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Italien: Erzwingt die Coronakrise mit verschärfter Erwerbslosigkeit und Prekarisierung die Verlängerung des Kündigungsverbots und der Kurzarbeit?

Dossier

Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) in Italien gegen Prekarisierung durch die Corona-Krise„Verlängerung des Kündigungsverbots und der Kurzarbeit vorgesehen“ titelte Maurizio C. am 24.7.2020 eine Nachricht an LabourNet: „Arbeitministerin Nunzia Catalfo hat gestern während eines Treffens mit den drei grossen Gewerkschaftsverbänden Cgil, Cisl und Uil die Massnahmen für die Arbeit des nächsten Dekretes besprochen, für das die Regierung 25 Milliarden Euro vorsieht. Geplant ist die Verlängerung des Kündigungsverbotes bis Ende Jahr 2020. Zudem soll die Kuzzarbeit um weitere 18 Wochen verlängert werden; alternativ dazu sollen Unternehmen, die die Arbeiter*innen wieder zurück zur Arbeit rufen, während dieser Zeit von der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge befreit werden. Es ist noch unklar, ob weiterhin alle Unternehmen Kurzarbeit beantragen dürfen oder nur diejenigen Unternehmen, die während der Corona-Krise einen Umsatzeinbruch von mindestens 20% hatten. Bis heute wurden 2.1 Milliarden Stunden Kurarbeit bewilligt, es handelt sich dabei um einen historischen Rekord. Die politische Diskussion um die Massnahmen zur „Rettung der Arbeit“ findet in einem äusserst düsteren Kontext statt. Gestern hat das nationale Sozialversicherungsamt Inps die Statistiken zu den Zeitverträgen publiziert. In den ersten vier Monaten des Jahres 2020 sind im Vergleich zum Vorjahr die Anstellungen über befristete Verträge um 39% gesunken. Im Monat April – inmitten des Lockdowns – fiel die Zahl um 83%. Gesamthaft sind 499.000 Arbeitsverhältnisse davon betroffen. Was die Statistiken zudem entpuppen: Diese Tendenz wurde schon in den Monaten vor dem Ausbruch der Pandemie beobachtet. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die italienische Wirtschaft allgemein auf Prekarität basiert – und dass die Krisendynamiken schon seit längerem eingesetzt haben.“ Siehe weitere Meldungen zur aktuellen Lage in Italien:

  • Trotz Arbeit arm. Italienische Regierung präsentiert Bericht zur Bekämpfung prekärer Jobs. Gewerkschaften kritisieren Maßnahmen als zu schwach New
    Trotz einer sich seit Beginn der Pandemie verschärfenden Lage: Beim Thema Armut hat Italiens Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi bisher so gut wie nichts getan. Nun präsentierte am Donnerstag in Rom Arbeitsminister Andrea Orlando einen Bericht darüber, wie sein Ministerium bis 2023 die Arbeitsarmut bekämpfen will. Die Vorschläge wurden von einem dafür zusammengestellten Forschungsteam erarbeitet. Als Grundlage dienten 2019 veröffentlichte Zahlen von Eurostat, die ernüchternde Schlüsse ziehen lassen: Mehr als jeder zehnte italienische Erwerbstätige (11,8 Prozent) lebte bereits vor dem Beginn der Coronapandemie unterhalb der Armutsgrenze. (…) Um die Zahlen besser einordnen zu können, verweist das Arbeitsministerium auf den Anstieg in den vergangenen 15 Jahren. So lag 2006 die Zahl der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Italiener noch bei 9,4 Prozent. Die Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor, jedoch ist, unter anderem aufgrund der Coronapandemie, wohl keine Verbesserung der Lage zu erwarten – im Gegenteil.
