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Updated: 18.12.2012 15:51
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Wenn der Außendienst klingelt

Verhaltenstipps gegen unerwünschten Besuch vom Amt

Damit berechtigte Leistungsansprüche nicht verwirklicht werden, ersinnen Gesetzgeber und Verwaltungen immer neue Schikanen und Abschreckungsinstrumente. Neue Außendienste zählen dazu. Statt den Rückstau bei der Bearbeitung von Leistungsakten (z.B. von Widersprüchen) voranzutreiben, werden ARGE-MitarbeiterInnen losgeschickt, um Leistungsbeziehende in ihrer Privatsphäre zu belästigen. Dabei scheuen diese oft genug selbst vor der (unzulässigen) Befragung der Nachbarschaft nicht zurück. Der Arbeitskreis Erwerbsloser Metaller Bremen-Nord gibt im folgenden Tipps zum Umgang mit diesen ungebetenen Gästen.

0. Ungefragter Besuch

Wenn es klingelt und unerwartet ,Besuch' vom Amt vor der Tür steht, stellt sich die Frage, wie man sich verhalten soll.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass ein Hausbesuch begründet sein muss. Zum einen darf er nur stattfinden, wenn es ernsthafte Zweifel an den für die Zahlung einer Sozialleistung gemachten Angaben gibt, also ein begründeter Verdacht besteht. Ein genereller Verdacht ist nicht zulässig. Zum anderen muss der Hausbesuch geeignet sein, die Zweifel an den Angaben der Antragsteller durch eine Augenscheinnahme der tatsächlichen Situation aufzuklären (vgl. z.B. die Beschlüsse des Landessozialgerichts Hessen vom 21. Juni 2005, AZ: L 7 AS 29/05 ER, wonach Hausbesuche grundsätzlich kein geeignetes Mittel zur Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft sind sowie vom 30. Januar 2006, AZ: L 7 AS 1/06 ER, nach dem diese ein untaugliches Mittel sind um zu prüfen, ob ehemals Selbständige ihre Tätigkeit fortsetzen). Der Hausbesuch muss bei der Aufklärung bzw. Beseitigung der Zweifel als letztes Mittel eingesetzt werden, denn die Unverletzlichkeit der Wohnung ist nach Art. 13 GG geschützt. Daraus kann abgeleitet werden, dass zunächst eine Anhörung des bzw. der Betroffenen unter Angabe der berechtigten Zweifel stattfinden muss.

1. Unverhofftes Klingeln:

Es klingelt plötzlich an der Tür und es sind keine Bekannten oder andere erwünschten Personen, sondern unbekannte Leute.

  • Bevor Sie jemand Ihre Wohnung betreten lassen, fragen Sie danach, worum es geht. Wenn es sich um mehrere Personen handelt, sind es entweder die Zeugen Jehovas oder Vertreter/innen eines Amtes. Passen Sie beim Öffnen der Tür auf, dass niemand herein kommen kann.
  • Sind Sie nicht zu Hause und Ihre Kinder oder andere Personen sind allein in der Wohnung, instruieren Sie diese, nur angekündigtem Besuch zu öffnen und fremde Personen nicht hereinzulassen.
    Anmerkung: Sollten die Kontrolleure sich trotz Ihrer Abwesenheit Zutritt zur Wohnung verschaffen (z.B. durch ,gutes' Zureden bei den Kindern oder anderer Personen, was in nicht wenigen Fällen geschehen ist) scheuen Sie sich nicht eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Diese muss innerhalb von drei Monaten eingereicht werden. Der Zutritt darf nämlich nur durch die Wohnungsinhaber/-in selbst gestattet werden und das wissen die Außendienstmitarbeiter genau, denn sie werden extra dafür geschult. Das Eindringen geschieht daher vorsätzlich unbefugt. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde können Sie zusätzlich einreichen. Holen Sie sich vor einer Anzeige oder Beschwerde fachlichen Rat ein.
  • Lassen Sie sich auf jeden Fall den Ausweis vorlegen und kontrollieren Sie diesen durch den Personalausweis. Es kann ja sein, dass Trickbetrüger sich Zutritt zu Ihrer Wohnung verschaffen wollen. Zudem kommt es auch immer wieder vor, dass einfache Sachbearbeiter ohne besondere Außendienstschulung mit eintreten wollen. Diese sind aber nicht zum Hausbesuch befugt.
  • Lassen Sie sich die Verdachtsgründe, die gegen Sie vorliegen, genau erklären. Auch die Polizei braucht einen richterlichen Durchsuchungsbefehl, bevor sie Ihre Wohnung durchstöbert. Der Außendienst hat nur dann ein Recht auf Kontrolle, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Diese müssen genau beschrieben sein. Die Kontrolle darf sich auch nur auf diese Verdächtigungen beziehen und darf deren Rahmen nicht überschreiten. (Eine Aussage der Kontrolleure, Sie hätten Leistungen beantragt, daher wolle man sich jetzt die Wohnung ansehen, ist keine Bezeichnung eines konkreten Verdachtsmomentes und keine präzise Beschreibung eines zulässigen Ermittlungsauftrages!)

2. Muss man Kontrolleure herein lassen?

Grundsätzlich gilt: Nein!

Die Wohnung ist grundgesetzlich geschützt und darf nur durch Polizei oder Zoll und durch den Gerichtsvollzieher ohne Zustimmung betreten werden. Alle anderen Behördenvertreter und deren Vollziehungskräfte haben kein Recht auf Wohnungszutritt.

