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Zwei Großdemonstrationen gegen politische Unterdrückung – in Katalonien und im Baskenland

Solidaritätsaktion mit den angeklagten von Altsasu: 375 Jahre ins Gefängnis wegen einer Kneipenschlägerei?Eine halbe Million Menschen auf den Straßen Barcelonas protestierte gegen die Repression gegen katalonische Unabhängigkeitspolitiker – und 50.000 in der Provinz Navarra gegen den Schauprozess gegen sogenannte Terroristen, die in eine Kneipenprügelei in der Kleinstadt Altsasu mit der Guardia Civil verwickelt waren – und seit 515 Tagen in Haft sitzen, bis die Justizfarce am Montag, 16. April 2018 beginnen soll.  „515 Tage der Schande“ war Leitmotiv der Großdemonstration im Baskenland am Samstag, zu der Altsasu Gurasoak (die Gruppe von Eltern der 8 „Angeklagten“) aufgerufen hatte (und mit ihnen – bis auf die sattsam entsprechend bekannte UGT – alle Gewerkschaften der Region). Die Demonstration in Barcelona, zu der sowohl Espai Democràcia i Convivència (der Zusammenschluss der politischen, kulturellen und gewerkschaftlichen Kräfte, die für die Unabhängigkeit eintreten) als auch die Plataforma 3 d’octubre (die von alternativen Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und linken Gruppierungen gebildet ist) aufgerufen hatten, forderte ein Ende der Repression gegen Katalonien und die Freiheit der inhaftierten Politiker. Siehe zu den beiden Demonstrationen eine Materialsammlung mit jeweils zwei aktuellen Berichten, zwei Hintergrundbeiträgen und dem Verweis auf unsere bisherigen Veröffentlichungen zu beiden Auseinandersetzungen:

  • „El juicio comienza el lunes: Una marea humana arropa a los jóvenes de Alsasua en Pamplona“ am 15. April 2018 ebenfalls bei kaosenlared externer Link ist wiederum ein Demonstrationsbericht (vom Vortag) über die Demonstration in Pamplona, die für diese Region eine der größten der Geschichte war (auch dieser Bericht mit Fotos und Videos). In den Tagen kurz vor der Demonstration hatten auch Regionalparlament und Regionalregierung noch zur Teilnahme aufgerufen. Die zentrale Forderung ist, dass es ein ganz normales Verfahren geben solle und der lächerliche, aber gefährliche Terrorismus-Vorwurf endlich fallen gelassen, was in einer Erklärung zu Beginn des Monats auch rund 200 UnterzeichnerInnen einer Erklärung von Richtern, Anwälten und Juraprofessoren gefordert hatten.
  • „Hunderttausende gegen spanische Repression“ von Ralf Streck am 16. April 2018 in neues deutschland externer Link berichtet von beiden Demonstrationen, hier über Barcelona: „Am Sonntagnachmittag haben Hunderttausende Menschen in Barcelona für die Freilassung der politischen Gefangenen demonstriert. Mit fast 1000 Bussen waren sie in die katalanische Hauptstadt gereist, um gegen die Repression und für die Katalanische Republik zu demonstrieren. Da sich eine massive Beteiligung abgezeichnet hat, mussten die Veranstalter den Versammlungsort verlegen. Aufgerufen hat die breite Plattform »Raum für Demokratie und Zusammenleben«, in der neben den großen katalanischen Kulturvereinen ANC und Òmnium Cultural auch die Sektionen der großen spanischen Gewerkschaften in Katalonien vertreten sind. »Für die Rechte und Freiheiten, für die Demokratie und Zusammenhalt wollen wir euch zu Hause«, heißt es in Bezug auf die politischen Gefangenen und Exilierten. Besonders richtet man sich auch gegen die Versuche, eine friedliche Bewegung nicht nur wegen Aufruhr und Rebellion zu kriminalisieren, sondern nun auch wegen »Terrorismus«. Anlass dafür waren die Blockaden von Straßen und Schienen durch die »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR). Die will das Ministerium für Staatsanwaltschaft als Terror definieren. Dazu wurde das Strafrecht 2015 nach den Anschlägen in Frankreich eilig mit den Sozialdemokraten der PSOE geändert – angeblich gegen islamistischen Terror. Nach Ansicht des Sonderberichterstatters der UNO für Menschenrechte ist der Begriff »exzessiv« ausgelegt und dazu sei das Gesetz »sehr schwammig« formuliert“.