    Um der Situation in absehbarer Zeit entgegenzusteuern, stehen Orlando nun zwei Optionen zur Verfügung: die Einführung eines Mindestlohns oder eine Erweiterung der Kollektivverträge für alle Erwerbstätigen. Italien ist nämlich eines der sechs EU-Länder, in denen die Löhne nicht durch ein Mindestlohngesetz geregelt sind, sondern anhand von Tarifverträgen, die zwischen den Unternehmen und den jeweiligen Gewerkschaften verhandelt werden. (…)
    Dass die nicht steigenden Gehälter bei einer wachsenden Inflationsrate zu solch prekären Umständen führe, liege auch an den sogenannten Piratenverträgen, die Unternehmen in den vergangenen Jahren zugute kamen. Dabei geht es um Verträge, die ohne Beteiligung der großen Gewerkschaften ausgehandelt wurden und somit – auch angesichts des fehlenden Mindestlohngesetzes – viel geringere Tarife vorsehen. Laut einer Untersuchung der Tageszeitung Il ­Fatto Quotidiano vom Oktober 2021 verdienen Erwerbstätige, die über solche Arbeitsverträge verfügen, teilweise nur ein Drittel des Gehalts der Kollegen, die dieselbe Arbeit in einem Betrieb leisten, in dem ein Tarifvertrag mit einer der großen Gewerkschaft abgeschlossen wurde.
    Ein anderer Vorschlag des Berichts sieht vor, diese Piratenverträge weitestgehend auszuschalten. Dafür sollen laut Ministerium weitere Initiativen ergriffen werden, »um Unternehmen anzuregen, angemessenere Gehälter auszuzahlen«. Als Beispiel werden dann ein Credit-Score sowie ein »Name-and-Shame-System« für Unternehmen genannt, die das Verhältnis zwischen Konzern und Belegschaft bewerten sollen.
    Dass die Vorschläge bei Gewerkschaften vergangene Woche mit großer Skepsis aufgenommen wurden, ist nicht überraschend. Ob Orlando es bei solch schwachen Maßnahmen mit der Bekämpfung der Arbeitsarmut im Land ernst meint, kann bezweifelt werden.“ Artikel von Alex Favalli in der jungen Welt vom 24.01.2022 externer Link
  • In den Unternehmen Italiens herrscht totale Willkür: Entlassungen per Whatsapp-Nachricht 
    Seit der Aufhebung des Entlassungsstopps in der Corona-Krise Ende Juni 2021 erreichen uns täglich Nachrichten von Betriebsschließungen und Massenentlassungen – eine haarsträubender als die andere. Am Freitag Abend 30. Juli erhielten 90 Arbeiter*innen der Logista (Tabak-Vertrieb) in Bologna per Whatsapp-Nachricht ihre Entlassung auf den 2. August – innerhalb von 36 Stunden. Das Unternehmen will die Tätigkeit auf die restlichen Verteilzentren Italiens verschieben.“ Kurzmeldung von Maurizio Coppola vom 2.8.2021
  • GKN schliesst den Betrieb bei Florenz und setzt 450 Familien auf die Strasse 
    GKN, ein britisches multinationales Unternehmen, das Achswellen für mehrere Automobilhersteller produziert, hat heute Freitag, den 9. Juli 2021 die Arbeiter*innen über die sofortige Schliessung des Standorts Campi Bisenzio in der Provinz Florenz informiert. 450 Arbeiter*innen verlieren somit von einem Tag auf den anderen ihren Job. Die Kommunikation über die Betriebsschliessung erfolgte über eine interne E-Mail an die Arbeiter*innen; die Öffentlichkeit konnte in einem Facebook-Post der Metallarbeiter*innengewerkschaft FIOM darüber lesen.
    Die Arbeiter*innen von GKN von Campi Bisenzio hatten im Jahr 2016 einen vorbildlichen Arbeitskampf geführt: Zum Zeitpunkt der Einführung der Arbeitsmarktreform „Jobs Act“ der damaligen Regierung von Matteo Renzi (damals noch in der Demokratischen Partei PD) konnten sie im Betrieb die Einhaltung des Artikels 18 des Arbeitsgesetzes erkämpfen. Der „Jobs Act“ sieht vor, dass auch ohne triftige Gründe Arbeiter*innen entlassen werden können (Stichwort Flexibilisierung), Artikel 18 hingegen stellte einen starken Kündigungsschutz dar.
