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Updated: 18.12.2012 15:51
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GewerkschafterInnen für ein anderes Europa

Dieser Aufruf wurde auf dem ESF in London erstellt. Unterschriften werden in ganz Europa gesammelt und sind zu richten an die untenstehenden Kontaktadresse. Deutlicher als der Aufruf der Versammlung der sozialen Bewegungen fordert er überall zu Volksentscheiden gegen die EU-Verfassung auf.

Als GewerkschafterInnen wissen wir, dass wir Europa brauchen angesichts der liberalen Globalisierung und der multinationalen Konzerne. Aber das Europa, das wir brauchen, ist nicht das, was heute aufgebaut wird.

Die „Verfassung“, die von den Staats- und Regierungschefs am 18.Juni 2004 angenommen wurde, stellt detailliert politische, wirtschaftliche und soziale Weichen, die Gegenstand einer regulären demokratischen Debatte sein sollten. Alle diese sehr präzisen und zwingenden Festlegungen weisen in eine Richtung: die Vorherrschaft des Marktes, die Handlungsfreiheit des Kapitals und der multinationalen Konzerne. An der Frontseite dieses Gebäudes steht in Stein gemeißelt das Gründungsprinzip der Europäischen Union: „die offene Marktwirtschaft mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“.

Dieses Ziel, das Herzstück der europäischen Verträge, treibt die Angriffe gegen die sozialen Sicherungssysteme voran, drängt zur Verlängerung der Arbeitszeit und zu ihrer Flexibilisierung, und ermuntert zur sozialen Regression in allen Mitgliedstaaten der EU. Die Rechte der Erwerbslosen und der abhängig Beschäftigten werden in Frage gestellt – das zeigt sich wieder in dem Entwurf für eine neue Richtlinie zur Höchstarbeitszeit. Erwerbslosigkeit und prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse nehmen unter dem Druck der liberalen Wirtschaftspolitiken zu.

Dieser Grundsatz steht auch Pate bei den Öffnungen der öffentlichen Dienste für
den Wettbewerb und für Privatisierungen – trotz aller wohlklingenden Absichtserklärungen. Er fördert Produktionsverlagerungen und Sozialdumping gemäß den Vorgaben der Bolkesteinrichtlinie über die Privatisierung von Dienstleistungen.

Die Grundrechtecharta ist in den Verfassungsvertrag integriert worden. Sie schafft aber kein europäisches Sozialrecht, das ein Gegengewicht zum Recht auf Wettbewerb bilden würde; letzteres bleibt faktisch das einzige wirkliche Gemeinschaftsrecht. Andererseits ist die Grundrechtecharta selbst in einer Reihe von Passagen unakzeptabel: Sie ersetzt das Recht auf Arbeit durch das Recht zu arbeiten, sie kennt kein europäisches Streikrecht und verweigert denen, die sich in Europa niedergelassen haben und nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaats besitzen, gleiche Rechte.

Wenn dieser Text ratifiziert wird, wird in Zukunft die Zustimmung von 25 Mitgliedstaaten notwendig sein, um ihn zu verändern – das ist praktisch unmöglich. So werden nicht nur wirtschaftspolitische Entscheidungen, sondern auch jeglicher soziale Fortschritt einer öffentlichen Debatte und demokratischen Entscheidung entzogen; die Verbesserung der Grundrechtecharta wird zu einem Trugbild.

Der Verzicht auf Souveränität geschieht zu Gunsten unabhängiger Gremien wie der EU-Kommission oder der Europäischen Zentralbank, deren einzige Aufgabe die Wahrung der Preisstabilität und die Verhängung von Ausgabensperren bei Sozialleistungen, Löhnen, der Schaffung von Arbeitsplätzen und im öffentlichen Dienst ist. Dieses Europa wird ohne Beteiligung der Völker in undurchsichtigen Verhandlungen zwischen den Regierungen aufgebaut.

Das liberale Europa stellt eine große Bedrohung für die europäische Idee selbst dar. Es begünstigt auf gefährliche Weise den Aufschwung reaktionärer Populisten, einer nationalistischen Rechten und einer fremdenfeindlichen extremen Rechten.

Es ist dringend nötig, Europa neue Grundlagen zu geben, die vom räuberischen Finanzliberalismus befreit sind und von sozialem Fortschritt, Frieden, Demokratie, nachhaltiger Entwicklung und dem Willen der Zusammenarbeit mit den Völkern dieser Welt künden.

Wir sind entschlossene AnhängerInnen eines Europa, das gegen Erwerbslosigkeit, prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen und gegen die Verschlechterung der Lebensqualität mobil macht. Soziale Sicherheit muss gestärkt, Wirtschafts- und Steuerpolitiken harmonisiert, die öffentlichen Dienste europaweit fortentwickelt werden, um ein Gegengewicht gegen den freien Wettbewerb zu schaffen. Es muss eine Wirtschaftsentwicklung in Gang gesetzt werden, die das ökologische Gleichgewicht achtet und den Frauen endlich die Gleichheit und Rechte zuerkennt, die sie fordern. Wir wollen ein demokratisches Europa, das auf vollen und uneingeschränkten Bürgerrechten für alle seine EinwohnerInnen aufbaut.
Damit dieses so notwendige Europa möglich wird, muss überall das Wort den BürgerInnen gegeben werden. In allen Ländern Europas müssen die Bevölkerungen über ihre Zukunft befragt werden. Ein „anderes Europa“ wird mit dieser „Verfassung“ nicht möglich werden. Wir können diese „Verfassung“ daher nicht akzeptieren und fordern zu Mobilisierungen auf um durchzusetzen, dass die Rechte der abhängig Beschäftigten, der Erwerbslosen und der Rentnerinnen und Rentner beim Aufbau Europas endlich berücksichtigt werden.

Kontakt: trade-unionist.appeal@wanadoo.fr


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