  • „Zehntausende gegen absurde spanische „Terrordefinition““ ebenfalls von Ralf Streck am 15. April 2018 bei telepolis externer Link über die Demonstration in Pamplona: „Die Unionisten haben die Anschläge auf Charlie Hebdo in Frankreich 2015 missbraucht, um „Terrorismus“ in Spanien neu zu definieren und sehr breit auszuwalzen, weshalb alles im Land der Postfaschisten nun Terrorismus sein kann, wenn es die Regierung über ihr Ministerium für Staatsanwaltschaft so will. Was in der Öffentlichkeit zunächst als Maßnahme verkauft wurde, um angeblich islamistische Einzeltäter als Terroristen greifen zu können, hat sich längst als auch von der Sozialdemokratie abgenickte Universalwaffe entpuppt. Es kann nun fast aus jedem Dissident ein „Terrorist“ gemacht werden und sogar spanische Puppenspieler mussten dafür schon ins Gefängnis). Gegen den ersten Versuch das auch gerichtsfest zu machen, einer banale Körperverletzung als „Terrorismus“ zu definieren, haben am Samstag zehntausende Menschen im baskischen Iruña (Pamplona) demonstriert. Die Stadt wurde überflutet, um „Gerechtigkeit“ zu fordern. Mehr als 50.000 Menschen haben ihre Solidarität mit acht Jugendlichen gezeigt, die bis zu 62 Jahre in den Knast sollen. Auch das Parlament und die Regionalregierung Navarras hatten zum Protest aufgerufen, weshalb es die größte Demonstration gewesen sein dürfte, die Iruña bisher erlebt hat. Am Montag beginnt vor dem spanischen Sondergericht „Audiencia Nacional“ der Prozess gegen Jugendliche aus der Kleinstadt Altsasu, für die am Nationalen Gerichtshof insgesamt 375 Haftjahre gefordert werden. Die Kleinstadt liegt auf dem Weg zwischen Iruña und der baskischen Hauptstadt Gasteiz (Vitoria) an der Grenze zwischen der Provinz Navarra und Araba. Sie war am frühen Morgen des 15. Oktobers Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen zwei paramilitärischen Guardia Civil (außer Dienst) und ihren Partnerinnen mit Jugendlichen aus dem Ort. Aus einem Wortgefecht, das die Zivilgarden nach Aussagen von Zeugen (die im Prozess nicht aussagen dürfen) begonnen haben, entwickelte sich eine Prügelei am frühen Morgen des 15. Oktobers 2016 in der Bar Koxka. Dabei wurden der Offizier und der Unteroffizier leicht nach reichlich Trinksport verletzt“.
  • „Solidaritätsdemos für Gefangene“ von Reiner Wandler am 15. April 2018 in der taz externer Link unter anderem zur Frage, wer an diesen Demonstrationen teilnahm – und wer nicht: „Zur Demo hatte das lagerübergreifende Bündnis „Raum für Demokratie und Zusammenleben“ aufgerufen. Neben ANC, Òmnium und den Parteien, die für die Unabhängigkeit sind, gehören auch Organisationen dazu, welche die Unabhängigkeit ablehnen, wie die linksalternative Catalunya en Comú um Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau oder die beiden großen spanischen Gewerkschaften, die postkommunistische CCOO und die sozialistische UGT. „Politische Probleme müssen auf politischer Ebene durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden“, heißt es im Manifest, das am Ende der Demonstration verlesen wurde. Es gehe um die „einheitliche Verteidigung der katalanischen Institutionen und das Recht der Katalanen, über ihre Zukunft zu entscheiden“. Madrid setzte die Regierung Kataloniens Ende Oktober ab. Die Region steht seither unter Zwangsverwaltung. Bei den Gewerkschaften stieß der Demoaufruf aber teilweise auf Unmut. Einzelne Fach-, Orts- und Landesverbände sehen darin eine Unterordnung ihrer Gewerkschaften unter den Nationalismus in Katalonien. „In Madrid arbeiten wir nur für die Verteidigung der Rechte der Arbeiter und nicht für politische Ziele. (…) Wir sind gegen die Benutzung unserer Initialen für territoriale politische Fragen“, heißt es in einem Kommuniqué des hauptstädtischen Landesverbandes der UGT. Vereinzelt kam es zu Austritten“ – woran nur auffallend wäre, dass dies das erste Mal seit Jahren (Jahrzehnten?) ist, dass jemand die UGT als sozialistisch bezeichnet.
  • „Francisco Franco-Stiftung: die Lobby, die den Diktator lobt und die Justiz gegen das historische Gedächtnis verwendet“ am 09. April 2018 beim Solidaritätskomitee Katalonien externer Link ist die Übersetzung eines Beitrags von Juan Miguel Baquero bei El Diario über die (staatliche geförderte) Stiftung, in dem unter anderem darauf verwiesen wird: „Franco hat keine Menschen erschossen“, sagt ein Sprecher der Franco-Gesellschaft im Fernsehen. Weil der Staatsstreich eine Art und Weise war, gegen diese Tyrannei [die Republik] zu rebellieren, die auferlegt werden sollte“. Und „Franco war die Antithese zu Hitler“, verteidigt die Stiftung in einer Stellungnahme. Die Apologie des Staatsstreichs, des Bürgerkrieges und der Repression Francos liegt in der DNA der Franco-Stiftung. Es gibt keinen anderen Weg, den spanischen Diktator und seinen genozidalen und korrupten Schatten zu „verherrlichen“. Der einzige Weg für die FNFF ist zu versuchen, Francos „historisches Gedächtnis“, die epische – oder zumindest äquidistante – Darstellung der bewaffneten Verschwörung der Oligarchien gegen die spanische republikanische Regierung zu verewigen.Und um mit der Rede weiter zu machen, wird ein komplettes Repertoire verwendet. Wie der lapidare Satz, womit man das Ende des Krieges in Spanien feiert: „An diesem Tag wird die Rote Armee gefangen genommen und entwaffnet … Wir vergessen nicht“. Oder das Jubeln des 18. Juli als „Tag des Mutes, des Glaubens, des Courages und der Furchtlosigkeit“. Auch in der „TDT-Party‘ [Zusammensetzung von ultrakonservativen Fernsehsender im digitalen terrestrischen Fernseher (DVB-T)]. Darüber hinaus kann die Franco-Stiftung Bankette als Hommage an den Diktator veranstalten und eine Liste der dem putschisten General gewidmeten Messen veröffentlichen. Genauso wie den ehemaligen Franco-Minister José Utrera Molina und die „Cara al sol“ [die faschistische Partei Falanges Hymne] verteidigen, die nach seiner Beerdigung von Falangisten gesungen wurde. Auch kann sie Lotterien mit den Endzahlen 36 und 39 (Datum des Beginns und des Endes des Bürgerkriegs) verkaufen, um Geld zu sammeln“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130636
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