    Die Massenentlassung bei GKN ist ein weiterer Fall von Kündigungen, die unmittelbar nach Abschluss der Vereinbarung zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmensverband Confindustria Ende Juni 2021 erfolgt. Die Vereinbarung hat das covid-krisenbedingte Entlassungsverbot aufgehoben, das im März 2020 per Regierungsdekret eingeführt wurde; die drei Parteien hatten bei Unterzeichnung der Vereinbarung noch kommuniziert, dass diese keine Entlassungswelle auslöse, da die Unternehmen ihre „soziale Verantwortung“ respektieren würden. Die Realität erzählt uns nun aber eine andere Geschichte.Beitrag von Maurizio Coppola vom 9.7.2021 – wir danken! Siehe auch seinen Tweet dazu externer Link
  • Mit der Aufhebung des Covid-Entlassungsverbots kommen die ersten Entlassungen 
    Irgendwie ahnten es alle, doch die Gewerkschaften wollten nicht wirklich an die „bösen Absichten“ der Arbeitgebenden glauben: Am 1. Juli ist das an die Corona-Krise gebundene Entlassungsverbot aufgehoben worden – und sogleich wurden die ersten Entlassungen ausgesprochen.
    Ein Schritt zurück: Zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 wurde per Dekret ein Entlassungsverbot für alle Unternehmen eingeführt; der Zugang zur Kurzarbeit wurde so ausgeweitet, dass der Staat die Lohnfortzahlung trotz Arbeitsstopp für die ganze Krisenzeit garantierte. Dieser Entlassungsstopp wurde nach und nach verlängert, obwohl der Arbeitgebenden-Verband Confindustria Druck auf die Regierungen ausübte, um ihn im Namen der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ aufzuheben.
    Die Gewerkschaften hingegen machten sich stets für die Weiterführung dieses Entlassungsstopps stark. Diese richtige Haltung wurde aber in keiner Weise von starken politischen Vorschlägen begleitet, die eine zukünftige Entlassungswelle verhindern könnte. Im Gegenteil: Gutgläubig wurde auf die „guten Absichten“ der Arbeitgebenden gehofft.
    So kam es in den letzten Wochen zu einem Abkommen zwischen der Regierung von Mario Draghi, Confindustria und den drei grossen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL: Das Entlassungsverbot wird ab dem 1. Juli aufgehoben, hingegen wird die Kurzarbeit um weitere 13 Wochen verlängert, ohne dass die Unternehmen besondere Bedingungen respektieren müssen. Damit sollten Entlassungen verhindert und die Unternehmen „aus der Krise begleitet werden“, wie die Gewerkschaften erklärten.Die ersten News von individuellen Entlassungen wurden jedoch gleichtags angekündigt, die erste Massenentlassung und Betriebsschliessung ereigneten sich dann am Wochenende: Das traditionelle Unternehmen Gianetti – Produktion von Auto- und Motorrad-Felgen in der Brianza (nördlich von Milano) – kommunizierte per Mail nach Schichtende am Samstag 3. Juli die Kündigung der 153 Arbeiter*innen. Das Unternehmen befand sich aber alles andere als in der Krise, die Arbeiter*innen machten seit Wochen Überstunden. Trotzdem gibt es nun keine gesetzliche Grundlage, um diese Entlassungen rückgängig zu machen.
    Ironie des Schicksals: Das Unternehmen Gianetti gehört dem lombardischen Arbeitgebenden-Verband Assolombarda an, der bis vor der Corona-Krise von Carlo Bonomi geführt wurde, der wiederum im März 2020 zum Präsidenten von Confindustria gekrönt wurde. Er hat sich stets für die Aufhebung des Entlassungsverbots eingesetzt.
    Die 153 Arbeiter*innen und ihre Familienmitglieder haben gleichentags eine ständige Besetzung des Fabrikareals begonnen. Sie fordern den Rückzug der Massenentlassung und der Betriebsschliessung. Um diese Forderungen heute jedoch durchsetzen zu können, reicht es nicht, auf die „guten Absichten“ des Unternehmens, der Regierung oder der Gewerkschaften zu hoffen. Es braucht radikale Kampfformen und eine landesweite Vernetzung aller kämpfenden Belegschaften.“ Beitrag von Maurizio C. vom 6.7.2021 – wir danken!
  • Italien und ein Jahr Corona-Krise: Kündigen, um anstellen zu können? 
    Ein Jahr Corona-Krise: Am 9. März 2020 sprach der damalige Premierminister Giuseppe Conte zur Nation und kündigte aus Gründen der kollektiven Gesundheit „die totale Schliessung des Landes“ an, ohne dabei „gegen andere Interessen des Landes zu verstossen“. Die italienische Regierung entschied einen landesweiten Lockdown, zwei Tage bevor die Weltgesundheitsorganisation WHO am 11. März 2020 die globale Pandemie ausrief. Nach einem Jahr ist die Bilanz beeindruckend: Über 100.000 offizielle Corona-Opfer (knapp ein Fünftel aller Corona-Toten Europas) und über 3 Millionen Erkrankungen. Die Expert*innen warnen heute vor einer neuen Krisensituation: Die Zahl der Menschen in den Intensivtherapien steigt wieder rasant an und in zahlreichen Regionen befinden sich die Stationen in einer kritischen Lage. Für die Wochen vor den Osterfesttagen ist daher der Übergang der ganzen Halbinsel in die rote Zone geplant.
