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[Nicht nur gegen die Netzzensur des Regimes im Iran] Mit einem Klick unzensiertes Netz und Anonymität spenden, um Kommunikation zu schützen

Dossier

Anonymous gegen Netzzensur im Iran„Eine Browser-Erweiterung und ein einfacher Klick, um Menschen in Ländern mit zensiertem Internet zu helfen: Wer sich Snowflake in seinem Browser installiert, spendet nicht nur den protestierenden Menschen im Iran anonymes und unzensiertes Netz, sondern unterstützt alle, die sich gegen Zensur wehren müssen. Die Proteste und Demonstrationen gegen das Regime im Iran werden seit dem Tod von Mahsa Amini in Gewahrsam der Polizei heftiger, über zahlreiche Festnahmen wird berichtet. Man kann sich schnell machtlos fühlen angesichts der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen, von denen Bilder über das Netz ins Wohnzimmer gespült werden. Dann hilft es manchmal, die eigenen Privilegien zu nutzen und den Opfern mit technischen Mitteln Unterstützung zu geben. Zu unseren Privilegien in Deutschland gehört ein weitgehend zensurfreies Internet. Das kann man nutzen, um Menschen in stark von Zensur betroffenen Ländern effektiv zu helfen…“ Solidaritätsaufruf von Constanze Kurz vom 26. September 2022 bei Netzpolitik.org externer Link, siehe mehr daraus und weitere Informationen:

  • Proteste im Iran: Geleakte Dokumente zeigen Ausmaß der Überwachung New
    Die iranische Regierung kann offenbar detailliert kontrollieren, wann, wo und wie Handynutzer:innen im Land miteinander kommunizieren. Expert:innen warnen vor der Gefahr für die Protestierenden.
    Während die größte Protestwelle seit Jahren durch den Iran rollt, haben staatliche Behörden womöglich so viel Einblick in die Protestbewegung wie noch nie zuvor. Über ein Programm namens SIAM hat die iranische Telekommunikationsbehörde (CRA) offenbar umfassenden Zugriff auf das Mobilfunknetz des Landes und dessen Nutzer:innen. Das legen Recherchen von The Intercept externer Link auf der Grundlage von geleakten Dokumenten des iranischen Telekommunikationsanbieters Ariantel nahe. Unter anderem kann das Überwachungsprogramm Identitätsprofile und Standortverläufe von Personen ermitteln, Protestteilnehmende ausfindig machen oder bestimmte Handynutzer:innen ins unsichere 2G-Netz umleiten. Dazu müssen die Mobilfunkanbieter knapp dreißig Kontroll- und Überwachungsfunktionen bereitstellen. „Diese Funktionen können in einem Land wie dem Iran, in dem es keine fairen Gerichtsverfahren und keine Rechenschaftspflicht gibt, zu lebensgefährlichen Situationen führen und stellen eine massive Verletzung der Menschenrechte dar“, sagt Amir Rashidi externer Link, Experte für Internetsicherheit und digitale Rechte mit Schwerpunkt Iran. Sie könnten sehr einfach gegen Protestierende eingesetzt werden, die ihr Leben im Einsatz für ihre Grundrechte riskieren. (…)
    Protestierende fragen sich beispielsweise, wie ihre Standortdaten und ihre private Kommunikationsdaten in die Hände der Behörden fallen. Sie berichteten, dass Autoritäten plötzlich in ihrem Zuhause aufgetaucht seien, mit spezifischen Informationen darüber, wann und wo sie Videos aufgenommen hätten. Die geleakten Dokumente bringen nun etwas Licht in diese Angelegenheit. Eines davon ist ein englischsprachiges Handbuch externer Link, welches die Möglichkeiten von SIAM belegt. Im Dokument heißt es zunächst: „Auf der Grundlage der CRA-Regulierung müssen alle Telekommunikationsbetreiber der CRA direkten Zugang zu ihrem System ermöglichen, um Kundeninformationen abfragbar und ihre Dienste über einen Webdienst änderbar zu machen“. Anschließend listet das Dokument 28 Funktionen auf, die Ariantel der CRA bereitzustellen hat. Eine ganze Reihe davon lässt sich einsetzen, um in das Privatleben von Kritiker:innen der Regierung einzudringen. Zu einer beliebigen Nummer können unter anderem Adresse, Nationalität, Informationen zu Familie und Arbeitgebenden, die Nummer der Geburtsurkunde und des Passes, Rechnungsdaten und