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[30. Juni 2017] Generalstreik in Brasilien: Die Messlatte liegt sehr hoch – der Generalstreik vom 28. April

30. Juni 2017 in Brasilien: „Streiks für demokratische Rechte“Der zweite Generalstreik 2017 in Brasilien, nach dem historischen Erfolg des ersten Generalstreiks am 28. April, war von den neun Gewerkschaftsverbänden gemeinsam beschlossen worden. Nun kann lange und fruchtlos darüber diskutiert werden, was wann ein Generalstreik ist – mit Sicherheit kann dazu nur gesagt werden, dass es gerade in der BRD bestimmt keine Experten in dieser Frage gibt. Aber: Die Radikalität der Gegenreform der ungewählten brasilianischen Regierung in Sozialversicherung und Arbeitsbedingungen  – trotz aller Unterschiede der Gesellschaften in Ausmaß und realer Bedeutung durchaus Hartz IV vergleichbar – hat am 28. April eine massive Antwort, nicht vor allem der Gewerkschaften, sondern vor allem der Bevölkerung erfahren. Seitdem aber haben sich auch in Brasilien die „Mitgestalter“ zu Wort gemeldet, was sich vor allem, aber nicht nur, in dem Treffen des zweit- und des drittgrößten Gewerkschaftsverbandes, FS und UGT, mit der Regierung zur „Diskussion der Reform“ wenige Tag vor dem beschlossenen Streik ausdrückte – und in dem gemeinsamen Aufruf, in dem das Wort Generalstreik nicht mehr vorkam. Was die Propagandamaschine der Unternehmerverbände sofort ausschlachtete. Währenddessen wird vielerorts an der Basis massiv mobilisiert – und die Regierung hilft mit ihrem provokativen Kurs dabei. Zur aktuellen Situation direkt vor dem Generalstreik (oder nicht) eine Materialsammlung vom 30. Juni 2017:

„30 de junho: confira onde serão os protestos em todo o país“ am 29. Juni 2017 bei Esquerda Online externer Link ist der aktuellste einer ganzen Reihe von Dokumentationen über die geplanten Aktivitäten und Streiks im ganzen Land, wobei der Schwerpunkt auf den jeweiligen Demonstrationen liegt und die berichteten beschlossenen Streiks vor allem im öffentlichen Dienst vorbereitet werden.

„Confira atos e paralisações que ocorrerão nesta sexta (30) em SP“ am 29. Juni 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist ein ebensolcher Überblick für den wirtschaftlich wichtigsten Bundesstaat Sao Paulo, in dem aber konkreter die (meistens) von den der Föderation im Bundesstaat  angeschlossenen Gewerkschaften beschlossenen Streiks berichtet werden. So werden in Sao Paulo Stadt die Metro bestreikt (die Gewerkschaft ist der CSP Conlutas angeschlossen), die Nahverkehrszüge, Banken, Krankenhäuser und Schulen (nicht aber: Die Metallindustrie, wo die Gewerkschaft von Sao Paulo Stadt, die dem Gewerkschaftsbund Força Sindical angehört, nicht zum Streikaufruft). Im Industriegürtel ABC streiken von den großen Gewerkschaften die der Chemieindustrie und die LehrerInnen der öffentlichen wie der privaten Schulen.

„Trabalhadores vão parar nesta sexta-feira (30)! Confira adesão à Greve Geral“ am 26. Juni 2017 bei der CSP Conlutas externer Link ist eine landesweite Dokumentation der bis dahin gefassten Streikbeschlüsse – zu einem Zeitpunkt, als noch einige entsprechende Vollversammlungen ausstanden – wobei eine nähere Betrachtung zeigt, dass es insbesondere dort viele Streikbeschlüsse gibt, wo jeweilige Landesregierungen den von der Bundesregierung eingeschlagenen Kurs besonders aktiv vertreten, was nicht nur, aber vor allem für den Bundesstaat Rio de Janeiro gilt. Der linke Verband gehört zu denen, die mit aller Kraft für einen Generalstreik mobilisieren, wofür auch, wie bereits am 28. April, Basiskomitees organisiert werden und die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen verstärkt.

„É GREVE GERAL em defesa da aposentadoria e direitos trabalhistas“ am 23. Juni 2017 beim Gewerkschaftsbund Intersindical externer Link ist eine Erklärung des linken Verbandes (nach dem Treffen der Verbände, in dessen Abschlusserklärung das Wort Generalstreik nicht mehr auftauchte), in dem die Notwendigkeit eines zweiten Generalstreiks unterstrichen wird und betont, die Föderation täte alles in ihren Kräften stehende dafür. Zu der sich ausbreitenden Debatte um „Neuwahlen oder Generalstreik“  wird in der Erklärung unterstrichen, es sei falsch, diese beiden Ziele gegeneinander zu stellen, schließlich sei die Absicht des Generalstreiks, die antidemokratischen Reformen eines von der Rechten dominierten korrupten Parlaments zu verhindern.