    Der Unternehmensverband hat derweil andere Probleme: Kündigen, um anstellen zu können? Der Präsident des Unternehmensverbandes Confindustria, Carlo Bonomi, hat das Vorhaben von Mario Draghi, das Entlassungsverbot bis auf Ende Juni 2021 zu verlängern, scharf kritisiert. Der Enlassungsstopp hätte sich in einen Einstellungsstopp verwandelt. Dem orwellschen Neusprech folgend, behauptet Bonomi: „Sobald ein Personalabbau möglich sein wird, werden die Unternehmen auch in der Lage sein, neues Personal flexibel anzustellen.“ Ganz im Sinne „Krieg führen, um den Frieden zu erlangen“?“ Info von Maurizio C. vom 10.3.2021 – wir danken!
  • Mario Draghi trifft „Sozialpartner“ – eine neue Ära des italienischen Korporatismus?
    Die Arbeiten rund um den Aufbau der neuen italienischen Regierung laufen auf Hochturen. Gestern hat der voraussichtlich zukünftige Premierminister der neuen technischen Regierung und ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi die Vertreter*innen der Gewerkschaften und des Unternehmensverbandes Confindustria getroffen. Die drei grossen Gewerkschaften Cgil, Cisl und Uil haben noch einmal ihre Anliegen formuliert: Am 31. März 2021 wird das aufgrund der Corono-Pandemie eingeführte Entlassungsverbot aufgehoben, danach können Unternehmen wieder wie bisher Kündigungen aussprechen. Die Gewerkschaften fordern die Verlängerung des Entlassungsstoppes bis zum Ende der Corona-Krise und bis zur Definition eines neuen sozialstaatlichen Auffangsystems gegen Erwerbslosigkeit und Armut. Für den Unternehmensverband Confindustria ist die Weiterführung des Entlassungsverbotes keine Option. „Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie müssen die Unternehmen Restrukturierungen vollziehen können“, sagte Carlo Bonomi, Präsident von Confindustria. Hinter dem Euphemismus „Restrukturierung“ steckt das Ziel, die Arbeitskosten der Unternehmen zu reduzieren: zuerst über eine breite Entlassungswelle, vor allem in den sogenannten Zombieunternehmen, danach über Lohndruck bei Neuanstellungen.
    Die Vorsitzenden der Gewerkschaften – allen voran Maurizio Landini von der Cgil – haben sich aber auch zu weitern politischen Themen geäussert: Das Problem der Ferndidaktik und der Verlängerung des Schuljahres, die Verteilung der Gelder des Recovery Fund, die Reform des Steuersystems gehören immer wie mehr zum „politischen Programm“ der Gewerkschaften.
    Damit vollziehen sie einen weiteren Schritt in Richtung eines neuen italienischen Korporatismus, was schon seit Jahren der Wunsch von Landini ist: Die Gewerkschaften fungieren immer mehr als politische Partei, die im institutionellen Prozess integriert ist – ohne jedoch wirklich Einfluss darauf nehmen zu können. Denn dies hängt von der Organisations- und Mobilisierungsmacht der Arbeiter*innen ab, die wiederum abnimmt, je mehr die Gewerkschaften schlicht als Repräsentantinnen in den Institutionen handeln.“ Mitteilung vom 11.2.2021 von Maurizio C. – wir danken!
  • Mario Draghi’s Angriff auf die Arbeiter*innen ist schon vorgeplant
    Die Konsultationen zur Bildung einer neuen italienische Regierung laufen nun schon seit fünf Tagen und alles weist darauf hin, dass in den kommenden Stunden die neue technische Regierung um den ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi eingeweiht wird. Sein politisches Programm stellt offiziell alle zufrieden: Soziale Kohäsion, Rettung systemrelevanter Unternehmen (und nicht der Zombieunternehmen), Schaffung neuer Arbeit (und nicht Rettung veralteter Arbeitsstellen), Europaorientierung – das sind die Schlagworte, mit denen Draghi den „nationalen Konsens“ erlangen will.