Standortdaten abgefragt werden. Eine andere Funktion gibt die Metadaten zu allen getätigten Anrufen der letzten 30 Tage beliebiger Kund:innen zurück. Auch kann die Behörde alle Handynummern abfragen, die aktuell in einem bestimmten Ort ins Netz eingewählt sind. So lassen sich beispielsweise die Teilnehmenden eines Protestes ermitteln, um anschließend Persönlichkeitsprofile von ihnen zu erstellen. Eine weitere Funktion liefert Webseiten und IP-Adressen, mit denen sich Kund:innen in einem Zeitintervall verbunden haben. Das stellt dem Sicherheitsexperten Rashidi zufolge eine enorme Gefahr für beliebte VPN-Umleitungen dar, von der sich Nutzer:innen Anonymisierung im Netz erhoffen. (…)
    Eine besonders perfide Methode besteht schließlich darin, Handynummern aus den schnelleren und sichereren 3G- und 4G-Netzen ins 2G-Netz zu verbannen. Moderne Smartphones werden dadurch größtenteils nutzlos, da viele Echtzeit-Anwendungen wie Social Media und Instant Messaging auf das schnelle Internet angewiesen sind, so Gary Miller, Forscher am Citizen Lab der Universität Toronto. Das stellt ein erhebliches Risiko gerade im Kontext von Protesten dar, während derer schnelle Kommunikation häufig entscheidend ist. Außerdem wird ihre Kommunikation anfällig für böswillige Angriffe: Während die neueren Mobilfunktechniken robuste Verschlüsselungsverfahren einsetzen, ist der 2G-Standard durch keine oder nur durch veraltete Verschlüsselungssysteme geschützt. Auch mache über 2G abgewickelte Zweifaktor-Authentifizierung verwundbarer gegenüber Angriffen. Damit gingen die Möglichkeiten der CRA „weit über traditionelle und rechtmäßige Abhör-Anforderungen hinaus, zumindest in nicht-repressiven Ländern“, sagt Miller zu The Intercept…“ Beitrag von Julien Schat vom 31.10.2022 bei Netzpolitik externer Link
  • [Meerbusch-Iran-Connection] Internet-Abschottung im Iran: Fragwürdige Verbindungen nach Deutschland 
    Viele Menschen im Iran wehren sich derzeit gegen Repressionen. Über den Ausgang der Proteste entscheidet auch, ob der Staat den Zugang zum Internet abschotten kann. Für dessen Kontrolle nutzt das Regime nach einer gemeinsamen Recherche von CORRECTIV, taz und netzpolitik.org Verbindungen in Deutschland.
    Im derzeitigen Aufstand in den iranischen Städten ist für die Menschen das Internet die einzige Möglichkeit, über Proteste und Staatsgewalt zu berichten. Die Regierung versucht, den Zugang zum Internet einzuschränken und die Verbreitung von Inhalten zu behindern. Daran beteiligt ist auch Abr Arvan, eines der größten Internetunternehmen des Landes, an dem indirekt auch der Staat Einfluss hat. Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen rief die Firma bereits dazu auf, nicht mehr mit dem Regime zu kooperieren. Recherchen von CORRECTIV, taz und Netzpolitik zeigen, dass Abr Arvan sich über ein gemeinsames Cloud-Projekt mit einer in Deutschland ansässigen Firma Zugang zu internationalen Datencentern sichert. Die Softqloud GmbH wurde im Düsseldorfer Vorort Meerbusch gegründet und stand bis vor kurzem noch im Impressum von arvancloud.com. Sie betreibt Datencenter in Frankfurt am Main und dem niederländischen Dronten und stellt damit aus dem Ausland für den Iran Teile der Netzstruktur sicher. Unter anderem waren Zahlungen über den US-amerikanischen Finanzdienstleister Stripe möglich, obwohl die US-Sanktionen eine solche Zusammenarbeit mit dem Iran verbieten…“ Beitrag von Jean Peters und Marcus Bensmann am 20. Oktober 2022 bei Correctiv externer Link, siehe auch:

    • Die Iran-Connection von Meerbusch