„Sergipe vai parar: trabalhadoras e trabalhadores aprovam Greve Geral nesta sexta-feira (30)“ am 29. Juni 2017 beim Gewerkschaftsbund CTB externer Link ist ein Beitrag über die Beschlüsse von mehr als 50 Einzelgewerkschaften aus dem (relativ kleinen) Bundesstaat Sergipe am 30. Juni zu streiken: Was den größten Streik in der Geschichte dieses Bundesstaates bedeutet. Insofern von landesweiter Bedeutung, als am 28. April gerade die Beteiligung in Branchen (Einzelhandel, Call Center) und Bundesstaaten (vor allem im Nordosten des Landes) die nicht zu den traditionellen „Hochburgen“ der Gewerkschaftsbewegung gehören für den historischen Erfolg entscheidend gewesen waren.

„Confira as cidades do Paraná com protestos marcados para esta sexta-feira (30)“ am 29. Juni 2017 bei Brasil de Fato externer Link ist ein Überblick über die Aktionslage im südlichen Bundesstaat Paraná, wo ebenfalls Branchen bestreikt werden sollen, die dies bisher nicht sehr oft getan haben, wie etwa in verschiedenen Städten die Müllabfuhr.[28. April 2017] Generalstreik in Brasilien

„Sindicato dos rodoviários de Porto Alegre boicota a greve e centrais preparam bloqueios nas garagens“ von Thiago Rodrigues am 29. Juni 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Beitrag über die Weigerung der Busfahrergewerkschaft von Porto Alegre, sich an dem Generalstreik zu beteiligen. Was zu einer wahren Welle von Protesten der Mitgliedschaft auf der Facebook-Seite dieses seltsamen Vereins geführt hat – und eines von einer ganzen Reihe von Beispielen, die konkret den Schluss nahe legen, dass es breite Teile der Beschäftigten quer durch alle Branchen und Gewerkschaften gibt, die durchaus für einen Generalstreik eintreten.

„DIA 30: Trabalhadores realizarão atos e manifestações“ am 27. Juni 2017 bei der Força Sindical externer Link ist die Pressemitteilung des zweitgrößten Gewerkschaftsbundes, in der bereits im Titel „Die Arbeiter werden Proteste und Kundgebungen durchführen“  deutlich wird, dass diese Föderation keine Mobilisierung zum Streik unternimmt – und so ist auch der ganze Text.

„Amanhã é dia de ato contra as reformas“ am 29. Juni 2017 bei der SMABC, der Metallgewerkschaft der CUT externer Link im Paulistaner Industriegürtel ist eine Mitteilung über die Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus in São Bernardo do Campo (das „B“ im ABC) und der Demonstration am Nachmittag in São Paulo Stadt. In anderen Beiträgen auf der Webseite der Gewerkschaft wird von Belegschaftsversammlungen berichtet, in den die Entschlossenheit der Arbeiterinnen und Arbeiter zum Widerstand gegen die sogenannten Reformen unterstrichen wird – nicht zuletzt aus einer ganzen Reihe bundesdeutscher Metall-Unternehmen – Streikbeschlüsse werden nicht berichtet.

„Centrais mudam o tom e já falam em ‚mobilização‘ ao invés de ‚greve geral’“ am 27. Juni 2017 beim Estado de São Paulo externer Link (aus welchem Zweck auch immer, hier dokumentiert bei der Força Sindical)  ist ein Beitrag, in dem ausführlich- und „genüsslich“ – nachgezeichnet wird, wie die Gewerkschaften das Thema „Generalstreik“ aus ihren Aktivitäten gestrichen haben – ähnliche Beiträge gab es auch in allen anderen wichtigen Medien, die Regierung und Unternehmerverbänden nahe stehen.

“Não podemos aceitar as negociatas das centrais: é urgente tomarmos a greve geral em nossas mãos” von Rafael Mouro am 28. Juni 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein exemplarischer Beitrag über die zahlreichen Aktionen und Aktivitäten, die von verschiedenen linken Gruppierungen und Strömungen innerhalb und außerhalb der Gewerkschaft unternommen werden, um den „Generalstreik in die eigenen Hände zu nehmen“, wie der Slogan oftmals heißt. Darin wird insbesondere das Vorgehen von FS und UGT heftig kritisiert statt irgendwelche Mobilisierungen zu organisieren mit der Regierung zu verhandeln, aber auch diverse konkrete Beschlüsse der CUT in dieselbe Richtung sind Gegenstand der Kritik, wobei insbesondere darauf verwiesen wird, dass die Zahl der betrieblichen Vollversammlungen – im Vergleich zu den Tagen und Wochen vor dem 28. April – deutlich kleiner sei, was erst recht die Organisation von Basis-Komitees nötig mache.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=118203
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