    Tatsächlich haben sich alle parlamentarischen Parteien hinter Draghi gestellt, mit Ausnahme der rechtskonservativen, antieuropäischen Partei von Giorgio Meloni Fratelli d’Italia, die vehement vorgezogene Wahlen fordert. Sogar Lega-Chef Matteo Salvini hat eine politische Kehrtwende vollzogen und im Tausch garantierter Ministerposten der neuen Regierung seine Unterstützung zugesichert. Auch die Gewerkschaften, allen voran Maurizio Landini, Generalsekretär der CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro), haben sich für Mario Draghi ausgesprochen. Landini kommentiert in einem Interview mit der Tageszeitung La Repubblica die Option Draghi so: „Die Arbeit ist eine Priorität. Draghi kann uns aus der Prekrarität raushelfen.“ Welche Reformen sieht also Draghi „zur Stärkung der Arbeit“ vor? Vier Punkte sind hervorzuheben:
    1. Der bis zum 31. März gültige Entlassungsstopp wird je nach Sektor gelockert: in den Sektoren, in denen die Arbeiter*innen weniger organisiert sind, wird er voraussichtlich aufgehoben, mit drastischen Konsequenzen für die jetzt schon prekären Arbeiter*innen.

    2. Die Reform des sogenannten Grundeinkommens – eine Art Sozialhilfe für armutsbetroffene Menschen – wird dazu benutzt, um allgemein und vermehrt workfare Massnahmen einzuführen und die sozialstaatliche Armutsbekämpfung zu schwächen.
    3. Die Steuerreformen werden zum Ziel haben, die Progressivität zu lockern und den Kampf gegen Steuerhinterziehung zu stärken (sprich: die Reichen werden wengier Steuern zahlen, ohne diese hinterziehen zu müssen) und gleichzeitig die Steuerlast auf Einkommen und Vermögen zu verringern und diejenige auf den Konsum zu erhöhen.
    4. Bezüglich industriellen Beziehungen werden vor allem zwei Ziele verfolgt: die Stärkung der betrieblichen zuungunsten der Branchen-Tarifverträge und eine Politik der Lohnmässigung mit dem Argument, den „Standort Italien“ und somit die Exportorientierung der italienischen Wirtschaft zu stärken.
    Der strukturelle Angriff auf den Sozialstaat und auf die Organisationsmacht der Arbeiter*innen werden zunehmen. Bestätigen die grossen Gewerkschaften ihre Zusicherung für eine Draghi-Regierung, werden sie zwar vermehrt in die staatlichen Machstrukturen integriert, verlieren gleichzeitig aber Glaubwürdigkeit und Legitimität. Dies könnte neue Möglichkeiten eröffnen für konfliktorientierte Basisgewerkschaften und klassenorientierte linke Organisationen.“ Mitteilung vom 8.2.2021 von Maurizio C. – wir danken!
  • Italien: Das Spiel mit den Tarifverträgen – 10 Millionen Arbeiter*innen betroffen 
    Als die Gesundheitskrise im vergangenen Frühjahr in Italien eskalierte, übten die Bosse massiven Druck aus, damit die Produktion nicht stillgelegt wurde. Der Rubel musste rollen, auch wenn dies zur Folge hatte, dass die Arbeiter*innen zur Schlachtbank geschickt wurden und die Gesundheit in ganzen Regionen aufs Spiel gesetzt wurde. Bevor die Regierung schließlich am 22. März den Lockdown in der Industrie verfügte, hatte sich der Virus ungehindert ausbreiten können, nicht zuletzt infolge dieser unseligen Entscheidung. (…) Dieselben Bosse, die ihre Interessen in unverantwortlicher Weise über unsere Gesundheit gestellt haben, vor allem die in der Metallindustrie, wollen jetzt, dass wir die Rechnung durch Einsparungen und Lohnverzicht bezahlen. Dabei haben die Arbeiter*innen bereits zum großen Teil die Rechnung bezahlt, sei es durch Kurzarbeit („Cassa integrazione“, die im Durchschnitt nur etwas mehr als die Hälfte des Gehalts zahlt), sei es durch die Entlassung von Hunderttausenden prekär Beschäftigten. Die Confindustria (der 1910 gegründete italienische Industriellenverband) hat den Gewerkschaften