Wann machen die Arbeitslosenbehörden Hausbesuche? Der Außendienst wird vielfach dann eingeschaltet, wenn sich Undurchsichtigkeiten und Fragen ergeben, die nicht durch die Akten geklärt werden können. Z.B.

  • bei Hinweis auf eine "Scheinwohnung", d.h. es wird unterstellt, z.B. nach anonymem Anruf, dass jemand nicht in der angegebenen Wohnung wohne;
  • bei Verdacht, dass entgegen der Angaben jemand in trauter Zweisamkeit wohnt und damit eine eheähnliche Gemeinschaft verschwiegen habe;
  • wenn für das Amt nicht eindeutig klar ist, dass z.B. keine Erstausstattung für die Wohnung vorhanden ist. Dann soll kontrolliert werden, ob z.B. tatsächlich keine Kücheneinrichtung vorhanden ist.

Ein Hausbesuch ist nach Richtermeinung kein geeignetes Mittel, das Bestehen oder Nichtbestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft festzustellen und nach der Verschärfung der sonstigen gesetzlichen Kontrollen zum 1.08.06 auch nicht mehr notwendig. Das Amt kann bei Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft (vgl. Beschluss des SG Freiburg in dieser Ausgabe der quer) eine eheähnliche Gemeinschaft per Gesetz "vermuten" und die Betroffenen müssen diese Unterstellung widerlegen. Dazu braucht es keinen Hausbesuch zu veranlassen. Zudem ist ein Hausbesuch nicht das geeignete Mittel, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft, zu ermitteln.

GEZ:

Die GEZ lässt kontrollieren, ob man ein Gerät "empfangsbereit" in der Wohnung hat. Dabei ist es unerheblich, ob es funktioniert, ob es angeschlossen ist usw. Es zählt für die GEZ allein, dass ein Gerät vorhanden ist. Da die GEZ nachprüfen will, ob Gebührenpflicht besteht, muss niemand die Kontrolleure hereinlassen. Sie haben keine Handhabung auf bloßen Verdacht, einen möglichen Empfang zu kontrollieren. Also: GEZ-Kontrolleure nie hereinlassen!

Achtung: Ab dem 1. Januar 2007 werden auch für Personalcomputer (PC), die mit dem Internet verbunden sind Gebühren fällig. Das bedeutet, wenn kein Fernsehen vorhanden ist, aber ein PC, müssen Gebühren bezahlt werden. Sind volljährige Kinder mit eigenem Verdienst im Haus, müssen diese für ihren eigenen PC Gebühren zahlen. SGB II-Haushalte sollten daher prüfen, ob rechtzeitig weitere Anträge auf Gebührenbefreiung notwendig werden.

3. Verhaltenstipps:

  • In einigen Fällen (z.B. bei einem Antrag auf Erstausstattung einer Wohnung mit Hausrat oder Einrichtungsgegenständen) kann es zwar durchaus sinnvoll sein, den ungewünschten Behördenbesuch zuzulassen. Dies sollte jedoch nur mit Terminabsprache geschehen. Unsere Erfahrungen sind leider so, dass bei unangemeldeten Besuchen immer zum Nachteil der Betroffenen ermittelt wurde.
  • Stehen Kontrolleure ohne Anmeldung vor der Tür, verweigern Sie auf jeden Fall den sofortigen ,Besuch'! Dies können Sie z.B. damit begründen, dass Sie gleich einen Arzttermin oder ein Vorstellungsgespräch haben. Oder verweigern Sie den ,Besuch' mit dem Hinweis, dass Sie einen Beistand dabei haben wollen. Nie einen Hausbesuch ohne Zeugen und Beistand zulassen! Das Recht zu dieser Unterstützung haben Sie (§ 13 Abs. 4 SGB X).
  • Achten Sie darauf, dass die Kontrolleure nur das ermitteln, wozu sie befugt sind. Leben Sie z.B. in einer Wohngemeinschaft, ist das Betreten und Durchsuchen der Räumlichkeiten der anderen Wohngemeinschaftsmitglieder nicht erlaubt und nur mit deren Zustimmung und in deren Beisein zulässig.
  • Die Kontrolleure erstellen ein Protokoll. Verlangen Sie die Einsicht und eine Kopie. Sollte es zu Unrichtigkeiten und Unstimmigkeiten kommen, verlangen Sie die Richtigstellung und die Protokollierung Ihrer Einwände. Erstellen Sie ebenfalls zusammen mit Ihrem Beistand ein Protokoll. Sie können sich dann später genauer erinnern. Dies ist wichtig, wenn es zu Nachteilen infolge des Hausbesuchs kommt.
  • Wenn die Kontrolleure auf ihrer Position oder Sichtweise beharren, machen Sie eine Gegendarstellung und lassen Sie diese von den Zeugen mit unterschreiben. Sie können die Gegendarstellung dann Ihrer Akte hinzufügen (Kopie für sich selbst behalten).
  • Verlangen Sie ca. zwei bis drei Wochen nach dem Hausbesuch Akteneinsicht (§ 25 Abs. 4 SGB X). Vielleicht ist noch etwas nachgetragen oder eingefügt worden, was beim ,Ortstermin' noch nicht gesagt oder niedergelegt wurde.

Arbeitskreis erwerbsloser Metaller Bremen-Nord, Dorothee Fetzer/Günter Brauner, Bremen 2006 , leicht redaktionell überarbeitet und veröffentlicht in der quer Heft 4/2006


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