      Eine iranische IT-Firma hilft im Iran bei der Internet-Abschottung. Ihr Ableger in Deutschland hilft, die US-Sanktionen zu vermeiden. (…) ist Softqloud ein Ableger des iranischen IT-Dienstleisters Arvancloud. Das Unternehmen hilft dem islamistischen Regime in Teheran dabei, eine eigene nationale Internet-Struktur aufzubauen. Somit wird die Abschottung des Irans vom internationalen Netz erleichtert. Zahlungen für IT-Dienstleitungen an Arvancloud landen bei der deutschen Firma in Meerbusch. Softqloud ist quasi Arvanclouds Brückenkopf in Europa. Die Server der Firma in Meerbusch sind für den Iran von Bedeutung. Die gemeinsame Recherche zeigt: Sie bilden eine von insgesamt nur vier digitalen Verbindungsbrücken, die aus dem iranischen Netz ins Ausland führen. Für unsere Recherche haben wir firmeneigene Unterlagen eingesehen, Netzwerke und Serverdaten analysiert, Zahlungen nachvollzogen und mit zahlreichen Ex­per­t*in­nen gesprochen. Der Blick nach Meerbusch, auf die Firma Softqloud, ihre Verbindungen und die beteiligten Personen offenbart: In dem Düsseldorfer Nobelvorort und seiner Umgebung sitzt ein Geflecht aus Unternehmen und Tarnfirmen, die mindestens indirekt mit dem islamistischen Regime in Teheran, den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienst verbunden sind. Von hier aus umgehen sie US-Sanktionen. Sie sind verstrickt in den Aufbau eines abgeschotteten nationalen Internets im Iran. Und: Sie agieren bis heute unbehelligt in Deutschland. (…) Auf ihrer Webseite präsentiert sich die deutsche Firma Softqloud wie jedes andere IT-Unternehmen im Netz. Ein Bild von Serverschränken, ein Bild von Computern, ein paar Zeilen oberflächliche Werbesprache. Mehrfach wechselte der Firmensitz, blieb jedoch immer in der Nobelgegend Meerbusch bei Düsseldorf. Schaut man genauer hin, eröffnet sich ein Geflecht an Firmen, die mindestens indirekt mit dem iranischen Regime, Geheimdiensten oder den Revolutionsgarden in Verbindung stehen…“ Artikel von Jean-Philipp Baeck vom 20.10.2022 in der taz online externer Link
    • Meerbusch-Iran-Connection: Deutsche Firma in Aufbau des abgeschotteten Internets im Iran verstrickt
      Ein deutsches Unternehmen aus Meerbusch in Nordrhein-Westfalen ist zusammen mit dem iranischen Internetunternehmen ArvanCloud in den Aufbau eines abgeschotteten Internets im Iran verwickelt. Das zeigen gemeinsame Recherchen von Correctiv, taz und netzpolitik.org. Deutsche Ministerien und Sicherheitsbehörden sind alarmiert. (…) Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagt zu dieser Recherche in einem Interview, das heute Abend in der Carolin-Kebekus-Show ausgestrahlt wird externer Link : „Das ist dramatisch, wenn eine deutsche Firma bei solchen Verbrechen auch unterstützen und helfen sollte.“ Die entsprechenden Sicherheitsbehörden würden laut Baerbock den Fall prüfen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, könnte dies auch strafrechtliche Konsequenzen haben…“ Beitrag von Markus Reuter vom 20.10.2022 bei Netzpolitik externer Link
  • Weiter im Solidaritätsaufruf von Constanze Kurz vom 26. September 2022 bei Netzpolitik.org externer Link: „… Ein technisches Werkzeug zur Zensurumgehung ist die Browser-Erweiterung Snowflake externer Link. Bereits seit 2016 existierte die Idee dahinter als Projekt, wurde aber erst ab 2019 konkret für die Browser Chrome und Firefox angeboten. Wer es installiert und nutzt, hilft damit nicht nur den Menschen im Iran, sondern allen Zensurbetroffenen. Denn auch Staaten wie China oder Belarus versuchen seit Jahren, die anonyme Internetnutzung zu blockieren. (…) Die Browser-Erweiterung Snowflake ist Teil des Tor-Netzwerkes, welches anonymes Surfen und Zensurumgehung im Netz ermöglicht. Dabei stand die Abkürzung Tor ursprünglich für „The Onion Router“, weil das System technisch wie eine Zwiebel (englisch: onion) konstruiert ist, in der Schichten aufgebaut werden. Im Iran wird der Anonymisierungs- und Anti-Zensur-Dienst Tor seit Jahren im ganzen Land blockiert. Die iranische Telekommunikationsbehörde zensiert faktisch nach Belieben. Erstellt wird durch die Browser-Erweiterung Snowflake eine Art Brücke in das Tor-Netzwerk. Als eine von mehreren Möglichkeiten der Zensurumgehung helfen solche Tor-Brücken denjenigen, die in Regionen leben, in denen das Tor-Netzwerk zensiert wird und damit die Nutzung des Tor-Browsers erschwert ist. Wenn sich viele Freiwillige beteiligen, ist eine solche Blockade kaum