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Updated: 18.12.2012 15:51
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Ökonomie der Anerkennung: Tristesse ade, bonjour Pares(s)e?

"Faulheit!" soll das wieder entdeckte Gegenmittel für das von Arbeitsalltag und -eifer geplagte partikuläre Ich heißen. Würden gesellschaftliche Veränderungen in Ratgeberliteratur ihren Anfang finden, sollten schon ein paar davon im Gange sein - so viele Bücher unterschiedlichster Couleur begrüßen, erläutern, entdecken, begründen und bringen dem/der LeserIn die Faulheit und den geschickten Umgang mit ihr bei. Die AutorInnen unzähliger Ratgeber sprechen kokett brenzlige Themen an - entfremdete Arbeit, Selbstausbeutung, aktives Distanzieren vom eigenen Unternehmen. Sie lösen überschaubare Skandale aus, schreiben mitunter subversiv und geben ihr Wissen als Tipps weiter. Wozu/wogegen Faulheit gut sein soll? Dazu, sich ein windstilles Plätzchen in einer Ecke der großen Arbeitswelt zu sichern, Stress abzubauen, die eigene Verwertbarkeit zu erhöhen, sich für den nächsten (besseren) Job fit zu machen, von der eigenen Kreativität zu profitieren, cool zu wirken oder die Kunst zu vermitteln, sich selbst die Nicht-Identifizierung mit dem Unternehmen beizubringen - eine Herausforderung, die angesichts der Popularität der hochaktuellen Ich-AGs abseits der Schizophrenie kaum zu bewerkstelligen ist.

"Recht auf Faulheit!" soll das wieder entdeckte Gegenmittel für das von Arbeitszwang und -losigkeit geplagte Wir heißen. Mit diesem programmatischen Titel widmete sich die Dezemberausgabe der Frauenzeitschrift AUF dem Thema und beleuchtete es aus unterschiedlichen Perspektiven. Auch hundertzwanzig Jahre nach dem Erscheinen der gleichnamigen Broschüre von Paul Lafargue hat der Slogan scheinbar nichts an subversiver Kraft eingebüßt - eine Tatsache, die eher nachdenklich stimmt - und eignet sich auch heute dazu, Lebens- und Gesellschaftsentwürfe abseits der Omnipräsenz von (Erwerbs)Arbeit und daran geknüpften Verheißungen anzuregen.

Naturgemäß ist die Faulheit sogar im Deutschen, trotzt der suggerierten Assoziation mit Verwesung, ein sehnsuchtsumwitterter Begriff, der an diffus-glückliche Vorstellungen eines Schlaraffenlandes anknüpft. Dass der Begriff Faulheit für Frauen öfters nicht die Befreiung von Mühsal veranschaulicht, als viel mehr die Konstruktion der nicht entlohnten Reproduktionsarbeit als eine Art Freizeitbeschäftigung verhüllt und Frauen in einen sich steigernden, verschleierten Arbeitszwang hineinbefördert, stellt eine wichtige Ausdifferenzierung dar, die auch zu erklären vermag, aus welchen Erfahrungen ein unmittelbarer Umgang mit möglichen Utopien sich schwierig gestalten lässt. Eine weitere zentrale Debatte dreht sich um die freie Wahl der Arbeit bzw. um die Lust auf Arbeit als symmetrische Entsprechung zum Recht auf Faulheit. Eine mögliche ökonomische Basis dieser Wahl wird im Grundeinkommen oder auch in sozial motivierten Kleinkreditemodellen geortet, die den freien und fairen Zugang zu Ressourcen auch für Frauen gewährleisten sollen.

Der Debatte rund um die Neuentdeckung und Neukontextualisierung von Faulheit sind Hoffnungen und Wünsche nach einem Begriff zu entnehmen, der utopietauglich, verspielt und darüber hinaus mit einer gewissen Mobilisierungskraft ausgestatten ist. Recht auf Faulheit kann dabei durchwegs eine emanzipative Hauptrolle spielen, auch wenn ich bei der Lektüre den Eindruck nicht los werden konnte, darin mehr die Hoffnung nach Erholung, die das Ausmaß der Erschöpfung umreißt, zu lesen als die Praxis des Widerstands. Präsent bleibt dabei mehr das Fehlen eines konkret-utopischen Horizonts, in dem Begriffe wie Arbeit und Faulheit aufeinander bezogen werden können, um in ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung geschärft zu werden - und der Mangel an wegbegeleitenden Begriffen, die dieses Spannungsfeld an Kraft gewinnen lassen könnten. Partizipation, politische und materielle Gerechtigkeit für alle, Demokratie, in den Differenzen die Grundlage tatsächlicher Eingebundenheit in Entscheidungsprozesse darstellen usw. wären mögliche Kandidaten für solche Debatten. Denn so könnte Faulheit als widersprüchliche Praxis im Sinne von Weigerung und gleichzeitiger Herstellung gewünschter Wirklichkeit ihre Fortsetzung finden.

Radostina Patulova

Erschienen im Dossier "Hängematte für alle?" in der österreichischen Zeitschrift Malmoe externer Link Nr. 36 des Vereins zur Förderung medialer Vielfalt und Qualität

Mehr Infos zur "AUF 134" zum Thema "Das Recht auf Faulheit" unter:
http://auf-einefrauenzeitschrift.at/ externer Link


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