritik an der Polizei zu üben, die als Exekutivinstanz das Gewaltmonopol ausübt, setzt auch einen zentralen Grundsatz des Rechtsstaats außer Kraft: Wer besondere Befugnisse zum Gewalteinsatz hat, muss durch die Gesellschaft und die anderen Gewalten permanent und intensiv kontrolliert sein. Alles andere ist der Weg in den Obrigkeitsstaat…“ Pressemitteilung des Anwaltlichen Notdienstes zum G20 in Hamburg vom 14. Juli 2017 externer Link

b) Während der G20-Proteste wurden weniger Polizisten verletzt, als die Polizei behauptet

„… Von den offiziell 476 bei G20 verletzten Polizisten wurden deutlich weniger Beamte während der Proteste verletzt, als bisher angenommen. Mehr als die Hälfte der Verletzungen meldeten die Polizisten schon vor den Protesten. Das geht aus Anfragen von BuzzFeed News an alle 16 Landespolizeibehörden und die Bundespolizei hervor. Zudem sind etliche Verletzungen nicht auf die Demonstranten zurückzuführen. So zählte die Polizei zum Beispiel Kreislaufprobleme ebenfalls zu den gemeldeten Verletzungen. Die allermeisten Polizisten konnten spätestens am nächsten Tag wieder am Einsatz teilnehmen, häufig auch deutlich eher. (…) Mehr als 95 Prozent der als verletzt erfassten Polizisten konnten bereits nach kurzer Behandlung vor Ort wieder weiter arbeiten, zeigen die Recherchen von BuzzFeed News. Von den 476 gemeldeten Polizisten wurden insgesamt 21 Beamte so verletzt, dass sie auch noch am Folgetag oder länger nicht einsatztauglich waren. Offiziell als schwer verletzt gelten zwei Beamte der Bundespolizei. Die 16 Bundesländer meldeten auf Anfrage keine schwer verletzten Polizisten…“ Beitrag von Marcus Engert vom 14. Juli 2017 bei den BuzzFeedNews externer Link

Siehe einige weitere Informationen und Bewertungen im Dossier

Siehe auch – wenn jetzt erst entdeckt, so doch ein Vorbild für die Zukunft:

16. Internationales » Frankreich » Gewerkschaften

G20: Gewerkschaft SUD Rail rief zur Verweigerung von Spitzeldiensten der französischen Eisenbahn auf

Die Unternehmensleitung der französischen SNCF hatte alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu aufgerufen: Verdächtige Gruppierungen und auch Einzelpersonen zu melden, die in den Zügen Richtung Belgien und Deutschland unterwegs seien – zum G20 Protest in Hamburg. Das Rundschreiben erreichte die Beschäftigten am 4. Juli. Die Gewerkschaft SUD Rail beantwortete diesen Aufruf zur Bespitzelung am selben Tag mit einem Aufruf zum Boykott jeglicher Spitzeldienste. Die Erklärung „La SNCF, collaboratrice de l’Etat Policier“ von SUD Rail vom 04. Juli 2017 externer Link pdf hält fest, dass dies eine weitere Maßnahme der Ausdehnung des Polizeistaats sei und die Eisenbahn dabei die Rolle des Kollaborateurs einnehmen wolle. Gegen die Bestrebungen, jeglichen oppositionellen Aktivismus zu registrieren und überwachen, wird in der Erklärung das Recht auf Protest und Widerstand verteidigt – in Erinnerung an die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen, die 1940 einem ähnlichen Aufruf mit einem Totalboykott begegnet waren

Lieber Gruss, Eure LabourNet-Redaktion

 

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LKW Streik in Russland
Seit dem 27. März 2017 streiken die LKW Fahrer_innen in Russland. Im April beteiligten sich über eine Million Fahrer_innen am Streik. Hier ein Video-Update vom Kilometerfresser TV über die Situation Ende April. Anfang Juli 2017 geht der Streik immer noch weiter, ohne die massenhafte Beteiligung vom April allerdings. Die Regierung geht massiv gegen die Streikenden vor: „Die Streikleitung wurde 3x inhaftiert. Zahlreiche Aktivisten wurden festgenommen. Es hat eine Welle von Prozessen begonnen. Um die Streikcamps werden mit schwerem Gerät Gräben gezogen um zu verhindern, daß sie an Konvois oder Kundgebungen teilnehmen können.“ (Karsten Weber) Video von kilometerfresser.tv bei labournet.tv externer Link (deutsch |5 min | 2017)

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