noch möglich. Denn die IP-Adressen der Tor-Brücken sind nicht öffentlich als Liste abrufbar. Das macht sie schwerer zu blockieren. Wenn man es ganz untechnisch formulieren wollte: Der hiesige Freiwillige, der sich Snowflake installiert, fungiert als eine Art Stellvertreter für die Menschen in stark zensierten Regionen der Welt. Im Iran explodierten in den letzten Tagen die Tor-Nutzungszahlen, weltweit ist bei den Tor-Brücken eine Verdreifachung der Nutzung externer Link im Vergleich zum Beginn des Septembers zu verzeichnen. Aber auch in Russland werden die Snowflake-Tor-Brücken gern verwendet, um Zensur zu umgehen und um Kommunikation schützen. (…) Snowflake kann in normalen Browsern installiert werden, etwa Chrome und Firefox. Die Browser-Erweiterung funktioniert auch auf dem Smartphone und ist mit einem einfachen Klick installiert. Wichtig ist auch zu wissen, dass die Installation und Nutzung von Snowflake weitgehend risikolos möglich sind. Denn durch die Weiterleitung droht nicht der juristische Ärger, der leider manchmal auch hierzulande Anbietern von Tor-Infrastruktur droht.“
  • NetBlocks-Gründer über Internet im Iran: „Es kommt zum Informationsvakuum“
    Alp Toker erklärt im Interview von Lisa Schneider vom 26. September 2022 in der taz online externer Link, wie Zensur im Internet funktioniert und welche Alternativen die Menschen: „… Es gibt mehrere Optionen: Staaten können bestimme soziale Medien blockieren, etwa Whatsapp und Instagram. Das erfolgt am Gateway in Iran. Wenn eine solche zentrale Entscheidung getroffen wird, sind diese Plattformen bei keinem Internetanbieter im Land mehr zugänglich. (…) [Oder] Regionale Internetunterbrechungen. Dabei wird die zur Übertragung benötigte Technik, etwa Funkmasten, in bestimmten Regionen abgeschaltet. Iran hat immer wieder auch die internationale Konnektivität unterbrochen, und seine nationale Internetinfrastruktur aktiviert, wodurch nur noch inländische Websites und Plattformen wie Banken verfügbar sind. Die iranischen Plattformen werden aber stark zensiert und überwacht. (…) Wenn einzelne Seiten blockiert werden, können VPNs effektiv sein, obwohl auch diese beschränkt werden können. Wenn die nationale Internet­infrastruktur aktiv ist, ist es manchmal möglich, über ein Zwischen-Gateway in die Außenwelt zu gelangen. Das ist jedoch technisch sehr aufwendig und für die meisten Nutzer nicht individuell möglich. Bei einer totalen oder nahezu totalen Abschaltung des Internets sind die Möglichkeiten noch eingeschränkter, da gar keine Konnektivität, also Verbindungsfähigkeit mehr vorhanden ist. (…) Satellitentechnologie im erdnahen Orbit – wie Starlink – könnte es Menschen ermöglichen, während einer Internetabschaltung eine Netzwerkverbindung über einen Satellit herzustellen. Es gibt jedoch zahlreiche Herausforderungen (…) Eine Ausweitung auf eine breitere Bevölkerung ist im Moment unwahrscheinlich. (…) Es gibt eine Kosten-Nutzen-Kalkulation für jede Unterbrechung des Internets. Die Lage der Wirtschaft, aber auch die öffentliche Wahrnehmung sind Faktoren, die eine Rolle spielen. Iran hat versucht, den Effekt einer Unterbrechung des Internets auf etwa den Handel durch die Förderung eines unab­hängigen inländischen Internets abzumildern. Iran ist trotz der Zensur und der Beschränkungen ein gut vernetztes Land, die Abschaltung des Internets auf nationaler Ebene auf lange Sicht keine praktikable Politik. Eine Schätzung, die uns vorliegt, besagt, dass ein einziger Tag einer hypothetischen Internetabschaltung in Iran das Land 40 Millionen US-Dollar kosten könnte. Das Land ist also nach wie vor in hohem Maße von dieser Konnektivität abhängig.“

Zum aktuellen Anlass der Protestbewegung 2022 im Iran siehe unter dem Aspekt der Netzzensur den Twitter-Account von Anonymous OpIran externer Link und den „normalen“ von Anonymous externer Link und deren tolle Arbeit, siehe z.B.:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=204771
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