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Das Militär-Regime Algeriens setzt auf Coronakrise zur Beendigung der Proteste. Erfolgsaussichten: Gering

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im Shitstorm„,… Verhaftet worden war Drareni im Zuge der Freitagsproteste schon unzählige Male, konnte die jeweilige Polizeiwache jedoch immer nach wenigen Stunden wieder verlassen, ohne von der Justiz belangt worden zu sein. Bis Anfang März, als er mehrere Tage in Gewahrsam verbrachte, bis ein Gericht eine richterliche Überprüfung gegen ihn anordnete. Selbige Kammer erließ nun in der vergangenen Woche den Haftbefehl gegen den jungen Journalisten. In einem von RSF, der »Algerischen Menschenrechtsliga« (LADDH) und rund 200 algerischen Reportern unterzeichneten Appell werden die sofortige Freilassung Drarenis und das Fallenlassen sämtlicher Anklagepunkte gefordert. Er ist dabei nicht der einzige Journalist, der wegen seiner Berichterstattung über die Protestbewegung inhaftiert ist. Mindestens drei weitere Pressevertreter sitzen derzeit hinter Schloss und Riegel. Drarenis Verhaftung ist derweil nicht der einzige Vorstoß von Regime und Justiz gegen der Protestbewegung nahestehende Personen. Vor einer Woche hatte ein Gericht in Algier den Chef der Linkspartei »Demokratisch-Soziale Union« (UDS), Karim Tabbou, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Der Prozess hatte auch international für Entrüstung gesorgt, weil die Anhörung nicht angekündigt worden war und in Abwesenheit von Tabbous Anwälten begann. Auch die Menschenrechtsorganisation »Amnesty International« und Abgeordnete des EU-Parlaments kritisierten das Urteil. Seit die Protestbewegung Mitte März ihre allwöchentlichen Demonstrationen eingestellt hatte, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, intensiviert nicht nur die Justiz ihr Vorgehen gegen den Hirak, sondern auch die Juristische Polizei (PJ) – eine der einflussreichsten Innenbehörden im Land. Diese weitet seither ihre Ermittlungen gegen die Bewegung stark aus...“ – aus dem Beitrag „Repressalien trotz Coronakrise“ von Sofian Philip Naceur am 01. April 2020 in der jungen welt externer Link über die Offensive des Regimes „im Schatten der Seuche“. Siehe dazu auch ein Interview, das deutlich macht, dass die Demokratiebewegung keineswegs daran denkt, aufzuhören…

  • „»Ungeduld ist konterrevolutionär«“ am 02. April 2020 in neues deutschland online externer Link ist ein Gespräch von Claudia Altmann mit Sid Ahmed Semiane über den Wandel der algerischen Protestbewegung unter CoVid-19. Darin führt er unter anderem aus: „… Ich habe eine Geste guten Willens erwartet, einen Schimmer von Menschlichkeit. Aber nein, im Gegenteil: Man hat es vorgezogen, sich noch wilder zu gebärden und die Muskeln spielen zu lassen. Die Haft für einen politisch integren Mann wie den Politiker Karim Tabbou völlig rechtswidrig um ein Jahr zu verlängern, ist niederträchtig. Tabbous Gesundheitszustand ist besorgniserregend. Während des Prozesses hatte er einen Schwächeanfall. Dennoch wurde der Prozess ohne ihn und ohne seine Anwälte einfach durchgezogen. Das ist ein Justizskandal. Khaled Drareni, einen jungen brillanten Journalisten, werfen sie einfach so ins Gefängnis, nachdem sie ihn wie einen Schwerkriminellen von einer Polizeistation zur anderen geschleppt haben. Sie verweigern die Freilassung anderer politischer Gefangener, anderer Journalisten, die sie willkürlich weiter gefangen halten. Dieses Regime ist nicht nur politisch illegitim, sondern auch moralisch unverantwortlich. (…) Mehr als ein Jahr lang haben wir demonstriert und unseren Kampf auf die Straßen im ganzen Land gebracht. Das ist eine bisher nie da gewesene Bewegung, weder hier noch woanders. Aber angesichts der Gefahr dieser Epidemie hat sich das Verantwortungsbewusstsein durchgesetzt. Das ist keine Niederlage, kein Ausweichmanöver. Das ist eine staatsbürgerliche Antwort und eine hoch politische Geste einer Bewegung, die weiß, was und wohin sie will. Sie hat ein klares Projekt trotz einiger verdrossener Stimmen, die unermüdlich versuchen, sie auf ein zukunftsloses Geschnatter zu reduzieren. Von den Machthabern sehen wir nur, dass sie in dieser absolut ernsten Lage die Ruhepause der Bürgerinnen und Bürger schamlos ausnutzt. Anstatt beruhigender Maßnahmen, anstatt die wegen ihrer Meinungsäußerung Inhaftierten freizulassen, macht sie genau das Gegenteil. Das ist völlig unannehmbar...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=169160
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