offen den Krieg erklärt, und zwar ausgerechnet in der Person ihres im Mai neu gewählten Präsidenten Carlo Bonomi, vormals Industriellenboss in der Lombardei und damit Hauptverantwortlicher für die erzwungene Öffnung der Betriebe inmitten der Pandemie. Der neue Scharfmacher unter den Industriellen hat die landesweiten Tarifverträge direkt unter Beschuss genommen, die in Italien seit jeher das Hauptinstrument für die Festlegung der Löhne, aber auch der Arbeitsrechte, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sind (in Italien gibt es kein Gesetz über Mindestlöhne, faktisch werden die Mindestlöhne durch die landesweiten Tarifverträge festgelegt). (…) Jetzt ist es aber für alle Lohnabhängigen an der Zeit, mit der Confindustria abzurechnen, die die Einhaltung des „Pakts für die Fabrik“ über die Löhne fordert. Dabei geht es aber auch um die Grundlagen der Arbeitsbeziehungen und um die arbeitszeitbezogene Entlohnung, wobei sich die Unternehmer die von Covid verursachte Ausbreitung des „smartworking“ (im Notfall, d. h. ohne Regeln) und die daraus resultierende gefährliche Deregulierung der Arbeitsbedingungen zu Nutzen machen wollen. Von dieser Auseinandersetzung sind etwa 10 Millionen Beschäftigte betroffen, die sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor mitunter seit Jahren auf die Verlängerung ihrer nationalen Tarifverträge warten. Es steht also viel auf dem Spiel, und es geht nicht nur um die Löhne und Rechte von 10 Millionen Beschäftigten, sondern auch um die nationalen Tarifverträge als solche, und zwar in einer Situation, die wegen der Wirtschaftskrise, aber auch wegen der durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eingeschränkten Mobilisierungsfähigkeit und Gewerkschaftsarbeit sehr kompliziert ist (Betriebsversammlungen sind schwer zu organisieren). Zugleich verweigern sich auch immer mehr Unternehmen den Verhandlungen über betriebliche Tarifvereinbarungen. In einigen Branchen sind bereits Mobilisierungsmaßnahmen dagegen angekündigt worden, wobei der momentan wichtigste Konflikt in der Metallindustrie stattfindet. (…) Die Gewerkschaften haben einen „stato di agitazione“ (eine Mobilisierungsphase) ausgerufen (Verweigerung von Überstunden) und rufen für den 5. November zu einem vierstündigen Streik auf, der dort, wo die Bedingungen dies zulassen, auf acht Stunden verlängert werden kann. Es wird nicht leicht sein, eine kämpferische Stimmung zu schaffen, aber die „tute blu“ (die „Blaumänner“) kommen endlich einmal wieder in Bewegung…“ Artikel von Eliana Como am 03.11.2020 bei der der Internationalen Sozialistischen Organisation externer Link (ISO)
  • Noch vor dem Ende des Kündigungsverbotes in Italien: Aufgrund der Corona-Krise 470.000 Arbeitsplätze verloren – nationaler Mobilisierungstag am 18. September
    Die Zahlen des italienischen Statistikamtes Istat sind mehr als beunruhigend: Im zweiten Quartal 2020 gingen aufgrund der Corona-Krise 470.000 Arbeitsplätze im Vergleich zum ersten Quartal verloren; im Vergleich zum Vorjahr hingegen zählt der Arbeitsplatzverlust 841.000 Einheiten. Der Arbeitsplatzverlust trifft besonders befristete und selbständig Beschäftigte.
    Im Vergleich zum Vorjahr gingen 677.000 befristete Stellen verloren, das entspricht einem Rückang von 21.6%; für selbstständig Arbeitende hingegen zählt man einen Rückgang von 219.000 Stellen (-4.1%). Die Beschäftigungsquote nahm um 3.6% ab und liegt nun bei 15- bis 64-Jährige offizielle bei 57.6%. Die Zahl der Inaktiven – ohne Arbeit und nicht auf Stellensuche – nimmt weiterhin rasant zu, im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres um 5.5% und um 10% im Vergleich zum Vorjahr (total 14.183.000 Personen).
