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Belarus (Weißrussland)

Lebenswirklichkeiten in Weißrussland nach 25 Jahren Lukaschenko

Vor den festnahmen durch die Minsker Polizei am 12.3.2017 - Proteste gegen die Erwerbslosensteuer sind denn doch verboten„… Als letztes Land Europas verhängt und vollstreckt Belarus die Todesstrafe. Amnesty International berichtet von mindestens 256 Menschen, die seit 1994 durch Genickschuss exekutiert wurden. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn die Urteile gelten als Staatsgeheimnis. Regelmäßig lässt das Regime Menschen in großer Zahl verhaften. Und in allen einschlägigen Freiheitsindizes rangiert das Land im hinteren Drittel. Doch wie hat es Lukaschenko trotzdem geschafft, 25 Jahre lang im Amt zu bleiben? Und dort jetzt so sicher wie nie zuvor zu sitzen? Lukaschenkos Wahl zum ersten und bisher einzigen belarussischen Präsidenten war durchaus eine Überraschung. Kaum jemand traute dem ehemaligen Direktor einer Sowchose aus der Provinz 1994 den Sieg gegen den damaligen Ministerpräsidenten Wjatschaslau Kebitsch zu. Gleichwohl war Lukaschenko als Leiter des Antikorruptionsausschusses des Parlaments kein Unbekannter. Schon im Wahlkampf ließ er sehr autoritäre Vorstellungen durchblicken. Er versprach die Korruption bis hinauf auf die höchste Ebene zu bekämpfen, die Warenpreise zu deckeln und engere Beziehungen zu Russland zu knüpfen. Damit bediente Lukaschenko populäre Forderungen und zugleich nostalgische Gefühle für die gerade erst untergegangene Sowjetunion. Noch immer genießt Lukaschenko breite Unterstützung in der Bevölkerung, gerade in ländlichen Gebieten. Seine persönliche Popularität ist der erste von mehreren Machtfaktoren. Der Rückhalt lässt sich leicht erklären: Die Sozialleistungen blieben vergleichsweise hoch und es gab keine einschneidenden Wirtschaftsreformen wie in den postkommunistischen Nachbarländern…“ – aus dem Beitrag „Lukaschenko forever“ von Marco Fieber am 18. Juli 2019 in der jungle world externer Link (Ausgabe 29/2019) zum 25. Jahrestag des Amtsantritts Lukaschenkos. Siehe dazu auch einen Beitrag zum sich allmählich wandelnden und spannungsreicher werdenden Verhältnis Weißrusslands zu Russland:

  • Vom Bruder zum Partner“ von Ute Weinmann am 18. Juli 2019 in der jungle word externer Link (Ausgabe 29/2019) zum Verhältnis mit dem großen Nachbarn unter anderem: „… De facto subventioniert Russland Belarus seit über zwei Jahrzehnten und erhielt im Gegenzug einen loyalen Bündnispartner, der in wichtigen strategischen Fragen mit Russland übereinstimmt und für einen reibungslosen Transit russischer Energieexporte gen Westen sorgt. Zumindest gelingt es Lukaschenko, sich als einzigen Garant für politische Stabilität in Szene zu setzen. Seine Regierung sitzt zwar am deutlich kür­zeren Hebel, erreichte bei der Aushandlung von exklusiven Freundschaftspreisen für rus­sisches Gas und Öl aber enorme Zugeständnisse. Nach Schätzungen des Moskauer Instituts für Energetik und Finanzen beläuft sich der Gesamtumfang russischer Subventionen durch extrem niedrige Exportpreise für den kleinen Nachbarn seit der Jahrhundertwende auf annähernd 100 Milliarden US-Dollar. Lukaschenkos Loyalität kennt jedoch Grenzen – ebenso wie die Zahlungsbereitschaft der russischen Regierung. Die große wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland – auch als wichtigster Handelspartner und Quelle von Direkt­investitionen – birgt für Belarus hohe Risiken. Zudem übte sich der belarussische Präsident Lukaschenko immer häufiger in außenpolitischen Alleingängen, was die russische Führung mit schwindender Kulanz quittierte. 2008 änderten sich die Beziehungen deutlich. Durch das Kriegsintermezzo in Georgien führte Russland seinen Nachbarn deutlich vor Augen, dass Panzer als schwerwiegendes Verhandlungsargument ins Spiel kommen könnten, sollten andere Methoden nicht den gewünsch­ten Effekt haben. Belarus suchte den Kontakt zur Europäischen Union und fand Aufnahme in deren Programm »Östliche Partnerschaft«…“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151894
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