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Erneut massive Polizeirepression gegen Proteste in Äthiopien, mit Todesopfern: Es geht um Landrechte

Demonstration in Addis Abeba am 8.82016Oppositionsparteien sprachen am Montag von 33 namentlich bekannten Todesopfern. In sozialen Netzwerken kursieren Fotos, die Massenproteste in der nördlichen Stadt Gondar und der Hauptstadt Addis Abeba zeigen sollen. Am Montag sollten die ersten Toten zu Grabe getragen werden, was Anlass für neue Proteste sein dürfte. Schon seit zwei Jahren sorgt ein Plan der Regierung, den Verwaltungsbezirk der Hauptstadt Addis Abeba weit ins Umland auszudehnen, um Platz für die Entwicklung einer der am schnellsten wachsenden Boomstädte Afrikas zu machen, für Unmut. Das würde nämlich bedeuten, 150.000 Kleinbauern umzusiedeln und viel Farmland einzugemeinden, das bisher zur Oromo-Region Äthiopiens gehört“ – aus dem Artikel „Stilles Land in Aufruhr“ von Dominic Johnson am 09. August 2016 in der taz externer Link, worin noch ausgeführt wird: „Äthiopien ist in ethnisch definierte Provinzen aufgeteilt, und Addis Abeba liegt im Hochland mitten in der zentralen Region der größten äthiopischen Volksgruppe der Oromo. Die fühlt sich politisch gegenüber der herrschenden Elite aus der Nordprovinz Tigray marginalisiert. Legale Politik in Äthiopien ist nur im Umfeld der „Revolutionären Demokratischen Front der äthiopischen Völker“ (EPRDF) möglich, deren Kern die Führung der ehemaligen Guerillabewegung „Tigray-Volksbefreiungsfront“ (TPLF) bildet. Die TPLF hatte 1991 als Rebellenarmee die vorherige Militärdiktatur gestürzt und regiert seither mit harter Hand, gekoppelt mit einem hohen Wirtschaftswachstum, das die Armut in Äthiopien stark reduziert hat“. Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung „Kampf um Land in Äthiopien“ vom 11. August 2016:

„Kampf um Land in Äthiopien“

  • „Dutzende Demonstranten in Äthiopien getötet“ am 10. August 2016 in neues deutschland externer Link ist eine Meldung über die jüngsten Auseinandersetzungen, worin es unter anderem heißt: „Die Gebietsreform trifft vor allem die Oromo-Bauern im Umkreis der Hauptstadt. Zehntausende fürchten ihre Vertreibung aufgrund der neuen Siedlungs- und Investitionsprojekte. Viele haben bereits ihren Lebensunterhalt verloren, nachdem in den vergangenen Jahren gezielt Farmen für den Export von Rosen nach Europa angelegt wurden. Die Oromo-Bauern haben normalerweise keine Mitsprache an den Entwicklungsprojekten der Regierung. Kritiker warnen, dass die Souveränität der Gemeinden bedroht ist
  • „Wem gehört der Fluss?“ von Habib Ayeb am 09. Mai 2013 in Le Monde Diplomatique externer Link ist ein Artikel über den (inzwischen sehr weit gediehenen) Bau des Renaissance Staudamms und den daraus entstehenden regionalen politischen Implikationen, worin es unter anderem heißt: „Die Warnung aus Kairo erfolgte auf die Entscheidung der äthiopischen Regierung, das Wasser des Blauen Nils durch den Bau der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre aufzustauen. Diese Reaktion verdeutlicht die in Ägypten herrschende Überzeugung, die Existenz des ganzen Landes hänge vom Nilwasser ab. „Äthiopien lässt sich von Ägyptens Psychokrieg nicht einschüchtern!“, erklärte tags darauf die Sprecherin des äthiopischen Außenministers. „Der Bau der Talsperre wird für keine Sekunde unterbrochen“, versicherte Dina Mufti. Die Vorstellung, dass Ägypten ein historisches Anrecht auf das Wasser des Nils habe, nannte sie völlig abwegig, in Wahrheit handele es sich um „illegitime Rechte aus der Kolonialzeit“.  In der Vergangenheit wurde Äthiopien lange verachtet, seine Interessen ignoriert. Jetzt will das Land seine Sicht der Dinge durchsetzen. Und zwar vor allem bei der Neuverteilung des kostbaren Wassers, denn nicht weniger als 80 Prozent der Nilzuflüsse entspringen auf äthiopischem Territorium
  • „Ethiopia’s Bloody Crackdown on Peaceful Dissent“ am 20. Juni 2016 bei Afrique en luttes externer Link dokumentiert ist ein Interview von HRW mit dem Sozialwissenschaftler Felix Horne über die Proteste, wie sie sich seit November 2015 entwickeln und den „Masterplan“ für Addis Abeba, der der bekämpften Landnahme zugrunde liegt, auch wenn er inzwischen offiziell „beerdigt“ wurde, werden seine Ziele weiter verfolgt. Dabei wird deutlich, dass nicht Wenige der jetzt von Umsiedlungsmaßnahmen betroffenen Menschen früher schon zwangsumgesiedelt worden waren
  • „Partner mit blutigen Händen“ von Dominic Johnson am 10. August 2016 in der taz externer Link ist ein Kommentar zu den Beziehungen der BRD zum Regime in Äthiopien, worin unterstrichen wird: „Vor allem hat die stolze Regierung aus ehemaligen Befreiungskämpfern, die Äthiopien seit 1991 regiert, eindeutiger als jedes andere afrikanische Land den chinesischen Weg eingeschlagen: rasante ökonomische Modernisierung, aber keinerlei politischen Freiräume. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Es vergeht kaum ein Jahr ohne zweistelliges Wirtschaftswachstum, das mittlerweile knapp 100 Millionen Einwohner zählende Land ist im Begriff, in aller Stille ein afrikanischer Riese zu werden“.  Und: „Für die internationale Gemeinschaft ist das straff und effizient regierte Äthiopien, strategisch in der Mitte zwischen dem Chaos von Somalia und Südsudan gelegen und zuverlässiger als der noch repressivere nördliche Nachbar Eritrea, der ideale Partner bei der Suche nach Stabilität – also beim Zurückdrängen des islamistischen Terrors in Zusammenarbeit mit den USA, beim Eindämmen von Flucht- und Wanderbewegungen in Kooperation mit der EU, bei der Konfliktlösung in Afrika in seiner Rolle als Gastgeber des Sitzes der Afrikanischen Union
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=102662
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