    Die Arbeitslosenquote bleibt zurzeit stabil bei 8.3% (2.057.000 Personen). Doch das Ende des Kündigungsverbotes nähert sich (16. November), für das letzte Quartal des Jahres wird ein weiterer massiver Zuwachs des Stellenverlusts erwartet. Diesbezüglich haben die drei Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL für den 18. September einen nationalen Mobilisierungstag mit Demonstrationen in verschiedenen Städten angekündigt.“ Meldung von Maurizio C. vom 12.9.2020 – wir danken!

  • Coming out der Unternehmer in Italien: Arbeiter sind viel zu verwöhnt – weg mit dem Epidemie-Kündigungsschutz und her mit noch mehr Geld für uns
    „… In den letzten Wochen hat die italienische Wirtschaftselite ihre Kampagne gegen die staatlichen Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung während der Corona-Krise intensiviert, insbesondere gegen das vorübergehende Verbot von Entlassungen, das erstmals während des Lockdowns verhängt wurde. Mit der Unterstützung von Journalisten, Ökonominnen und Kommentatoren im Rücken bemüht sich die Confindustria bei der kommenden »Umstrukturierung« der Maßnahmen um mehr Spielraum. Kurz gesagt: Die Kosten der Krise sollen auf Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgelegt werden. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die von der Regierung von Giuseppe Conte nach dem Ausbruch der Pandemie ergriffen wurden, war das Entlassungsverbot, um eine ansonsten drohende Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Dieser Schritt war wichtig, da Millionen von Italienerinnen und Italienern besorgt darüber waren, ob sie wegen der Begleitumstände der Pandemie in der Lage sein würden, finanziell über die Runden zu kommen. Ursprünglich sollte das Entlassungsverbot nur bis zum 31. August gelten, wurde aber in den letzten Tagen bis Ende Oktober verlängert. Tatsächlich geht es der italienischen Regierung jedoch nicht nur darum, für die Interessen der Beschäftigten einzustehen. Da die Maßnahme mit einem massiven Ausbau der Lohnausgleichskasse Cassa Integrazioni Guadagni (CIG) verbunden war, ging sie mit einer drastischen Senkung der Arbeitskosten für die Unternehmen einher; in der Tat hat der italienische Staat durch diesen »Fonds zur Lohnintegration« mehrere Milliarden Euro für die Auszahlung der Gehälter der Beschäftigten aufgewendet…“ – aus dem Beitrag „Entlassungsverbot in Italien: Arbeitgeberverein geht auf Angriff“ von Marta Fana am 02. September 2020 beim Jacobin Mag externer Link (in der Übersetzung von Astrid Zimmermann) über einen Unternehmerverband (und seine medialen Lakaien), der Farbe bekennt: Asozial, menschenfeindlich, profitgeil und unverschämt – im wahrsten Sine des Wortes „als Kind schon Scheiße“…
  • Die soziale Gewalt der Krise: Die Arbeitslosigkeit explodiert, die Prekarität breitet sich aus, die Armut steigt 
    Die Arbeitslosigkeit explodiert, die Prekarität breitet sich aus, die Armut steigt – so können die Resultate der gestern vom italienischen Statistikamt ISTAT publizierten Studie zur Beschäftigung in Italien zusammengefasst werden.
    Zwischen April und Juni dieses Jahres haben 600.000 Arbeiter*innen ihren Job verloren (459.000 Angestellte und 140.000 Selbständige); im Vergleich zum Vorjahr gingen 752.000 Stellen verloren. Zudem wächst die Zahl der „inaktiven“ – also derjenigen, die weder arbeiten noch auf Stellensuche sind – weiter an: 793.000 Personen im Februar 2020. Besonders von der Rezession betroffen sind U24-Jugendliche, Frauen, (Schein-)Selbständige und prekäre Leiharbeiter*innen. Auch die Zahl der „neuen Armen“ ist in den letzten Monaten gestiegen, es sind 2.1 Millionen Familien (rund 4 Mio. Perosnen) mit mindestens einem Mitglied, das unregelmässig arbeitet; dies entpricht 4.1% aller Familien, wobei ein Drittel ausländische Staatsangehörige sind. 
    Gestern gab die Europäische Zentralbank zudem bekannt, dass ohne die Ausweitung der Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit in Italien 25% erreicht hätte. Es ist nicht auszuschliessen, dass wenn Ende 2020 Kurzarbeit und Kündigungsverbot ans Ende kommen, dieses apokalyptische Szenario zur Realität wird.“ Nachricht an LabourNet von Maurizio C. am 31.7.2020 – wir danken!
  • Irgendwie nicht überraschend: 30% der italienischen Unternehmen haben unrechtmässig Kurzarbeit bezogen
  • „#ItalienNews. Bald weitere 1 Mio. Arbeiter wegen #Coronakrise ohne Job. Arbeitsministerin #Catalfo plant neues Massnahmepaket im Umfang von 25 Mrd. €. #Kurzarbeit und Kündigungsverbot bis Ende 2020 verlängert. Doch wichtig ist bekanntlich nicht der Fall, sondern die Landung…“ Tweet von Maurizio C. am 25.7.2020 externer Link
  • Amazon Italien verspricht neue Arbeitsplätze
    Vor 10 Jahren hat das Logistik- und Zustellunternehmen Amazon in Italien seinen ersten Betrieb eröffnet und ist seither nur gewachsen. Heute gehört Amazon zu den 50 bedeutendsten Unternehmen des Landes, seine Umsatzzahlen übertreffen diejenigen traditionsreicher Unternehmen wie Barilla und Mediaset. Nun hat Amazon im Verlaufe des Jahres 2020 1.600 neue unbefristete Stellen versprochen, so dass die Zahl der Beschäftigten italienweit 8.500 erreichen wird.
    Die Investitionen von Amazon in Italien beliefen sich 2019 auf 1.8 Milliarden €, wovon 168 Millionen für die Insfrastruktur eingesetzt wurden. Für dieses Jahr sind weitere 140 Millionen € für die Eröffnung des fünften und sechsten Verteilzentrums in Castelguglielmo-San Bellino (Venetien) und Colleferro (Lazio) vorgesehen. Im ersten Quartal 2020 stiegen die Verkaufszahlen von Amazon Italien um 26%; die Börsentitel an der Wall Street sind um 62% gestiegen.“ Nachricht an LabourNet von Maurizio C. am 21.7.2020
  • „#ItalienNews. #AmazonItalia verpricht 1600 neue Arbeitsplätze + die Eröffnung von 2 neuen Verteilzentren in den Regionen #Veneto und #Lazio. #LaRepubblica präsentiert #Amazon als Unternehmen mit #socialresponsibility. Wo bleibt die Stimme der Arbeiter zu den Arbeitsbedingungen?Tweet von Maurizio C. am 21.7.2020 externer Link
  • Italien: Weniger Arbeitstote, mehr Berufskrankheiten
    Im Laufe der letzten Woche hat das nationale Versicherungsamt gegen Arbeitsunfälle INAIL die definitiven Zahlen seiner Statistiken zu den Berufsunfällen und -krankheiten veröffentlicht. Die dem Amt eingetroffenen Anzeigen von Arbeitsunfällen haben für das Jahr 2019 die Zahl von 644.803 erreicht, was einer leichten Abnahme im Verlgeich zum Vorjahr bedeutet (-0.09%). Die angezeigten Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang belaufen sich auf 1.156, was einer Abnahme von 8.5% zum Vorjahr entspricht. Hingegen nahmen die gemeldeten Berufskrankheiten zu: im Jahr 2019 sind 61.201 Fälle eingetroffen, was einer Zunahme von 2.9% im Vergleich zum Vorjahr und einer Zunahme von mehr als 40% im Vergleich zu 2010 bedeutet. Hervorzuheben sind die über 1.500 gemeldeten Fälle von Asbesterkrankungen.“ Nachricht an LabourNet von Maurizio C. am 20.7.2020
  • „#ItalienNews. Zwei Arbeiter, 29 und 53 Jahre, sind heute auf einer Römer Baustelle vom Gerüst gestürzt und tödlich verunglückt. Gerade letzte Woche wurden die Zahlen der tödlichen Arbeitsunfälle im Jahr 2019 publiziert: 1.156! Wo bleiben die nötigen Sicherheitskontrollen?Tweet von Maurizio C. am 20.7.2020 externer Link
  • „#ItalienNews. Neuer #COVID19-Herd bei #TNT in #Bologna, 29 #Arbeiter*innen positiv getestet. Mit dem #Lockdown Auftragszunahme in der #Logistik (+86% im Monat Mai). Bei TNT wurde neues Personal eingestellt, ohne Anpassung der Sicherheitsmassnahmen. #profits vs. #GesundheitTweet von Maurizio C. am 11.7.2020 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176002
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